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Zuständigkeiten für Digitales: Scholz wird kein Digitalkanzler

Scholz mit Computer
Die digitalen Kompetenzen aus dem Kanzleramt wandern in die Ministerien. (Archivbild) – Alle Rechte vorbehalten IMAGO / Chris Emil Janßen

Es war eine der letzten ungeklärten Fragen nach der Präsentation des Koalitionsvertrages: In welcher Form findet zukünftig die Koordinierung der Netz- und Digitalpolitik innerhalb der neuen Ampel-Regierung statt? 16 Jahre unter Angela Merkel hatten offenbart, dass zu viel Neid, Chaos und ungeklärte Koordinierung nicht gerade zielführend für die Gestaltung der digitalen Rahmenbedingungen waren.

Funklöcher gibt es trotz vieler Versprechungen noch überall außerhalb von Andreas Scheuers Wahlkreis und eGovernment kennen die meisten Bürger:innen nur aus dem Märchen.

In der vergangenen Legislaturperiode hatte das Kanzleramt mehr Koordinierung an sich gezogen und mit der Abteilung 6 eigene Kompetenzen aufgebaut. Im Wahlkampf war vor allem von Seiten der CDU/CSU und der FDP ein Digitalministerium versprochen worden, welches dann doch nicht kam.

Gestern kam erstmalig das neue Bundeskabinett zusammen und hat mit dem neu gefassten Organisationserlass zumindest einige Fragen geklärt und neue-alte Fragen aufgeworfen. Das Kanzleramt wird demnach nicht weiter stark die Digitalisierung koordinieren. Für diesen Weg hatten sich vor allem SPD und Bündnis 90/Die Grünen stark gemacht. Als Lösung hat man sich auf „irgendwas in der Mitte“ geeinigt.

Stattdessen gibt das Kanzleramt wieder die Digital-relevanten Abteilungen ab. Das Bundesministerium für Inneres und für Heimat (BMIH) erhält aus dem Kanzleramt die Zuständigkeiten für die Strategische Steuerung des Bundes sowie für den IT-Rat des Bundes zurück, für das es früher auch schon zuständig war. Die „Bad Bank“ eGovernment wird damit wieder im Innenministerium federführend angesiedelt und gebündelt, das mit der Verwaltung von vielen Defiziten in diesem Bereich eine lange Erfahrung hat. Dafür wechselt alles mit Smart City vom BMIH zum neuen Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB)

Heimliches Digitalministerium?

Die Zuständigkeiten für operative Vorhaben der Digitalpolitik werden aus dem Kanzleramt an das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) unter Volker Wissing (FDP) übertragen. Das wiederum hat seine Aufgaben im Namen vertauscht und will damit wohl suggerieren, dass es mittlerweile mehr Digital- als Verkehrsministerium sein möchte.

Aus dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) werden „die Zuständigkeiten für Telekommunikation einschließlich der diesbezüglichen Fach- und Rechtsaufsicht über die Bundesnetzagentur ohne die Zuständigkeiten für den Bereich der Post sowie die Zuständigkeiten für die nationale, europäische und internationale Digitalpolitik ohne die Zuständigkeiten für Start-Ups“ an Wissings Ministerium übertragen.

Eine Bündelung der Abteilungen, die sich mit dem Breitbandausbau beschäftigen, in einem Ministerium kann dabei eine Chance sein, Reibungsverluste und Abstimmungen zu vermeiden.

Den Digitalgipfel sollen BMWK und BMDV zukünftig zusammen koordinieren. Bleibt zu hoffen, dass die Ampel hier die Möglichkeit nutzt, diese Veranstaltung aus dem Sumpf der Bitkom-Industrieförderung zu ziehen und mehr für gesellschaftliche Debatten zu öffnen.

Reise nach Jerusalem

Ist damit das BMDV damit jetzt das neue Digitalministerium? Vielleicht, vielleicht aber auch nicht. Denn es ist komplizierter, wie die aktuelle Reise nach Jerusalem zeigt. Der Bereich „Games“ wird vom BMDV zum Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) übertragen. Dort machte es immer schon mehr Sinn, aber historisch wollte die CSU mit dem Thema Games punkten, weil es viele Selfie-Gelegenheiten für CSU-Politiker:innen bot und deshalb fanden Computerspiele als Wirtschaftsförderung bisher eben im Verkehrsministerium statt. Einige wichtige Abteilungen bleiben im BMWK, das sich auch zukünftig mit Start-Ups und „Künstlicher Intelligenz“ beschäftigen wird.

Das grün-geführte Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMWNV?) erhält wiederum die Abteilungen zum digitalen Verbraucherschutz aus dem jetzt gelben Bundesjustizministerium. Das kann die Chance bieten, dass Verbraucherschutz mit nachhaltigen Zielen zusammen gedacht wird.

Neben diesen konkreten Verschiebungen bleibt es aber bei den unzähligen weiteren Abteilungen in den einzelnen Ministerien, die sich mit netzpolitischen Themen beschäftigen werden. Viele internationale Punkte aus dem Koalitionsvertrag betreffen das Auswärtige Amt, das digitale Ehrenamt wird aus dem Familienministerium gestärkt. Marco Buschmann kann als FDP-Justizminister an die bürgerrechtsorientierte Politik einer Sabine Leutheusser-Schnarrenberger anschließen und das Bundesministerium für Soziales wird weiterhin das Thema „Digitale Arbeitswelt“ behandeln.

Das Innenministerium bleibt weiterhin für viel mehr als nur eGovernment zuständig und viele Fördertöpfe werden aus das Forschungsministerium verteilt.

Netzpolitische Fragen werden weiterhin in allen Ministerien behandelt und nicht in einem Ministerium gebündelt. Für ein Querschnittsthema wie das der Digitalisierung ist das wichtig und notwendig. In der Realität wird sich noch zeigen, ob die Ampel-Regierung eine bessere Koordinierung hinbekommt und inwiefern das BMDV hier die gestaltende Rolle übernimmt. Oder ob es eben Themen-bezogene Koordinierung gibt, in der eGovernment federführend im BMIH angesiedelt ist und das BMDV eben für alles rund um Breitband zuständig ist.

Kein Digitalkanzler

Zu hoffen ist, dass sich die unterschiedlichen Ministerien nicht mehr gegenseitig im Weg stehen und Partei-Interessen nicht wieder eine Netzpolitik aus einem Guss verhindern. Einige Fragen bleiben noch offen: Wird es wieder ein Digitalkabinett geben und wie wirksam war es überhaupt, alle paar Monate eine Kabinettssitzung zu diesem einen Themenschwerpunkt zu machen. Und welche Rolle wird der Ausschuss für Digitales im Bundestag spielen, wird er zu einem „echten Hauptausschuss“ gestärkt oder bleibt der #btada (So der Hashtag für den bisherigen „Ausschuss für die digitale Agenda“) weiterhin eher beratend tätig und damit ein halber zahnloser Diskussionstiger? Update: Fest steht mittlerweile, dass Tabea Rössner von Bündnis 90/Die Grünen diesem Ausschuss vorsitzen wird.

Was sich aber jetzt schon abzeichnet: Olaf Scholz wird wohl auch kein Digitalkanzler. Er hätte die Chance gehabt, diese Rolle als gestaltender Kanzler zu übernehmen, anders als seine Vorgängerin Angela Merkel. Aber es zeigte sich bereits im Wahlkampf, dass seine persönlichen Vorlieben auf anderen Themenfeldern liegen. FDP und Bündnis90/Die Grünen können nun also noch mehr versuchen, sich mit Digitalisierung zu profilieren. Die FDP hat dabei eine etwas bessere Ausgangsbasis.


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