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Falschinformationen zu Covid-19: Warum sich Spotify aus der Affäre ziehen will

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Spotify hat aktuell 381 Millionen aktive Hörer:innen – Alle Rechte vorbehalten IMAGO / ZUMA Wire

Das Aufregerthema der letzten Tage hat ein vorläufiges Ende gefunden: Spotify will den Hörer:innen von Podcasts über Covid-19 zukünftig einen Link zu wissenschaftlich geprüften Inhalten einblenden. Die Maßnahme folgt auf den zuletzt stark gestiegenen öffentlichen Druck. Medienwirksam hatten Wissenschaftler:innen und Künstler:innen gegen das erhöhte Aufkommen von Falschinformationen auf dem Audiostreamingdienst aufbegehrt.

Entfacht hatte die Proteste der englischsprachige Podcast The Joe Rogan Experience. In dem enorm erfolgreichen Podcast erhielten bekannte Verschwörungserzählungen rund um die Coronapandemie wiederholt eine Plattform. So säte der Gastgeber Rogan immer wieder Zweifel an der Corona-Impfung, lobte die vermeintliche Heilkraft des Entwurmungsmittels Ivermectin oder lud Gäste ein, die mit Nazi-Analogien um sich warfen.

In Reaktion auf diese zunehmende Zahl an Falschinformationen hatten 270 amerikanische Ärzte und Wissenschaftler einen offenen Brief an Spotify verfasst. Ihnen zufolge schaden die Aussagen Rogans dem gesellschaftlichen Verständnis von Wissenschaft und Medizin. Dies erhöhe die ohnehin enorme Last der Pandemie, welche sie als Ärzt:innen selbst tagtäglich schultern müssen. Daher appellierten sie an Spotify, den Falschinformationen Einhalt zu gebieten. Dem Appell schlossen sich in den letzten Wochen immer mehr Personen des öffentlichen Lebens an: So kündigten unter anderem die Musiker:innen Neil Young und Joni Mitchell an, sich von Spotify zurückzuziehen, sollte das Unternehmen keine Maßnahmen gegen den Podcast ergreifen.

Spotify will kein Medienunternehmen sein

Spotify reagierte mit einer Ankündigung, die auch von Facebook oder anderen Online-Diensten hätte stammen können: Der Konzern wolle zu allen Podcasts über Covid-19 zukünftig einen Link zu wissenschaftlich gesicherten Informationen einblenden. Zudem sind die bereits geltenden Regeln für die Inhalte von Podcasts nun auch öffentlich einsehbar. Für die Podcast-Autoren ergibt sich als einzige Änderung, dass ihnen diese Richtlinien nun regelmäßig angezeigt werden sollen. Ferner gibt Spotify Medienberichten zufolge an, bereits über 20.000 Podcast-Episoden mit Falschinformationen zur Coronapandemie gelöscht zu haben. Am populären Joe Rogan hält das Unternehmen jedoch weiterhin fest.

Auf diese Weise möchte sich Spotify ziemlich durchschaubar aus der Affäre ziehen: Mit der austauschbaren Ankündigung und dem lieblosen Verweis auf den „COVID-19 Information Hub“ impliziert der Konzern, für die Inhalte der Podcasts nicht verantwortlich zu sein. Vielmehr versucht Spotify, das eigene Problem mit den Falschinformationen mit dem Desinformationsproblem der sozialen Medien gleichzusetzen, die vor allem nutzergenerierte Inhalte verbreiten. Auch diese stellten sich lange Zeit als angeblich neutrale Plattformen dar und wollten keine Verantwortung für jegliche Umtriebe auf ihren Diensten übernehmen.

Damit folgt Spotify der Argumentation vieler moderner IT-Unternehmen. Zumeist dient diese jedoch nur dazu, neue regulatorische Auflagen zu verhindern oder bestehende Vorschriften zu umschiffen. Beispielsweise gibt das Unternehmen Uber an, bloß die Infrastruktur für die Fahrtenvermittlung bereitzustellen. Das Unternehmen transportiere also keine Menschen und sei daher nicht als Transportunternehmen zu verstehen, vielmehr agiere es in der Technologiebranche. Auf diese Weise konnte sich Uber in vielen Ländern einen enormen Wettbewerbsvorteil sichern, mit nicht weniger enormen schädlichen Nebenwirkungen.

Nicht mein Content, nicht mein Problem

Ein solches Bild eines „neutralen“ Technologieunternehmens versucht nun auch Spotify zu zeichnen. Allerdings verschweigt es den entscheidenden Punkt: Der Konzern hat im Dezember 2020 die Rechte der Joe Rogan Experience für geschätzte 100 Millionen Dollar gekauft. Der Podcast wurde daraufhin als „Spotify Exclusive“ beworben. Spotify spielt hier keine Rolle als vermeintlich unbeteiligte Distributionsplattform, sondern gleicht viel mehr einem Herausgeber des Podcasts, der Verantwortung für dessen Inhalte übernehmen muss. So schreibt etwa Dennis Horn, der Digitalexperte der ARD:

[…] Spotify ist hier nicht die Plattform. Spotify ist ein Medienanbieter. Und verantwortlich für seine Inhalte. Keine Zeitung druckt einen Hinweis, dass sie nichts damit zu tun habe, was ihre eigenen Leute schreiben.

Der Kauf hat sich für Spotify offenbar rentiert, zumindest bislang: Der Podcast wird mit seinen durchschnittlich 11 Millionen Hörer:innen pro Folge über 170 Millionen Mal im Monat aufgerufen. Damit ist er der meist gehörte Podcast auf der Spotify. Seine Abonnentenzahlen konnte der Konzern nach dem Kauf des Podcasts von rund 144 auf 172 Millionen erhöhen. Das war kalkuliert, denn die ins Boot geholte Person war schon vor dem Kauf hinlänglich bekannt: Ein umstrittener Unterhalter, der Klicks bringt, ohne Berührungsängste mit Verschwörungserzähler:innen, Quacksalbern und Rechtsextremen zu haben.


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