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Schufa: Der Score allein darf nicht entscheidend sein

Ein automatischer Score allein darf nicht darüber entscheiden, ob Verbraucher:innen einen Kredit bekommen oder Verträge abschließen dürfen. Das urteilte der Europäische Gerichtshof. Datenschützer freuen sich über das Urteil, doch auch die Auskunftei Schufa gibt sich zufrieden.

Schufa-Zettel mit Bonitätsauskunft, ein Kugelschreiber und Münzen
Der eigene Schufa-Score hat für viele eine große Bedeutung. – Alle Rechte vorbehalten IMAGO / Sven Simon

Egal ob beim Handyvertrag oder beim neuen Stromanbieter: Die Schufa spielt eine große Rolle. Sie weist Menschen einen Bonitätsscore zu. Nach eigenen Angaben hat die private Auskunftei Daten zu „68 Millionen natürlichen Personen und 6 Millionen Unternehmen“. Fällt der Score positiv aus, kann er Türen öffnen. Stellt er uns ein negatives Zeugnis aus, wird es schwieriger. Der Europäische Gerichtshof hat nun zwei wichtige Grundsatzfragen zur Schufa und Kreditauskunfteien im Allgemeinen geklärt.

In der ersten ging es um die automatische Bonitätsbeurteilung. Das „Scoring“ ist demnach nicht zulässig, wenn die Kund:innen der Schufa „wie beispielsweise Banken, ihm eine maßgebliche Rolle im Rahmen der Kreditgewährung beimessen“, urteilte der EuGH. Das bedeutet: Als ausschlaggebender oder sogar alleiniger Faktor darf der Score nicht genutzt werden. Bei der Frage, ob Verbraucher:innen einen Vertrag schließen können oder einen Kredit bekommen, müssen auch andere Umstände berücksichtigt werden. Kurzum: Eine wichtige Entscheidung für einen Menschen darf nicht allein eine Maschine treffen.

Marco Blocher von der Datenschutzorganisation NOYB begrüßt den Gerichtsbeschluss: „Bürgern einfach irgendwelche Kredit-Scores zu geben und dann automatisch Verträge zu verweigern, ist mit dem EuGH-Urteil in der gesamten EU nun Geschichte“, so Blocher.

Recht auf Neuanfang

Bei der zweiten Frage ging es um die Möglichkeit, frühere Negativfaktoren abzulegen: Private Register dürfen Daten zur Restschuldbefreiung nicht länger speichern als das öffentliche Insolvenzregister, so der EuGH.

Wenn also beispielsweise jemand Privatinsolvenz beantragen musste, darf das nicht übermäßig lang bei der Schufa nachvollziehbar sein. In Deutschland sind die Daten sechs Monate im Insolvenzregister, bei der Schufa flossen sie bis zu drei Jahre in die Bonitätsbeurteilung ein. Das ist nicht rechtmäßig: „Die erteilte Restschuldbefreiung soll nämlich der betroffenen Person ermöglichen, sich erneut am Wirtschaftsleben zu beteiligen, und hat daher für sie existenzielle Bedeutung“, schreibt der EuGH.

Neben Insolvenzen kann es jedoch auch andere sogenannte Negativdaten wie etwa zu unbezahlten Rechnungen geben. Auch auf die werde sich die Gerichtsentscheidung auswirken, sagt Blocher: „Das Urteil ist auch richtungsweisend für andere negative Informationen, die oft trotz minimalen Zahlungsverzug lange gespeichert werden.“

Der EuGH befasste sich mit der Schufa, weil das Verwaltungsgericht Wiesbaden ihm die Fälle vorgelegt hatte. Zur ersten Frage hatte eine Frau geklagt, die wegen eines schlechte Schufa-Scores keinen Kredit bekam. Ihre Beschwerde beim hessischen Datenschutzbeauftragten blieb erfolglos; die Behörde war außerdem der Meinung, dass ihre Bescheide nicht gerichtlich überprüfbar seien. Betroffene Personen hätten zwar ein Beschwerderecht, ein Gericht könne die Entscheidung der Aufsichtsbehörde aber inhaltlich nicht überprüfen.

Entscheidungen von Datenschutzbehörden sind gerichtlich überprüfbar

Dieser Auffassung erteilte der EuGH eine klare Absage. Das Luxemburger Gericht stellt klar, dass „die nationalen Gerichte jeden rechtsverbindlichen Beschluss einer Aufsichtsbehörde einer vollständigen inhaltlichen Überprüfung unterziehen können müssen.“

Die Schufa gab sich nach dem Urteil ebenso zufrieden wie die Datenschützer. „Das weit überwiegende Feedback unserer Kunden lautet, dass Zahlungsprognosen in Form des Schufa-Scores für sie zwar wichtig, aber in aller Regel nicht allein entscheidend für einen Vertragsabschluss sind“, so die Auskunftei. Die Schufa beruft sich also darauf, dass ihre Scores nur ein Faktor unter vielen seien.

Auf Grundlage der EuGH-Entscheidungen muss das Wiesbadener Gericht nun unter anderem prüfen, ob das Bundesdatenschutzgesetz eine gültige Ausnahme von dem Scoring-Verbot formuliert. Und wenn ja, ob diese Ausnahme mit europäischen Datenschutzregeln im Einklang steht.


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