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BND-Gesetz: Bundesnachrichtendienst erhält so viele Überwachungsbefugnisse wie noch nie

Abstimmung Plenarsaal Bundestag

Unvorstellbar große Datenmengen ausleiten und verarbeiten. Internet-Anbieter wie Google oder Facebook hacken. Milliarden Menschen überwachen, auch Inländer. All das war ein Skandal, als Edward Snowden vor acht Jahren die globale Überwachung westlicher Geheimdienste enthüllte. All das darf der deutsche Geheimdienst BND jetzt ganz legal.

Gestern Abend hat der Bundestag das neue BND-Gesetz beschlossen. Die Regierungsparteien CDU/CSU und SPD stimmten dafür, die gesamte Opposition stimmte dagegen. Heute hat der Bundesrat zugestimmt. Als nächstes unterzeichnet der Bundespräsident das Gesetz, dann tritt es in Kraft.

Gesetzgeber, Gerichte und Grundrechte

Die BND-Gesetze verstoßen regelmäßig gegen die Verfassung. Die Gesetzeslage vor Snowden war schon zu Beginn des Geheimdienst-Untersuchungsausschusses 2014 offensichtlich rechtswidrig. Als Konsequenz versuchte die Große Koalition, das illegale Treiben einfach zu legalisieren. Doch auch dieses BND-Gesetz von 2016 hat das Bundesverfassungsgericht gekippt.

Die Große Koalition probiert es einfach nochmal. Dabei sind in einem Rechtsstaat alle Staatsorgane an Verfassung und Grundrechte gebunden, auch Regierung und Gesetzgeber.

Massendaten, Hacken, Inländer

Das neue Gesetz, das vom Bundestag nur minimal verändert wurde, gibt dem BND erneut immense Überwachungs-Befugnisse.

Der BND darf jetzt riesige Datenmassen abhören, bis zu „30 Prozent der Übertragungskapazität aller global bestehenden Telekommunikationsnetze“. Diese Fantasiegrenze ist weit mehr, als der BND je erreichen kann. Klaus Landefeld, Betreiber des Internet-Knotens DE-CIX, sagt: „Das kann man sich auch schenken und überhaupt keine Grenze reinschreiben.“

Der BND darf jetzt Kommunikations-Anbieter hacken, „auch ohne deren Wissen“. Das betrifft sämtliche Dienste im Ausland, im Internet-Zeitalter also so ziemlich alles, inklusive Google, Apple, Facebook, Amazon und Microsoft. Damit legitimiert Deutschland, dass alle 192 anderen Staaten ebenfalls hacken.

Der BND darf jetzt auch Deutsche abhören. Das Gesetz schützt „nur individuelle Kommunikationen von natürlichen Personen“, alles andere wird als Kommunikation mit Maschinen definiert. Damit bekommt der Auslandsgeheimdienst umfassenden Zugriff auf Bestands-, Verkehrs- und Inhaltsdaten auch von Deutschen. Eine vermeintliche Anonymisierung durch Hash-Werte bezeichnet Landefeld als wirkungslos und „lächerlich“.

Das Fazit des neuen Gesetzes lautet erneut: Ausspähen unter Freunden wird legalisiert und ausgeweitet.

Affront gegen Bundesverfassungsgericht

Experten kritisieren die Regelungen mit deutlichen Worten. Im Innenausschuss warnten mehrere Sachverständige, das Gesetz dürfte wieder vor dem Bundesverfassungsgericht landen.

Der Linke Abgeordnete André Hahn äußerte bei der Bundestags-Debatte die prägnanteste Kritik:

Nachdem das 2016 beschlossene Gesetz zur Auslands-Fernmeldeaufklärung des Bundesnachrichtendienstes im Mai letzten Jahres beim Bundesverfassungsgericht krachend gescheitert ist, sind Bundesregierung und die Koalition aus Union und SPD wirklich so dreist, dem Bundestag heute einen Gesetzentwurf vorzulegen, der mit hoher Wahrscheinlichkeit erneut von den Karlsruher Richtern kassiert werden wird.

Das ist nicht nur politisch bescheuert – entschuldigen Sie den drastischen Ausdruck –, das ist auch ein durch nichts zu rechtfertigender Affront gegen das höchste Gericht dieses Landes.

Wieder zum Bundesverfassungsgericht

Nach der Abstimmung äußern diverse Nichtregierungsorganisation Kritik und kündigen rechtliche Schritte an.

Amnesty International: Neues BND-Gesetz ermöglicht anlasslose Massenüberwachung

Das neue BND-Gesetz wird menschenrechtlichen Anforderungen an den Schutz der Privatsphäre nicht gerecht und setzt auch die Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts nicht hinreichend um. Statt den Bundesnachrichtendienst mit einem grundlegenden Neuentwurf endlich auf soliden Boden zu stellen, schränkt das neue Gesetz die bestehenden Überwachungsbefugnisse kaum ein und erweitert sie an einigen Stellen sogar.

Reporter ohne Grenzen: Verpasste Chance für die Pressefreiheit

Das Gesetz wird dem Karlsruher Urteil nicht gerecht, geschweige denn dem menschenrechtlichen Anspruch eines angemessenen Ausgleichs zwischen Sicherheitsinteressen und dem Recht auf vertrauliche Kommunikation. Wir erwägen daher, erneut vor das Verfassungsgericht zu ziehen.

Gesellschaft für Freiheitsrechte gegenüber netzpolitik.org:

Die Novelle des BND-Gesetzes ignoriert wesentliche Kritikpunkte, die im vergangenen Jahr zu dem vernichtenden Urteil des Bundesverfassungsgerichts geführt haben. Wir prüfen das Gesetz nun noch einmal ganz genau, aber ich gehe davon aus, dass wir es erneut vor das Bundesverfassungsgericht bringen werden.

Damit gibt es in ein paar Jahren wahrscheinlich das nächste Urteil. Bis dahin hat der BND so viele Befugnisse und so viel Geld wie noch nie.


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