Zehntausend Euro. Ob wir sie bekommen oder nicht, stand in den Sternen. Anfang März erreicht uns das Schreiben einer Staatsanwaltschaft. Es ist geplant, uns im Rahmen eines „Straf-/Bußgeldverfahrens die Zahlung einer Auflage/eines Bußgeldes durch den Delinquenten zuzuweisen“.
Der Weg des Geldes
Der verantwortliche Staatsanwalt weist uns darauf hin, dass diese 10.000 Euro nicht als Spende steuerlich geltend gemacht werden können und fragt uns, ob wir in der Lage sind, den Geldeingang bei uns zu überprüfen. Offensichtlich liest der Staatsanwalt diese Transparenzberichte nicht. Es ist nicht das erste Mal, dass wir Geld aus Gerichtsverfahren zugeteilt bekommen und dies ordentlich abwickeln.
Geldauflagen sind in der Strafprozessordnung und im Strafgesetzbuch geregelt. Eine Geldauflage kann demnach angeordnet werden, um von der Verfolgung abzusehen oder als Auflage im Rahmen einer Verurteilung.
Der Absatz im Strafgesetzbuch dazu ist interessant. Demnach kann das „Gericht dem Verurteilten auferlegen, […] einen Geldbetrag zugunsten einer gemeinnützigen Einrichtung zu zahlen, wenn dies im Hinblick auf die Tat und die Persönlichkeit des Täters angebracht ist“. Alternativ kann das Geld auch an die Staatskasse gehen. Welche Tat muss ein Mensch also begangen haben, wenn eine Geldauflage zugunsten einer gemeinnützigen Einrichtung ausgesprochen wird? Wie muss seine Persönlichkeit aussehen?
Ich habe keine Ahnung, wie das in der Praxis abläuft. Aber bin neugierig und will mehr darüber wissen. Ich weiß nur, dass es Listen mit gemeinnützigen Organisationen gibt, die sich darum bemühen, bei Geldauflagen bedacht zu werden. Es gibt sogar das Wort „Geldauflagenmarketing“ und einen entsprechenden Online-Enzyklopädie-Artikel. Laut der Bank für Sozialwirtschaft geht es jährlich um hohe zweistellige Millionenbeträge. Um etwas davon zu ergattern, hilft es, auf diesen Listen zu stehen. Wir zählen nicht dazu.
Ambivalente Gefühle
Die Freude über die Aussicht auf 10.000 Euro ist groß. Es ist aber eine andere Freude als bei Spendengeldern, denn diese Menschen überweisen uns kein Geld, weil sie unsere Arbeit toll finden, sondern weil das Rechtssystem eine Sanktion für sie vorgesehen hat. Und diese Sanktion ist eine Zahlung an uns. Der Staatsanwalt weist darauf hin, dass der Betroffene das Geld nicht zahlen muss. Dann geht sein Verfahren weiter. Auch das kann passieren.
Den Zettel von der Staatsanwaltschaft ordentlich abgeheftet, gingen Wochen ins Land. Mitte April waren die 10.000 Euro dann auf unserem Konto. Ich konnte die Staatsanwaltschaft mit einem offiziellen Fax über die Zahlung unterrichten. Fall abgeschlossen.
Was am Ende bleibt, ist jedoch die Frage, inwiefern wir uns um Geldauflagen aktiv bemühen sollten. Es fühlt sich nicht richtig an, mit Kinderhospizen um diese zu konkurrieren. Einem Yachtclub vorgezogen zu werden, fühlt sich schon besser an. So groß ist die Spannweite von Vereinen auf diesen Listen. Das Erhalten von Geldauflagen ist ein Teil von Fundraising – über ebendiese Listen, Briefe, persönliche Kontakte und nicht zuletzt über Agenturen für Geldauflagenmarketing. Gehört also zu jeder Professionalisierung von gemeinnützigen Vereinen dazu, könnte man meinen.
Aber irgendetwas stört mich daran. Es ist toll, dass Gemeinnützigkeit über diese Säule gestärkt wird, aber es ist auch eine Einflussnahme von Einzelpersonen der Exekutive auf die Verteilung von Geld und damit Möglichkeiten für die eine oder die andere Organisation. Wie wird am Ende entschieden? Der erste Name auf einer dieser Listen, der bunteste Beitrag im Geldauflagen-Jahrbuch, persönliche Sympathie gegenüber einer Organisation oder per Würfel? Am Ende lässt mich der Gedanke nicht los, dass diejenigen die Nase vorn haben könnten, die sowieso schon gut aufgestellt sind.
Die harten Zahlen
Der April 2020 war der erste richtige Pandemiemonat. Im April wurde langsam klar, dass das nicht so schnell vorbeigeht. Umso glücklicher waren wir, dass die Spenden sogar gestiegen sind. Eine leichte Steigerung zum Vorjahresapril um 7 Prozent können wir auch in diesem Jahr feststellen und kommen so auf 50.779 Euro.
Der Vorjahresapril war mit über 47.000 Euro ein sehr guter Monat – insofern ist die geringe Steigerung kein Grund zum Verzagen. Die Geldauflage macht sich in diesem Monat aber besonders gut, da einige höhere Ausgaben anfielen. Darunter fällt die jährliche Zahlung für die gesetzliche Unfallversicherung in Höhe von 2.008 Euro sowie Portokosten für die Spendenbescheinigungen in Höhe von 1.928 Euro. Die Ausgaben bei den Fremdarbeiten teilen sich auf in steuerrechtliche Beratung in Höhe von 1.785 Euro, 1.228 Euro für Finanzbuchhaltung sowie 2.733 Euro für unsere freien Journalistinnen. Dieses neue Modell, das wir schon im Transparenzbericht für den Februar vorstellten, etabliert sich und bereichert unsere Berichterstattung. Auch unseren Podcasts können wir so viel mehr Zuwendung schenken.
Am Ende standen Ausgaben in Höhe von 70.756 Euro Einnahmen in Höhe von 61.610 Euro gegenüber. Mit 22 Prozent vom Jahresspendenziel sind wir grob auf dem gleichen Stand wie letztes Jahr im März. Wir hängen also ein bisschen hinterher, aber 2020 wurde das Spendenziel auch weit übertroffen.
Es bleibt spannend, ob wir in diesem Jahr das Spendenziel erreichen. Denn wir wollen Menschen einstellen – nicht, weil wir nicht genug kriegen, sondern weil zu viel Arbeit auf zu wenigen Schultern liegt und gemeinnützige Organisationen mindestens in einer Sache vorbildlich sein sollten – ihre Leute nicht zu verheizen. Und wir wissen sehr genau, wem wir zu verdanken haben, dass wir so denken können: Euch allen, die ihr uns jeden Monat lest, teilt, unterstützt. Vielen Dank dafür!
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Unseren Transparenzbericht aus dem März findet ihr hier.
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