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Starlink & Co.: Der Sternenhimmel gehört uns allen – und nicht Elon Musk und Jeff Bezos

Sternenhimmel mit Tanne

Im letzten Sommer sah es so aus, als sei der ruhige Sternenhimmel für immer verloren. Plötzlich kreuzten helle Satellitenzüge das Firmament. Es fühlte sich an, als ob die Sterne für immer in den Hintergrund treten würden.

Multimilliardäre wie Elon Musk und Jeff Bezos, aber auch Staaten wie China, stehen kurz davor, unseren Himmel zu dominieren. Wenn sie dabei die Satelliten nicht signifikant abdunkeln, werden unsere Kinder statt dem funkelndem Glitzern und der Magie von Sternschnuppen vor allem vorbeifliegende Gerätschaften und menschengemachte Formationen sehen. 

Die neuen Satelliten im erdnahen Orbit sollen weltweit Internet bringen. An jeden Ort. Ich bin ein großer Freund des Breitbandausbaus und von schnellem Internet überall.

Befürworter:innen der Projekte bringen neben der weltweiten Versorgung mit Internet noch ein weiteres Argument für die Satelliten-Flotten: Es könnte Zensur umgehen. Doch wie weit trägt das, wenn Konzerne – wie in der Vergangenheit schon so häufig – sich dem Druck der Wirtschaftsmacht Chinas oder anderer autoritärer Regime beugen? Und könnte ein europäisches Satelliten-Internet, wie es etwa eine Studie der Stiftung Wissenschaft und Politik beschreibt, dem wirklich etwas entgegensetzen?

Ich fand Technikpessimisten immer sonderbar. Und vielleicht redet es sich leicht aus dem recht gut internetversorgten Mitteleuropa. Doch wir müssen das anders machen. Wir können das anders machen. Der Preis und die Gefahren eines Satelliten-Internet aus dem erdnahen Orbit sind zu viel groß. Gleichzeitig ist der Nutzen für die Menschheit fraglich.

Gefahr für die Astronomie

Die Gefahr für den Sternenhimmel ist noch nicht gebannt, weil es keine Standards gibt, wie dunkel die neuen Satelliten sein sollen. Mit bloßem Auge können wir Menschen bis zu 5.000 Sterne sehen. Das Unternehmen Starlink von Musk will alleine 42.000 Satelliten in den nahen Erdorbit schießen, zusammen mit anderen Projekten von beispielsweise Amazon sollen es in den nächsten Jahren zusammen  55.000 sein. Die Zahl 100.000 steht im Raum. Bis zum Jahr 2027 will alleine Musk 12.000 im Himmel haben.

Starlink-Satelliten in Langzeitaufnahme
Starlink-Satelliten in Langzeitaufnahme. - CC-BY-SA 2.0 jabberwock

Auf Musks Satellitenzüge gab es weltweit einen Aufschrei, nicht nur von Astronom:innen. Starlink reagierte und versucht seitdem, die Satelliten dunkler zu machen. Mittlerweile tragen die Satelliten kleine Schirmchen, damit sie nicht so hell leuchten. Dennoch wird die Astronomie in Zukunft tausende sich bewegende Satelliten gleichzeitig am Nachthimmel beobachten müssen.

Schon die heute im Orbit kreisenden etwa 1.700 Satelliten von Starlink haben den Nachthimmel aufgehellt. Auch wenn die neue Generation der Starlink-Satelliten dunkler ist: Die Arbeit der Astronom:innen ist gefährdet, sie müssen die menschengemachten Ereignisse aus ihrer Forschung teuer rausrechnen. Der Weltverband der Astronomen hat eine Studie verfasst und die Vereinten Nationen um Hilfe gebeten, den Sternenhimmel zu retten. Doch die Mühlen der UN mahlen viel zu langsam, bis dahin haben Unternehmen und Staaten Fakten am Himmel geschaffen.

Weltraumschrott in nahen Orbit

Ein weiteres Problem ist der Weltraumschrott, der sich bei dieser immensen Anzahl von Satelliten kaum vermeiden lassen wird. Das Kessler-Syndrom, bei dem Schrott mit Schrott kollidiert und so kaskadierend immer mehr kleine Schrottteile die Erde umkreisen, könnte den Zugang zum Weltall und auch die Kommunikation über Satelliten überhaupt erschweren.

Hier gegen wehren sich auch Konkurrenten von Starlink, die dem Projekt nicht nur aus wirtschaftlichen Gründen kritisch gegenüber stehen. Sie verweisen darauf, dass auch geostationäre Satelliten im weiteren Orbit bereits heute entfernte Gemeinden auf der Erde mit Internet versorgen können. Dabei müssen zwar längere Laufzeiten in Kauf genommen werden – aber es funktioniert.

Bislang hat die amerikanische Regulierungsbehörde Federal Communications Commission (FCC) erlaubt, tausende erdnahe Satelliten ins All zu schießen. An dieser Praxis gibt es nun Kritik: eine juristische Studie geht davon aus, dass nach US-Umweltrecht die Nationale Umweltbehörde solche „Megakonstellationen“ wie Starlink genehmigen müsse. Denn bei Aktivitäten der NASA hat die Umweltbehörde mitzureden, bei privaten Firmen aber nicht. Als das Gesetz gemacht wurde, dachte noch niemand an Multimilliardäre, die private Raumfahrtunternehmen betreiben. Eine erste Klage gegen die FCC ist jetzt anhängig. Ihr Ausgang ist ungewiss.

Neue internationale Regeln nötig

Damit wir den Himmel, der niemand und allen gehört, nicht an die Konzerne von Milliardären und an Staaten mit Geltungssucht verlieren, braucht es neue internationale Regeln. Der sogenannte Weltraumvertrag ist ähnlich angestaubt wie das US-Recht, Vergabegremien wie die International Telecommunication Union (ITU) sind den neuen Gegebenheiten nicht gewachsen: Länder wie Norwegen, Liechtenstein oder Frankreich übernehmen gerne die Registrierung von Satelliten-Flotten, sollte ein anderes Land abspringen.

Bislang sendet die deutsche Politik das falsche Signal: Anstatt Sternenhimmel, Wissenschaft und den Zugang zum Weltall zu schützen, fördert sie den Zugang zum Satelliteninternet, um die Löcher in der deutschen Breitbandlandschaft zu stopfen. 

Neue Regeln müssen klar definieren, welche Art von Satelliten erlaubt sind. Sie müssen ausschließen, dass wir uns einen undurchdringbaren Ring aus Müll im nahen Erdorbit schaffen. Wir brauchen Regeln, welche die Wissenschaft und den Zugang zum Weltall schützen.

Und wir brauchen Klarheit, damit wir die Schönheit des Sternenhimmels auch noch unseren Kindern zeigen können.


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