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Digitale Kontaktverfolgung: Fast 20 Millionen Euro für Luca

Die Betreiber von Luca erhalten knapp 20 Millionen Euro von den Bundesländern, in denen die App landesweit eingesetzt werden soll. Das geht aus Antworten hervor, die netzpolitik.org von den zuständigen Staatskanzleien und Ministerien erhalten hat. So zahlt etwa Bayern 5,5 Millionen Euro für eine Jahreslizenz, in Hessen sind es mehr als zwei Millionen, in Sachsen-Anhalt rund eine Million. Angaben aus Rheinland-Pfalz und dem Saarland stehen noch aus.

Luca soll die Papierlisten ersetzen, mit denen Veranstalter und Gastronomie bisher Daten für die Kontaktverfolgung der Gesundheitsämter sammeln. Als erstes hatte Mecklenburg-Vorpommern Anfang März angekündigt, die App landesweit einzusetzen und eine Jahreslizenz für 440.000 Euro erworben. Kurz darauf unterschrieb das Land Berlin einen Vertrag über eine Million Euro. Ende März folgten zehn weitere Bundesländer, für die der IT-Dienstleister Dataport die Verhandlungen mit Luca geführt hat.

Vergangene Woche gab Bayern seine Entscheidung für Luca bekannt und zahlt mit 5,5 Millionen den höchsten Preis für die Jahreslizenz. Es handelt sich um das bislang einzige Bundesland, das die Vergabe der App überhaupt ausgeschrieben hat. Die anderen Länder verweisen darauf, dass die Vergabeverordnung Ausnahmen zulassen, wenn eine besondere Dringlichkeit vorliege oder ohnehin nur ein Anbieter in der Lage sei, den Auftrag zu erfüllen.

So schreibt etwa Mecklenburg-Vorpommern: „Bei der Beschaffung eines Systems zur Kontaktnachverfolgung ging es uns um eine möglichst schnelle Lösung, die aber insbesondere unsere hohen Anforderungen an den Datenschutz erfüllen musste.  Eine sehr zeitaufwändige Ausschreibung, die in der Regel mehrere Monate dauert, kam für uns in diesem Fall ausnahmsweise nicht in Frage.“ Die Vergabe sei dort auf „Grundlage einer Marktrecherche“ erfolgt. Laut Zeit Online hat das zuständige Ministeriums für Energie, Infrastruktur und Digitalisierung dafür lediglich Textblöcke aus dem Internet zusammenkopiert.

Woher kommen die Preisunterschiede?

Luca-Kosten für die einzelnen Bundesländer:
Mecklenburg-Vorpommern: 440.000 €
Berlin: 1.200.000 €
Brandenburg 990.000 €
Niedersachsen: 3.000.000 €
Hessen: über 2.000.000 €
Rheinland-Pfalz: ?€
Bremen: rund 260.000 €
Baden-Württemberg: 3.700.000 €
Schleswig-Holstein: rund 1.000.000 €
Saarland: ?€
Bayern: 5.500.000 €
Sachsen-Anhalt: rund 1.000.000 €
Hamburg: 615.000 € - Alle Rechte vorbehalten Luca / NeXenio

Wie kommt es zu den teils sehr unterschiedlichen Preisen, die die einzelnen Länder für die Nutzung von Luca zahlen? Heruntergebrochen auf die Einwohnerzahl schwanken diese zwischen rund 40 Cent pro Einwohner in Bayern und etwa 20 Cent in Mecklenburg-Vorpommern. Laut Patrick Hennig, Geschäftsführer der Firma neXenio, die Luca entwickelt, werden die Preise nicht allein auf Basis der Einwohnerzahl errechnet. Rund ein Drittel der Kosten sei für die SMS, die Luca an Nutzer:innen verschickt, um ihre Telefonnummern zu verifizieren. Da unklar ist, wie viele dieser Nachrichten tatsächlich anfallen werden, würden diese Kosten pauschal nach Einwohnerzahl abgerechnet.

Ein weiterer Teil sei für die Unterstützung und Infrastruktur der Gesundheitsämter, die Luca ebenfalls nutzen, um die Daten abzurufen und berechne sich aus der Zahl der Ämter pro Bundesland. Der Rest des Preises sei für die eigentlichen Softwarelizenzen des Systemkomponenten von Luca und deren Wartung. Dies sei „für das Bundesland abhängig von der Infrastruktur und wird aufgrund der Einwohnerzahl/Erfahrungswerten/erwartete Nutzung, etc. berechnet“, schreibt Hennig.

Die Kosten für Luca in den bislang 13 Bundesländern, die die App verwenden wollen, soll nach Angaben der rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer der Bund übernehmen. Die Bundesregierung zahlte im Vorjahr 68 Millionen Euro für Entwicklung, Wartung und Betrieb der Corona-Warn-App, die ebenfalls eine Check-in-Funktion erhält.

Was ist Luca?

Die Luca-App soll ein Problem lösen, das die deutsche Politik geschaffen hat. Die Corona-Verordnungen der Bundesländer erlegen Lokalen und Veranstaltungsorten die Verpflichtung auf, Kontaktdaten ihrer Gäste für die Kontaktnachverfolgung zu sammeln. Bislang lief das an vielen Orten mit Stift und Papier, was für hunderte Beschwerde bei den Datenschutzbehörden sorgte.

In der Smartphone-App können sich Nutzer:innen mit ihrem Namen und ihren Kontaktdaten anmelden. Anschließend können sie per QR-Code überall dort eintreten, wo sie sonst ihre Daten hätten hinterlassen müssen. Die Daten werden verschlüsselt zentral auf Servern der App gespeichert. Wird eine Person später positiv auf Covid-19 getestet, kann sie dem Gesundheitsamt eine Liste aller Orte freigeben, die sie in den vergangenen 14 Tagen aufgesucht hat. Wer dann zum selben Zeitpunkt anwesend war, soll dann vom Gesundheitsamt kontaktiert werden. Luca funktioniert damit grundsätzlich anders als die Corona-Warn-App, die Daten dezentral auf den Geräten ihrer Nutzer:innen speichert.

Kritik an eiligen Verfahren

Von Anfang an gab es Kritik an der App. Ein Forschungsteam der Universität EPFL in Lausanne zeigte in einer Analyse auf, dass die zentrale Speicherung von Daten auf den Servern der Luca-Betreiber ein potentielles Sicherheitsrisiko darstelle. Auch könnten Nutzer:innen zu leicht de-anonymisiert werden. Wer das zentralisierte System nutze, müsse den Versprechen der Betreiber über Sicherheit und Anonymität vertrauen. Auch der Hamburger Datenschutzbeauftragte Johannes Caspar bemängelte, die Entwickler hätten noch nicht transparent genug gemacht, wie ihre Software eigentlich funktioniert.

Die Macher von Luca antworteten darauf mit einer Stellungnahme, die sie zunächst nur an die Presse schickten. Eine Datenschutzfolgeabschätzung gibt es für die App bislang nicht, sie soll nach Angaben von Geschäftsführer Henning noch folgen.

Auch wundern sich derzeit viele der Konkurrenten von Luca über die Geschwindigkeit der Vergabeverfahren und die fehlenden Ausschreibungen. In Mecklenburg-Vorpommern prüft nach der Beschwerde eines konkurrierenden Anbieters die Vergabekammer derzeit, ob die Richtlinien eingehalten wurden.

In Thüringen, wo Luca bereits in verschiedenen Modellregionen getestet wird und ebenfalls als einheitliche Lösung im Gespräch war, hat die Landesregierung dagegen umgesteuert und gab vergangene Woche bekannt, eine offene Schnittstelle zu den Gesundheitsämtern bereitstellen zu wollen. Mit dieser könnten auch andere Systeme zu Kontaktdatenerfassung an die Ämter andocken. „Finanzministerin Heike Taubert konnte die Landesregierung davon überzeugen, von den bisherigen Plänen zur Beschaffung einer einzigen App-Lösung zur Gäste-Registrierung Abstand zu nehmen“, schreibt das Ministerium in einer Pressemitteilung.

Taubert verweist in der Mitteilung auch auf die Angemessenheit des Preises: „Zumal im Gegenzug Lösungen angeboten werden, die zum einen wesentlich kostengünstiger und zum anderen für erheblich kürzere Zeiträume, beispielsweise monatlich, abgeschlossen werden können“.


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