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Großbritannien: Die Auslieferung von Assange kann vor das höchste britische Gericht

Graffito mit Julian Assange in London. CC-BY-NC 2.0 duncan

Heute hat der Londoner High Court bejaht, dass der Assange-Auslieferungsfall vor das höchste britische Gericht kommen kann. Das ist eine unerwartete Entscheidung, denn die juristische Schwelle lag hoch: Es muss ein grundsätzliches Problem mit dem britischen Auslieferungsgesetz (Extradition Act) geben, um vor den Obersten Gerichtshof des Vereinigten Königreichs zu gelangen. Das sahen die Richter als gegeben an. Die schriftliche Begründung der Entscheidung steht noch aus.

Assange hatte die Plattform WikiLeaks ins Leben gerufen, auf der Dokumente für alle öffentlich zugänglich gemacht werden. Er befindet sich seit 2020 in dem Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh in Auslieferungshaft. Nach sieben Jahren in der ecuadorianischen Botschaft in London entscheidet die britische Justiz über seine Auslieferung in die Vereinigten Staaten. Dort soll er sich im Zusammenhang mit WikiLeaks Spionagevorwürfen stellen. Bei einer Verurteilung könnten bis zu 175 Haftjahre verhängt werden.

Das Auslieferungsverfahren hat bereits einige juristische Wendungen genommen: Die Vereinigten Staaten hatten zuletzt im Dezember 2021 ihre Berufung gegen ein vorheriges Urteil gewonnen, das die Auslieferung aufgrund von psychischen Gesundheitsgefahren für Assange zunächst versagt hatte. Der fünfzigjährige Assange gelte als suizidgefährdet, die US-Haftbedingungen und Kontakt-Restriktionen im Gefängnis seien für ihn nicht zumutbar. Der Londoner „High Court“ entschied nach der US-amerikanischen Berufung jedoch, dass Großbritannien den australischen WikiLeaks-Mitgründer überstellen darf. Den abgegebenen diplomatischen Versicherungen der Amerikaner zu den Haftbedingungen sei Vertrauen zu schenken.

Diese Entscheidung des Berufungsgerichts können Assanges Anwälte nach der heutigen Entscheidung der beiden Richter Lord Chief Justice Lord Ian Burnett und Lord Justice Timothy Holroyde nun beim Obersten Gerichtshof des Vereinigten Königreichs prüfen lassen. Denn die diplomatischen Versicherungen von US-Seite sind erst beim Berufungsgericht vorgebracht worden, lagen der ersten Instanz also nicht vor. Hier sahen die Richter ein grundsätzliches Problem, über das der Oberste Gerichtshof entscheiden könne: nämlich unter welchen Bedingungen ein Berufungsgericht vom dem Staat, der die Auslieferung verlangt, solche diplomatischen Versprechungen in seine Urteilsfindung aufnehmen müsse, wenn sie der Vorinstanz nicht gegeben wurden.

Nur ein „Teilerfolg“

Der Londoner High Court sieht also ein grundsätzliches juristisches Problem, aber der Australier bleibt dennoch in Haft. Assange hat nun vierzehn Tage Zeit, zum Obersten Gerichtshof zu ziehen. Das Auslieferungsverfahren wird damit unterbrochen. Aber ob der Gerichtshof den Fall auch annimmt, steht nicht fest.

Kristinn Hrafnsson, der Sprecher von Wikileaks, nannte die abgegebenen Versicherungen der US-Seite „absurd“. Erst nachdem die Vereinigten Staaten vor Gericht verloren hätten und die Auslieferung wegen der unzumutbaren Haftbedingungen gestoppt worden sei, wären diese Zusicherungen abgegeben worden.

Hrafnsson bezeichnete die heutige Entscheidung nur als einen „Teilerfolg“, denn es werde vermutlich „noch Monate dauern“, ehe der Oberste Gerichtshof dann entscheide, sollte er den Fall aufgreifen. Er könne nicht abschätzen, ob nun weitere Wochen oder Monate ins Land gingen. Assange gehe es „gesundheitlich nicht gut“.

Das betonte auch Stella Moris, die Verlobte von Assange, die nur ein sehr kurzes Statement am Gerichtsgebäude abgab. Sie erklärte, sie hoffe sehr, dass der Oberste Gerichtshof den Fall aufgreife. Sie schrieb kurz nach der Entscheidung auch auf Twitter, dass nun der Oberste Gerichtshof entscheiden müsse, ob er Assange anhören werde. Ihr Verlobter leide sehr im Gefängnis, erklärte sie vor dem Gerichtsgebäude.

Berichterstattung erneut erschwert

Dass die Vereinigten Staaten das Auslieferungsbegehren von Assange weiterhin vorantreiben, ist von allen internationalen Journalistenverbänden und von zahlreichen Menschenrechtsorganisationen kritisiert worden. Der Fall gilt ihnen als Präzedenzfall für eine Gefährdung der Pressefreiheit, da der Australier für typische journalistische Tätigkeiten mit hohen Haftstrafen bedroht werde.

Auch die Bedingungen, unter denen Journalisten die britischen Gerichtsverfahren beobachten können, sind immer wieder als unzureichend und unprofessionell beurteilt worden. Die in Großbritannien stark grassierenden Corona-Infektionen hatten die Berichterstattung zusätzlich erschwert. Bei der heutigen Entscheidung hatten die wartenden Journalisten abermals keine Nachricht vorab erhalten, ob sie an der Verkündigung der Entscheidung überhaupt teilnehmen dürfen. Das betraf auch den geplanten Video-Zugang. Erst Minuten vor der Entscheidung wurde den Journalisten der Zugang gewährt.

Sollte sich das höchste Gericht von Großbritannien dagegen entscheiden, Assanges Fall anzunehmen, geht sein Fall zurück zum Westminster Magistrates’ Court, um ihn dann der britischen Innenministerin Priti Patel vorzulegen. Sie hätte dann letztlich die Entscheidung zur Auslieferung zu treffen. Aber auch die Entscheidung der Ministerin würde unweigerlich auf juristische Gegenwehr stoßen.


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