Seit heute morgen ist das Internet in Kasachstan landesweit komplett abgeschaltet, berichtet die Organisation Netblocks.org. Die Internet-Monitoringstelle beobachtet schon seit Dienstag massive Ausfälle von mobilem Internet in Kasachstan. Betroffen sind Provider wie KCell und Beeline. Im zentralasiatischen Land gibt es seit Tagen größere Proteste, die mittlerweile nicht nur die ehemalige Hauptstadt Almaty, sondern das ganze Land erfasst haben.
Inzwischen hat der Präsident Qassym-Schomart Tokajew den Ausnahmezustand ausgerufen, die Regierung des Landes ist geschlossen zurückgetreten. In der Präsidialrepublik könnte das aber auch nur ein strategischer Schritt von Zugeständnissen an die Demonstrierenden sein, um die Macht des Präsidenten zu erhalten. Auf Bildern aus dem Land ist der Einsatz von Polizei und Militär gegen die Demonstrierenden zu sehen.
Die Proteste hatten sich an einer Verdopplung des Gaspreises entzündet. In den aus Kasachstan durchdringenden Protestbildern und Videos sind auch Szenen staatlicher Auflösung zu sehen: Polizisten und Soldaten fraternisieren sich mit Demonstrierenden, Protestierende dringen in Regierungsgebäude ein. Nach offiziellen Angaben wurden 95 Polizisten verletzt und 200 Demonstrierende festgenommen.
Kasachstan ist für eine rigide Kontrolle-, Zensur- und Überwachungspolitik in Sachen Internet bekannt. Im vergangenen September legte die Regierung einen Gesetzentwurf zur Kontrolle ausländischer Social-Media-Anbieter nach russischem Vorbild vor. Mehr als 10.000 Menschen unterzeichneten damals eine Petition gegen das Vorhaben. Gleichzeitig setzte das Land auch gegenüber Apple durch, dass Privatsphäre-Features wie Private Relay in Kasachstan nicht verfügbar sind. Im Jahr 2019 zwang das Regime seine Internetnutzer:innen, ein spezielles Überwachungszertifikat zu installieren, mit dem Webseitenbesuche protokolliert werden können.
Kasachstan wird seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion autoritär regiert. Der frühere Machthaber Nursultan Nasarbajew hatte sogar die Hauptstadt vom umtriebigen Almaty in die Steppe verlegt, um seine Macht abzusichern. Nach Nasarbajews überraschenden Rücktritt nach 29 Jahren Amtszeit im Jahr 2019 wurde die Hauptstadt nach ihm in Nur-Sultan umbenannt.
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