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Digitale-Dienste-Gesetz: Deutschland will Verbot personalisierter Werbung bei Minderjährigen

Kinder und Handys

Hinter verschlossenen Türen im Rat der EU-Staaten hat sich die deutsche Bundesregierung für ein Verbot von personalisierter Online-Werbung für Minderjährige ausgesprochen. Das geht aus einem Dokument hervor, dass das französische Medium Contexte geleakt bekommen hat und das netzpolitik.org im Volltext veröffentlicht. Bisherige Vorschläge der Kommission für mehr Transparenz bei Online-Werbung im Digitale-Dienste-Gesetz gingen Deutschland demnach nicht weit genug.

Die EU-Kommission hat im Dezember ihren Entwurf für ein großes Plattformgesetz vorgelegt, dass die digitale Welt neu ordnen und die Macht von großen Konzernen wie Google, Facebook und Apple einschränken soll. Darin schlägt sie vor, dass Nutzer:innen künftig erfahren müssen, warum ihnen online eine bestimmte Werbung angezeigt wird und wer dahinter steht. Im EU-Parlament wurden inzwischen Stimmen laut, die systematische Datenschutzverletzungen und Diskriminierung durch personalisierte Werbung beklagen und sie gänzlich verbieten wollen.

Diese Argumente scheint die deutsche Bundesregierung aufzugreifen. Aus den Geschäftspraktiken einiger Firmen entstünden „erhebliche Fragen“, etwa was das umfassende Tracking und Profilbildung von Nutzer:innen betreffe, heißt es in dem geleakten 391-Seiten-Dokument. Statt personalisierter Werbung könnten Plattformen auch mit kontextbasierter Werbung Geld verdienen oder auf neue technologische Lösungen setzen.

„Transparenz reicht bei personalisierter Werbung nicht aus“

Minderjährige wüssten oft noch weniger über die Existenz personalisierter Werbung und die dahinterstehenden Geschäftsmodelle Bescheid als andere Nutzer:innen, schreibt die deutsche Regierung in dem EU-Ratsdokument. Wegen dieser Unsicherheiten soll personalisierte Werbung insbesondere für unter 18-Jährige verboten werden. „Wegen der Unerfahrenheit von Kindern und Jugendlichen in Geschäftsbedingungen reichen Transparenzvorschriften bei personalisierter Werbung nicht aus.“ Dies solle aber nicht zu zusätzlichen Verpflichtungen zur Identifizierung für alle Nutzer:innen führen.

Besonderen Schutz möchte die deutsche Bundesregierung Kindern und Heranwachsenden auch gegenüber Empfehlungsalgorithmen einräumen. Die Empfehlungen vor allem von sehr großen Plattformen wie Youtube hätten das Potential, Gruppen von Nutzer:innen und Märkte „zu steuern und zu manipulieren“. Fehlende Transparenz könne dazu führen, dass Diskriminierung nicht sichtbar sei.

Kritik gab es etwa immer wieder an TikTok. Die bei Jugendlichen beliebte Video-App sorgt mit diskriminierenden Moderationspraktiken und mangelhafter Durchsetzung seiner Alterbeschränkung für Beunruhigung, in mehreren EU-Ländern laufen Untersuchungen zum Datenschutz. Wegen seiner aggressiver Werbetechniken gegenüber Kindern hat die EU-Kommission TikTok zur Prüfung seiner Geschäftspraktiken aufgefordert.

Deutschland schlägt nun vor, dass Plattformen ihre Empfehlungssysteme nicht per Default aktivieren dürfen. Diese dürften nur mit Einwilligung der Nutzer:innen aktiviert werden, nachdem diese ausreichend über deren Funktionsweise informiert wurden. Bei Kindern und Jugendlichen dürften Empfehlungssysteme auf Basis persönlicher Profile gar nicht zum Einsatz kommen, heißt es in dem deutschen Textvorschlag.

Bundesregierung will mehr Auflagen

Das Digitale-Dienste-Gesetz soll neue Regeln bei der Inhalte-Moderation schaffen. Der Kommissionsvorschlag für das Gesetz fordert von Plattformen mehr Transparenz darüber, wie sie Entscheidungen etwa über das Löschen und Sperren von Inhalten und Konten treffen. Welche Regeln für Nutzer:innen gelten, bleibt den Plattformen aber demnach weiterhin weitgehend selbst überlassen.

Laut dem geleakten Dokument schlägt die Bundesregierung jedoch vor, den Spielraum von sehr großen Plattformen bei der Inhalte-Moderation einzuschränken. Diese sollten konkrete Auflagen erhalten, was sie löschen und sperren dürfen. Es müsse damit sichergestellt werden, dass eine Entscheidung über den Inhalt eines Anbieters redaktioneller Inhalte nicht zu einer „ungerechtfertigten Löschung“ führe und damit die Pressefreiheit oder die Meinungsfreiheit verletze.

Langwierige Verhandlungen

Das Gesetzespaket für digitale Dienste und digitale Märkte ist eines der Schlüsselprojekte der EU-Kommission von Ursula von der Leyen. Dem Gesetzespaket, dass in viele Aspekte des digitalen Lebens hineinreichen soll, dürften allerdings langwierige Verhandlungen bevorstehen. Bereits in den vergangenen Wochen drangen Anzeichen für intensives Lobbying aus der Verlagsbranche und Digitalwirtschaft nach außen.

Die nun geleakte deutsche Position ist Teil der Verhandlungen der 27 Mitgliedsstaaten im Rat, die bis Ende des Jahres abgeschlossen sein sollen. Gleichzeitig ringt auch das EU-Parlament um eine gemeinsame Position. Dem federführenden Binnenmarktausschuss soll in den kommenden Tagen ein Textentwurf der Berichterstatterin Christel Schaldemose für das Digitale-Dienste-Gesetz vorgelegt werden.

Dem Entwurf dürfte ein wochenlanges Tauziehen um Gesetzeszusätze der verschiedenen Fraktionen folgen. Mit einem Abschluss der Verhandlungen über das Gesetzespaket wird in Brüssel frühestens im Jahr 2022 gerechnet.


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