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Sierra Leone: Menschenrechtler:innen sehen Meinungsfreiheit durch Cybercrime-Gesetz bedroht

Die Regierung von Sierra Leone plant ein neues Gesetz gegen Cyberkriminalität, das die Sicherheit von digitalen Plattformen erhöhen soll. Doch der Vorstoß der Regierung zog einen Aufschrei der Zivilgesellschaft nach sich: Sierra Leones Bürger:innen befürchten die Einschränkung der Meinungsfreiheit im Land. Über Jahre erkämpfte demokratische Errungenschaften könnten durch die Verabschiedung des Gesetzes unterwandert werden.

Der Cybercrime Act 2020 sieht eine signifikante Stärkung der Befugnisse von Polizei- und Justizbehörden vor. Das Gesetz ermöglicht unter anderem die Speicherung und Analyse sensibler Daten von datenschutzrechtlich besonders schützenswerten Gruppen wie Journalist:innen, Richter:innen, Ärzt:innen oder Mitgliedern der Oppositionsparteien.

In einer Serie von Tweets erläuterte der Rechtsanwalt und Menschenrechtler Ady Macauly, dass die Polizei in Zukunft ohne Wissen von Smartphone-Nutzer:innen Sprachanrufe und Nachrichten in Echtzeit aufzeichnen und an den Staat weitergeben darf. Nach Aussage des Antikorruptionsexperten wird die Regierung das Gesetz ausnutzen, um politischen Dissens zu unterdrücken und Oppositionelle zu verfolgen.

In Gefahr ist laut der Media Foundation for West Africa auch die Gewaltenteilung des Landes. Durch eine Machtverschiebung zugunsten des sierra-leonischen Informations- und Kommunikationsministeriums, das die federführende Rolle des Cybercrime Act 2020 einnimmt, und die Schwächung von Kontrollinstanzen, entstehe laut der NGO enormes Missbrauchspotential.

Gewaltaufrufe in sozialen Medien

Offiziell will die Regierung des westafrikanischen Landes mit dem Gesetz vor allem gegen Hassrede und Falschinformationen vorgehen. Die voranschreitende Digitalisierung Sierra Leones ermöglicht plattformübergreifende Debatten über gesellschaftliche und politische Themen. Es fehlt jedoch an gesetzlicher Regulierung dieser neuen digitalen Freiräume, was zur ungefilterten Verbreitung von Hassrede und Desinformationen führt.

Nach Gewaltaufrufen eines Exilanten, der von den Niederlanden aus über den Messenger-Dienst Whatsapp politische Geschehnisse in Sierra Leone kommentiert und dessen Sprachnachrichten tausende Menschen erreichen, kam es in Teilen des Landes zu Ausschreitungen, die mehrere Menschenleben forderten.

Dabei handelt sich nicht um einen Einzelfall: In der Vergangenheit standen sowohl Unterstützer:innen der Regierungspartei, als auch der Opposition wegen digitalen Mordaufrufen und gezielter Anstiftung von Gewalttaten bis hin zur Androhung eines neuen Bürger:innenkrieges in der Kritik.

Fragile Demokratie

Sierra Leone blickt auf eine konfliktreiche Geschichte zurück. Die Folgen aus über 150 Jahren englischer Kolonialisierung sind immer noch deutlich spürbar. Nach der Beilegung des Bürgerkrieges im Jahr 2002 hat sich das Land weitgehend stabilisiert. Die noch junge Demokratie des Landes bleibt dennoch fragil und die hohe Arbeitslosigkeit im Land sowie der erschwerte Zugang zu Bildung und Ressourcen bergen politisches Spannungspotential.

Hassrede und Desinformation im Internet sind unterdessen ein gesellschaftliches Problem, mit dem Länder auf der ganzen Welt konfrontiert sind. Nicht wenige Stimmen argumentieren, dass unregulierte soziale Netzwerke eine Gefahr für die Demokratie darstellen. Hierbei die Werte Sicherheit und Meinungsfreiheit in ein ausgewogenes Verhältnis zu bringen, ist eine schwierige Aufgabe.

Leider nutzen herrschende Parteien den Wunsch nach Sicherheit immer wieder als Vorwand, um ihre Machtstellung auszubauen und die Rechte der Zivilbevölkerung zu untergraben. Mit diesem Vorwurf muss sich im Rahmen des geplanten Cybercrime Act 2020 auch die Regierung von Sierra Leone auseinandersetzen.


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