Der Rechtsausschuss des EU-Parlaments will illegale Echtzeit-Übertragungen von Sportveranstaltungen mit Hilfe von Netzsperren stoppen. Nach Meinung einer Mehrheit der Abgeordneten sind Live-Streams als geistiges Eigentum besonderes schützenswert, da der Verkauf von Sendelizenzen im Profi-Sport eine essentielle Einnahmequelle darstelle.
Der verhältnismäßig kurze Übertragungszeitraum von Sport-Events erfordere schnelle und wirksame Sperr-Maßnahmen. Die Anbieter von Vermittlungsdiensten sollen in Zukunft illegale Live-Streams nach Benachrichtigung durch Rechteinhaber:innen oder durch sogenannten „trusted flaggers“, zu deutsch vertrauenswürdige Hinweisgeber:innen, „unverzüglich oder so schnell wie möglich und spätestens nach 30 Minuten“ unterbinden.
Für EU-Parlamentsmitglied Adrián Vázqez Lázara spielt dabei der Schutz der Zuschauer:innen eine Rolle – bei der Nutzung illegaler Streaming-Angebote steige angeblich das Risiko durch Viren oder Datendiebstahl.
Eine Studie des wissenschaftlichen Dienstes des EU-Parlaments kommt zum Ergebnis, dass im Jahr 2019 rund 7,5 Millionen Abonnements für illegale Live-Streams abgeschlossen wurden. Die Betreiber:innen der besagten Seiten generierten über halbe Milliarde Euro Umsatz – und dem Fiskus gingen etwa 113,5 Millionen Euro an Steuern verloren.
Bei dem Ruf nach rascher Sperrung illegaler Streams handelt es sich um eine politische Forderung der EU-Parlaments. Die EU-Kommission kann nun entscheiden, ob sie den Gesetzesvorschlag aus dem Parlament aufnimmt oder nicht. Ob sie darauf reagieren wird, beantwortete die Kommission auf Anfrage von netzpolitik.org zunächst nicht.
Riskanter Ruf nach Netzsperren
Der Rechtsausschuss des EU-Parlaments plädiert auf eine einheitliche, europaweite Regulierung im Rahmen eines Digital Services Act, um die Effizienz der Maßnahmen zu gewährleisten. Die nötige Schnelligkeit im Kampf gegen rechtswidrige Live-Streams erfordert rabiate Mittel – der Rechtsausschuss wirft den Einsatz von Netzsperren und dynamischer Verfügungen für Rechteinhaber:innen, die damit Sperren ohne gerichtliche Prüfung durchsetzen könnten, in den Ring.
Dabei sind Netzsperren politisch höchst umstritten, auch wenn die Unterhaltungsindustrie immer wieder erfolgreich für das Kontrollinstrument lobbyiert hat. Mit dem Instrument der Netzsperre blockieren Internet-Provider gesamte Webseiten – durch die direkte Sperrung der IP-Adresse oder Löschung von Einträgen aus den DNS-Servern. Allerdings lassen sich Netzsperren relativ leicht umgehen, zum Beispiel durch einen VPN-Zugang oder den Wechsel des DNS-Servers, weshalb IT-Expert:innen an der Wirksamkeit von Netzsperren zweifeln.
Auch wenn der Rechtsausschuss den Einsatz von Netzsperren im angemessenen Einklang mit Datenschutz und Grundrechten fordert, bleibt das Instrument aus grundrechtlicher Sicht fragwürdig. Nach Ansicht von Stimmen aus der Zivilgesellschaft stellen Netzsperren einen schwerwiegenden Eingriff in die Kommunikationsfreiheit des Internets dar. Die Netzaktivistin Julia Reda warnt vor Kollateralschäden für legale Kommunikation.
Kritik äußert auch der EU-Abgeordnete Patrick Breyer von der Piratenpartei. Der Textentwurf sei „eine Bedrohung für unsere digitalen Grundrechte und hätte genauso gut von Lobbyisten der Verwertungsindustrie diktiert worden sein können”, sagt Breyer.
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