Bürgerrechtler:innen in den USA schlagen Alarm: US-Polizeien greifen bei Ermittlungen immer öfter auf Informationen aus Google-Suchdaten zurück. Dies untergrabe rechtsstaatliche Standards, denn betroffen sind auch Unbeteiligte.
Bürgerrechtsaktivist:innen in den USA laufen weiter Sturm gegen die Praxis von US-Behörden, bei Google liegende Suchdaten zur Aufklärung von Kriminalfällen zu nutzen. Dabei fragen die Behörden beispielsweise ab, welche:r Nutzer:in eine bestimmte Suchanfrage gestellt hat.
Derart breit gefasste Durchsuchungsbefehle seien „verfassungswidrige Schleppnetz-Suchen“, heißt es in einer Eingabe vor dem Höchstgericht im US-Bundesstaat Pennsylvania. Eingereicht hatten sie die US-Bürgerrechtsorganisation Electronic Frontier Foundation (EFF), gemeinsam mit den Nichtregierungsorganisationen National Association of Criminal Defense Lawyers (NACDL) und der Pennsylvania Association of Criminal Defense Lawyers (PACDL).
Aktueller Hintergrund ist ein Kriminalfall aus dem Jahr 2016. Laut der Nachrichtenagentur Bloomberg forderte die Polizei nach einer Vergewaltigung einer Frau aus Pennsylvania von Google Informationen über Nutzer:innen an, die in der Woche vor dem Übergriff den Namen oder die Adresse des Opfers in die Suchmaschine eingaben. Daraufhin soll Google die IP-Adresse eines Nutzers weitergegeben haben, der kurz vor der Tat zweimal nach der Adresse der Betroffenen suchte.
Tatsächlich führte diese Spur zum Verdächtigen, der schließlich verhaftet und verurteilt wurde. Inzwischen liegt der Fall „Commonwealth v. Kurtz“ indes vor dem Supreme Court des US-Bundesstaates.
Strafverfolgung bei Schwangerschaftsabbrüchen
Der kriminalistische Erfolg in einem Einzelfall wiegt aus Sicht der NGOs jedoch kaum die Gefahren des Verfahrens auf, das sich zunehmender Beliebtheit erfreut. Die Ermittlungstechnik, die als Durchsuchungsbefehl nach Schlüsselwörtern bekannt ist, sei gefährlich weitreichend und gefährde die Privatsphäre unschuldiger Menschen, erklärt die EFF in einem Blogbeitrag.
Kritiker:innen befürchten, dass die Behörden vermehrt auf Informationen aus Google-Suchanfragen zurückgreifen, um mögliche Verdächtige zu identifizieren oder bestehende Ermittlungen zu unterstützen. Der Direktor des NACDL Fourth Amendment Center Litigation, Michael Price, sagte in einer Stellungnahme an Bloomberg: „Durchsuchungsbefehle nach Schlüsselwörtern sind digitale Rasterfahndungen, die der Regierung die Erlaubnis geben, in unseren privatesten Informationen zu wühlen.“
Zwar seien bisher nur wenige Beispiele für Durchsuchungsbefehle nach Schlüsselwörtern bekannt, dennoch befürchten Datenschützer:innen, dass das Verfahren ähnliche Beliebtheit, wie die Übermittlung von Standortdaten (Geofence Warrants) gewinnen könnte. Durch die Auswertung von Standortdaten aus GPS-Informationen konnten Behörden auf sensible Daten von Nutzer:innen zugreifen. Dabei wurde auch die Verfolgung von Frauen ermöglicht, die in Staaten, in denen Schwangerschaftsabbrüche illegal sind, einen solchen Eingriff vornehmen ließen. Zuletzt hatte Google diese Praxis aus Datenschutzbedenken eingeschränkt.
In Reaktion auf diese Entwicklungen hoffen die Aktivist:innen, dass im nächsten Schritt die Verfassungsmäßigkeit von Durchsuchungsbefehlen für Schlüsselwörter geprüft werde. Dabei betonen sie die Notwendigkeit, klare Grenzen für den Einsatz von Suchdaten festzulegen. Denn diese zeichnen sich vorerst nicht ab: Erst im Oktober hatte der Supreme Court von Colorado entschieden, dass die Weitergabe solcher Daten zumindest innerhalb des Bundesstaates rechtens ist.
Die Arbeit von netzpolitik.org finanziert sich zu fast 100% aus den Spenden unserer Leser:innen.
Werde Teil dieser einzigartigen Community und unterstütze auch Du unseren gemeinwohlorientierten, werbe- und trackingfreien Journalismus jetzt mit einer Spende.
0 Commentaires