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Crowd-Arbeit: US-App Premise zieht sich aus Ukraine zurück

Schatten von Soldaten vor den Nationalfarben der Ukraine
Während des Krieges in der Ukraine geraten auch Tech-Unternehmen unter Druck. (Symbolbild) Vereinfachte Pixabay Lizenz geralt

Die US-amerikanische Crowdarbeits-App Premise hat in der Nacht von Freitag auf Samstag alle Aktivitäten in der Ukraine eingestellt. Am Abend zuvor hatte das ukrainische Militär behauptet, russische Agent*innen würden die App zur Zielfindung benutzen. Ukrainer*innen hatten die App dann bei Google und Apple gemeldet.

Premise reagierte schnell auf die Vorwürfe und bestreitet, dass die eigene Plattform vom russischen Militär genutzt worden sei. Man habe die Aktivitäten in der Ukraine „aus einem Übermaß an Vorsicht“ eingestellt, schreibt der CEO der Firma, Maury Blackman, in einem Blogpost.

Ukrainischer Generalstab beginnt Anschuldigungen

Am Freitagnachmittag, dem zweiten Tag der russischen Invasion der Ukraine, postete der Generalstab der Ukrainischen Streitkräfte auf Facebook: „Die Identifizierung von feindlichen Agent*innen, die fluoreszierende Marker in verschiedenen Regionen des Landes anbringen, geht weiter.“ Es sei festgestellt worden, dass die Kreml-Agentur die Smartphone-App Premise nutze. „Überprüfen sie daher in Fällen von öffentlichen Festnahmen solcher Personen bitte deren Mobiltelefone und benachrichtigen sie die Strafverfolgungsbehörden“, schreibt der Generalstab weiter.

Mit Markierungen, die sich beispielsweise auf Dächern und Straßen befinden, sollen russische Luftangriffe angeleitet werden, so die Befürchtung. Die ukrainischen Behörden haben Bürger*innen in den letzten Tagen wiederholt aufgerufen, ihre Dächer nach solchen Markierungen zu untersuchen und sie zu entfernen. Laut einer Meldung des Kyiv Independent wird das Zeichnen von Markierungen für russische Luftangriffe als Hochverrat mit 12 bis 15 Jahren Gefängnis bestraft.

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Premise ist eine Crowdarbeits-App, auf der Leute für einfache Aufgaben kleine Summen bekommen können. Im Gegensatz zu Plattformen wie zum Beispiel Amazons Mechanical Turk sind das nicht nur Aufgaben, die von Zuhause am Bildschirm erledigt werden können, wie etwas Kund*innenumfragen. Für manche Aufgaben sollen auch einige Fragen zu Orten in der Umgebung der Nutzer*innen beantwortet oder Bilder hochgeladen werden.

„Finde die nächste Brücke, finde den nächsten Bunker, finde ein Krankenhaus“

Das hat auch Potenzial für militärische Zwecke: Laut einem Bericht des Wall Street Journal hat das Unternehmen seit 2017 mindestens fünf Millionen Dollar vom US-Militär erhalten. Premise hatte unter anderem in Afghanistan Nutzer*innen, die Informationen sammelten – ohne genau zu wissen, für wen.

In einem aktuellen Bericht des Wall Street Journal zur Kontroverse heißt es, die Mehrheit des Umsatzes von Premise stamme aus Geschäften mit dem US-Verteidigungssektor. In den Nutzungsbedingungen der App steht zwar, dass die gesammelten Daten auch mit Regierungen geteilt werden können, aber bei einzelnen Aufgaben ist nicht erkennbar, wer die Auftraggeber sind.

So auch bei den Aufgaben, die Oleksandr Kuts, einem ukrainischen Front-End-Entwickler, am Freitag auf der App auffielen. „Ich habe in einem Arbeitschat davon gelesen, wo Kolleg*innen angefangen haben, über die App zu diskutieren“, schreibt er im Chat mit netzpolitik.org, unterbrochen von Alarmen für Luftangriffe. Er habe dann die Meldung des ukrainischen Generalstabs gelesen und mit den Kolleg*innen einige verdächtige Aufgaben gefunden: „Finde die nächste Brücke, finde den nächsten Bunker, finde ein Krankenhaus. Das war genug, um sicher zu sein, dass die App von feindlichen Schützen benutzt wurde“, schlussfolgert Kuts.

Auf Twitter bekam er einige Reaktionen, viele Nutzer*innen rufen ebenfalls zum Melden der App bei den Appstores auf. „Es ist deine Meldung, die vielleicht die letzte vor der Löschung sein und das Leben von Hunderten retten kann!“, schreibt jemand. Viele posten Screenshots von Webseiten, die den Empfang ihrer Meldungen bestätigen. Auf eine Anfrage von netzpolitik.org verlinkt ein Account den Post von Kuts – „Das ist alles, was ich darüber weiß.“ Er selber würde die App nicht nutzen.

Premise dementiert die Vorwürfe

Wenige Stunden später veröffentlicht der CEO von Premise dann seinen Blogpost auf der Seite des Unternehmens, auf Englisch, Ukrainisch und Russisch. Darin heißt es, dass Posts in sozialen Medien die App als ein Werkzeug der russischen Streitkräfte darstellen würden. „Das ist eindeutig falsch. Premise arbeitet nicht mit russischem Militär oder Regierung und unterstützt sie auch nicht. Unser erstes Anliegen sind Sicherheit und Wohlergehen der ukrainischen Bevölkerung“, schreibt Blackman. Aus diesem Grund seien alle Aktivitäten in der Ukraine gestoppt worden. Der Fall zeigt, wie sehr Tech-Unternehmen unter Beobachtung und Druck stehen. Und wie schwierig es ist, verlässliche Informationen zu erhalten.

Auf Twitter schreibt ein Jurist, der Premise als seinen Kunden bezeichnet: „Seriöse Journalist*innen und sogar das ukrainische Verteidigungsministerium von Desinformation getäuscht. Von wo? Durch wen?“ Das Statement des Verteidigungsministeriums, womit er wohl den Generalstab meint, sei inkorrekt. Die Aufträge seien im Auftrag von Kund*innen aus westlichen Demokratien durchgeführt worden, um den Zustand der Infrastruktur im Land zu verstehen.

„Soweit ich weiß, ist Premise auf Google Play und im App Store immer noch verfügbar“, sagt Kuts. „Aber wenn man versucht, es in der Ukraine zu benutzen, wird ein Fehler angezeigt“, so Kuts im Chat mit netzpolitik.org. Weder er noch Premise hätten versucht, miteinander Kontakt aufzunehmen. Der ukrainische Generalstab und Premise antworteten nicht auf Anfragen von netzpolitik.org.


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