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De-Platforming von Trump: Facebooks Oversight Board löst das Problem der sozialen Medien nicht

Die Sperre des Facebook-Accounts des ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump war grundsätzlich gerechtfertigt, hat heute das sogenannte Oversight Board des Unternehmens bekannt gegeben. Allerdings habe Facebook seine eigenen Regeln nicht konsistent angewandt und müsse seine Entscheidung innerhalb des nächsten halben Jahres nochmals prüfen.

Der damalige US-Präsident war Anfang Januar zunächst von Twitter und später von anderen sozialen Netzwerken geflogen, darunter Facebook. Während und nach der blutigen Stürmung des US-Kapitols durch seine Anhänger:innen hatte Trump in sozialen Medien Öl ins Feuer gegossen, anstatt die Lage zu beruhigen.

Zwar hatte Trump sein digitales Megaphon bereits zuvor jahrelang dazu genutzt, um mit Gewaltaufrufen und Lügen die tägliche Debatte zu formen. Für diese Verstöße gegen die Geschäftsbedingungen der privaten Online-Dienste wären normale Nutzer:innen längst gesperrt worden. Beim Präsidenten Trump brachte aber erst die Anfeuerung eines Putschversuches das Fass zum Überlaufen.

Hin und her von Facebook

Das für seine Nähe zu Rechtskonservativen bekannte Facebook ging erst vergleichsweise zaghaft gegen die Inhalte vor, die Trump während und im Nachgang der Kapitol-Stürmung gepostet hatte. Zunächst entfernte das Unternehmen Videos auf Facebook und Instagram, später folgende Vergehen führten schließlich zur „unendlichen“ Sperre der Accounts. In Hinblick auf die demokratiepolitischen Implikationen entschloss sich Facebook, den Fall an das Oversight Board weiterzugeben.

„Angesichts der Schwere der Verstöße und des anhaltenden Risikos der Gewalt war es gerechtfertigt, die Accounts von Trump am 6. Januar zu suspendieren und die Suspendierung am 7. Januar zu verlängern“, schreibt nun das Gremium in seiner Begründung. Allerdings sei es nicht angebracht gewesen, eine „‚unendliche‘ Suspendierung“ auszusprechen.

Diese Form der Bestrafung ist in den Gemeinschaftsregeln nicht vorgesehen. Es sei die Aufgabe von Facebook, so das Gremium, notwendige und verhältnismäßige Strafen zu schaffen und diese dann konsequent anzuwenden. Mit der Anwendung einer „vagen“ Strafe und der Überweisung an das Oversight Board entziehe sich Facebook seiner Verantwortung.

Deshalb geht der Fall nun wieder zurück an das Moderationsteam des Unternehmens. Die „willkürliche“ Strafe müsse überdacht und der Fall anhand der geltenden Regeln bewertet werden. Dies könnte dazu führen, dass Trump seine Accounts zurückerhält oder sie dauerhaft verliert – aber eben nicht mehr auf unbestimmte Zeit suspendiert bleibt.

Oversight Board nur Feigenblatt

Das von Journalist:innen, Jurist:innen und Bürgerrechtsexpert:innen besetzte Facebook Oversight Board steht seit seiner Einrichtung in der Kritik. Mit diesem Gremium will Facebook das von der Politik hinterlassene Vakuum auffüllen und berechtigten Vorwürfen aus dem Weg gehen, willkürlich und intransparent über die Meinungsfreiheit auf seinen Diensten zu entscheiden.

Das grundsätzliche Dilemma, nicht demokratisch legitimiert zu sein, löst das formell von Facebook unabhängige Gremium jedoch nicht. Es handle sich nicht um ein „Gericht“, schrieb etwa die Juristin Zephyr Teachout schon vor der Verkündung auf Twitter, vielmehr sei es ein „Unternehmensbeirat“. Facebook könne das Oversight Board und seine Entscheidungen verpacken wie es wolle, unkte der prominente Wirtschaftskolumnist Binyamin Appelbaum, letztlich verkünde aber nur ein Unternehmen eine Geschäftsentscheidung.

Auch der ehemalige UN-Sonderberichterstatter für die Meinungsfreiheit, David Kaye, kritisierte den Ansatz Facebooks in der Vergangenheit. Aber was auch immer man vom Oversight Board halte, kommentierte Kaye das aktuelle Urteil, es helfe Facebook dabei, sich von Entscheidungen „ohne Standards“ wegzubewegen, die nur auf den Gemeinschaftsregeln statt auf Menschenrechten fußen würden.

Doch selbst das greift zu kurz, echte demokratische Regeln ersetzt dies nicht. Freilich liegt die Schuld daran nicht bei Facebook allein. Das Unternehmen ist, ähnlich wie Twitter oder Youtube, im vergangenen Jahrzehnt rasant gewachsen. Rund 2,7 Milliarden Menschen nutzen den Dienst täglich, es ist zu einer Art digitalem Forum geworden, auf dem demokratiepolitisch relevante Debatten geführt werden. Dazu kommen noch Instagram und WhatsApp, die gemeinsam ein mächtiges Ökosystem bilden.

Widersprüchliche Rechtslage

Bislang hat die Politik – und die Rechtsprechung – noch keine endgültige Antwort auf die Frage gefunden, wie sich das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung mit sogenannten Gemeinschaftsstandards privater Online-Dienste vereinbaren lässt. Was Facebook oder ein anderer marktbeherrschender Anbieter etwa als gefährliche Hassrede einstuft und deshalb auf eigene Faust löscht, muss nicht notwendigerweise unumstritten sein.

Alleine in Deutschland liegt inzwischen eine kaum überschaubare Anzahl widersprüchlicher Gerichtsentscheidungen vor. Selbst das Bundesverfassungsgericht hat in seinem umstrittenen Beschluss, den gesperrten Facebook-Account einer rechtsextremen Kleinstpartei wiederherzustellen, eingeräumt, dass die verfassungsrechtlichen Rechtsbeziehungen noch ungeklärt seien.

Politik zieht sich aus der Affäre

Darauf verweisend überlässt auch die Bundesregierung in der aktuellen Novelle des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes die Klärung dieser Rechtsfragen weiterhin der Rechtsprechung. Ausdrücklich will sie sich in der Gesetzesbegründung nicht darauf festlegen, „inwieweit vertragliche Vereinbarungen, durch die die Verbreitung bestimmter Inhalte beschränkt werden soll, überhaupt zulässig sind und wie die Interessen insbesondere der Anbieter, der Inhalteverfasser und der sonstigen Nutzerinnen und Nutzer hierbei in welcher Weise zu gewichten sind.“

Dieses Problem löst im Übrigen auch der Digital Services Act der EU-Kommission nicht, auf dem derzeit viele Augen liegen. Zwar bringt der Gesetzentwurf in seiner derzeitigen Form viele Verbesserungen für Nutzer:innen, darunter verbesserte Beschwerdewege und von den Online-Diensten unabhängige Schlichtungsstellen. Um unabhängige Richter:innen, die letztlich über die Meinungsfreiheit im Internet entscheiden sollten, wie oft gefordert wird, handelt es sich allerdings nicht.

Zugleich ist der Prozess noch lange nicht abgeschlossen, derzeit arbeiten die EU-Länder sowie das EU-Parlament an ihren eigenen Positionen und Vorschlägen. Ein Gegenmodell liegt freilich schon vor: In einem alternativen Modellgesetz der europäischen Grünen sollen tatsächlich Richter:innen das letzte Wort haben bei der Frage, wer digital am Diskurs teilnehmen darf und wer nicht.


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