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Wie arbeiten Untersuchungsausschüsse?: Einhundert Kekse im Geheimdienst-Untersuchungsausschuss

Wer sich in 66 öffentliche Sitzungen eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses begibt, lernt nicht nur vieles über das Thema der Untersuchung, sondern auch über die Arbeit solcher Gremien im Parlament. Anna Biselli berichtet in der neuen Folge von „Dicke Bretter“ von ihren Erfahrungen am Beispiel des NSA-BND-Untersuchungsausschusses.

bundestagskuppel
Nicht etwa ein Raumschiff, sondern der Blick von der Kuppel des Bundestags. CC-BY-SA 2.0 Kathrin Mezger

Im Podcast „Dicke Bretter“ geht es darum, wie Parlamente und politische Institutionen arbeiten, wie Gesetze entstehen und wie Regeln, Urteile oder Richtlinien zu digitalen Themen zustandekommen. Manchmal aber müssen auch Skandale aufgearbeitet werden, um eventuell verbesserte Regeln für das Problemfeld zu suchen und zu finden.

Genau darum geht es in Untersuchungsausschüssen, die Themen aufarbeiten, die vielen Parlamentariern wichtig und gesellschaftlich bedeutsam sind. Die Arbeit in solchen Ausschüssen kann Fakten, Aktenlagen oder Hintergründe von Skandalen offenlegen, Zeugen und Verantwortliche können befragt und durch die Berichterstattung die öffentliche Meinung beeinflusst werden.

In Zusammenarbeit mit dem Chaosradio des Chaos Computer Clubs erscheint bei netzpolitik.org der Podcast „Dicke Bretter“ in gekürzter schriftlicher Form: ein Gespräch zwischen Elina Eickstädt, Anna Biselli und Constanze Kurz über Sinn und Unsinn von Untersuchungsausschüssen. Oft am Beispiel des NSA-BND-Untersuchungsausschusses geht es diesmal um die Fragen: Warum wird ein Untersuchungsausschuss typischerweise einberufen? Welche Einblicke kann ein Interessierter durch solche Ausschüsse bekommen? Und warum spielten einhundert Kekse im NSA-BND-Untersuchungsausschuss eine Rolle?

Ein Instrument der Opposition

Constanze Kurz: Wir bei netzpolitik.org hatten in der Vergangenheit mehrfach mit parlamentarischen Untersuchungsausschüssen zu tun. Aber oft hat die ganze Bundesrepublik mit diesen Ausschüssen zu tun, denn viele erreichen eine recht hohe Öffentlichkeitswirksamkeit. Es gibt immer wieder Themen, die dort besprochen und dann von der Presse begleitet werden.

Anna Biselli, Andre Meister und andere aus dem netzpolitik.org-Team hatten die Ehre, mehrere Jahre einen ziemlich wichtigen Untersuchungsausschuss zu begleiten und auch zu protokollieren, nämlich den NSA-BND-Untersuchungsausschuss. Darüber wollen wir heute reden und einige Beispiele und auch Anekdoten besprechen. Wir werden auch kurz auf die europäische Ebene wechseln, denn Untersuchungsausschüsse sind keine Eigenart des Bundestages. Daher werden wir ein paar Aspekte von europäischen Untersuchungsausschüssen ansprechen.

Elina Eickstädt: Wir fangen mit der deutschen Ebene an: Es gab einen NSA-BND-Untersuchungsausschuss. Wann kommt es dazu, dass so ein Untersuchungsausschuss einberufen wird?

Constanze Kurz: Eigentlich ist es ein Instrument der Opposition, denn Untersuchungsausschüsse werden entweder von einer ganz großen Mehrheit der Parlamentarier oder aber mit den Stimmen der Opposition initiiert. Es muss nur ein Viertel der Parlamentarier der Einsetzung zustimmen, der Ausschuss kann also quasi gegen die Regierung durchgesetzt werden. Insofern ist es ein klassisches Instrument der Opposition.

Anna Biselli: Beim BND-NSA-Untersuchungsausschuss hatten wir eine „ganz große Koalition“. Die Opposition hatte ja nur zwanzig Prozent der Stimmen. Aber die Fraktionen haben zusammen etwas ausgearbeitet und sich dann gemeinsam darauf geeinigt, dass die Opposition sogenannte Minderheitenrechte bekommt, damit sie überhaupt was machen kann. Denn die Zusammensetzung im Ausschuss hängt damit zusammen, wie viele Leute von welcher Partei drin sitzen, abhängig von den Prozentzahlen der Fraktionen. Ohne Minderheitenrechte kann man als Opposition nicht viel machen.

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Constanze Kurz: Die rechtlichen Grundlagen für einen Untersuchungsausschuss liegen im Grundgesetz, wo der Artikel 44 einige wenige Regeln für Untersuchungsausschüsse im Bundestag setzt. Aber es gibt ein eigenes Gesetz, das PUAG.

Anna Biselli: Der Untersuchungsausschuss soll also etwas untersuchen, klassischerweise wenn es irgendwo ein großes Thema gibt, das im öffentlichen Interesse ist, wie zum Beispiel eben der NSA-BND-Skandal oder der Wirecard-Skandal oder das Thema NSU, da gab es sogar viele Untersuchungsausschüsse …

Constanze Kurz: … nicht nur im Bund, sondern auch in den Ländern, denn die meisten Landtage haben dieses Recht auch.

Wichtige gesellschaftspolitische Themen

Anna Biselli: Untersuchungsausschüsse ähneln einem Gerichtsprozess: Sie dürfen Zeuginnen laden, sie dürfen Sachverständige laden und auch andere dazu auffordern, Ermittlungen zu machen, zum Beispiel Behörden. Und dann können sie sagen: Liefere mir mal alle Akten zu einem Thema, die ihr habt, und dann müssen sie die Akten ranschaffen. Das heißt, Untersuchungsausschüsse haben schon relativ viele Rechte, zumindest auf dem Papier.

Elina Eickstädt: Ist das auch ein Mittel der Informationsgewinnung? Was ist der politische Hebel, für den man so einen Untersuchungsausschuss als Opposition nutzen kann?

Anna Biselli: Es geht darum, die Exekutive zu kontrollieren, also was die Regierung und die Behörden machen. Nimmt man als Beispiel den BND-NSA-Untersuchungsausschuss, so kannst Du als Abgeordneter ja normalerweise nicht hingehen und sagen: Lieber BND, gib mir mal die Akten. Wenn Du so eine Institution kontrollieren und Dich überhaupt mal informieren willst und wenn du nicht selbst im „Parlamentarischen Kontrollgremium“ sitzt, dann brauchst Du einen Untersuchungsausschuss.

Constanze Kurz: Politisiert ist aber nicht nur die Arbeit im Ausschuss, sondern manchmal auch eine Drohung mit einem Untersuchungsausschuss. Das ist ein politisches Mittel, auch wenn die Einsetzung dann nicht unbedingt erfolgt. Generell kann man sagen, dass die Untersuchungsausschüsse sowohl im Bund als auch in den Ländern meistens wichtige gesellschaftspolitische Themen betreffen.

Anna Biselli: Es ist auch ein Mittel, um ein Thema lange im Bewusstsein zu halten. Damit kochst du ein Thema im Zweifelsfall Jahre. Zwar dauern nicht alle Untersuchungsausschüsse eine ganze Legislaturperiode. Aber eine größere politische Dauer als die normale politische Aufmerksamkeitsspanne haben sie meist.

Der NSA-BND-Untersuchungsausschuss als Folge der Snowden-Veröffentlichungen

Constanze Kurz: Zur Einsetzung braucht man einen Beschluss des Bundestags über den Inhalt des Untersuchungsausschusses. Daran müssen sich diejenigen, die in dem Untersuchungsausschuss sitzen, auch halten.

Anna Biselli: Dieser Untersuchungsauftrag ist sehr genau. Das heißt, sie einigen sich darauf, was sie untersuchen. Besetzt wird er dann nach der Stärke der Fraktionen.

Constanze Kurz: Jede einzelne Fraktion des Bundestags muss auch vertreten sein. Das heißt natürlich, dass der Ausschuss eine bestimmte Größe erreichen muss, denn er hat immer ein normales Mitglied und von jeder Fraktion auch ein stellvertretendes Mitglied.

Anna Biselli: Im NSA-BND-Untersuchungsauschuss waren es acht Abgeordnete und dann noch mal acht Stellvertreter, darunter ein Vorsitzender und wieder ein Stellvertretender.

Den Geheimdiensten endlich Grenzen setzen

Constanze Kurz: Dieser NSA-BND-Untersuchungsausschuss war eine ganz klare Folge der Snowden-Veröffentlichungen, die im Juni 2013 begannen. Soweit ich weiß, ist der Deutsche Bundestag das einzige Parlament der Welt, das einen Untersuchungsausschuss eingesetzt hat zu dem Thema, obwohl sehr viele Staaten betroffen waren und auch ähnliche Rechte haben, also eine Enquête-Kommission oder einen Untersuchungsausschuss einsetzen könnten.

Das Ergebnis, also wenn man die ganzen Zeugen gehört hat, ist ein Bericht. Aber beim NSA-BND-Untersuchungsausschuss gab es das, was es häufig gibt, nämlich sogenannte Sondervoten. Wenn sich nämlich die Parlamentarier nicht einigen können auf einen gemeinsamen Abschlussbericht, dann dürfen sie eine Art Minderheitenmeinung abgeben. Und die war auch sehr lang.

Anna Biselli: Das war ein großer Ordner, wenn man das einmal ausgedruckt gesehen hat. Es ging es ganz viel um die Frage: War es jetzt Massenüberwachung oder war es keine? Da konnten sie sich überhaupt nicht einigen.

Constanze Kurz: In der Plenardebatte zum Bericht hat sich damals die CDU auf den Standpunkt gestellt, man könne hier nicht von technisierter Massenüberwachung reden.

Elina Eickstädt: Warum war es keine Massenüberwachung?

Anna Biselli: Die Argumentation war: Wenn du einhundert Kekse hast und du isst einen, dann sind das nicht massenhaft gegessene Kekse. So hat nämlich Marian Wendt im Untersuchungsausschuss versucht, das zu begründen, denn es gäbe ja ganz viele Kommunikationsdaten und überhaupt ganz viele Daten auf der Welt. Und wenn man dann aus einhundert Daten-Keksen ein Keks isst, dann hat man nicht massenhaft Kekse gegessen. Deshalb sei das keine Massenüberwachung.

Die mediale Aufmerksamkeit

Elina Eickstädt: Wir gehen nochmal ganz zum Anfang zurück – als der NSA-BND-Untersuchungsausschuss startet. Man würde ja denken, dass bei so einem wichtigen Thema die mediale Aufmerksamkeit hoch ist. Wie war das denn, werden solche Ausschüsse übertragen? Anna und Andre Meister haben beide sehr viel Zeit in diesem Ausschuss verbracht. Wie ist es denn dazu gekommen?

Anna Biselli: Die Zeugen-Anhörungen gab es nicht als Stream. Bei den Zeugen dürfen auch dann während der Sitzungen keine Fotos gemacht werden. Was teilweise gestreamt wurde, waren die Sachverständigen-Anhörungen: also nicht Leute, die zum Beispiel beim BND gearbeitet haben und etwas über ihre Arbeit aussagen sollten, sondern Juristen, Geheimdienstexperten oder Drohnenpiloten aus den USA.

Der Rest war zwar öffentlich, das heißt, jede Person kann einfach hingehen und sich auf die Besuchertribüne setzen, aber das wurde nicht aufgenommen, sondern von den Stenographinnen und Stenographen des Bundestages mitprotokolliert. Aber die Protokolle – das war schon von Anfang an klar – werden erst veröffentlicht, wenn der Ausschuss vorbei ist. Dann ist es natürlich zumindest für die öffentliche Aufmerksamkeit zu spät. Wir haben aber gesagt: Das geht gar nicht, denn dann kann man damit nichts anfangen.

Eine normale Redaktion leistet es sich nicht, jemanden da stundenlang reinzusetzen. Die längste Sitzung ging fast dreizehn Stunden, da ist ein normaler Arbeitstag ja vorbei. Von den größeren Redaktionen wie der „Zeit“ oder der „Welt“ saß da oft jemand, aber sie kamen vor allem zu den Sitzungen mit prominenten Zeugen. Wenn Angela Merkel kommt, dann ist auch die Presse da, das ist klar. Aber wenn ein kleiner BND-Sachbearbeiter kommt, sind sie oft nicht da. Doch gerade dann passieren oft die spannenden Sachen, weil das ja die Leute sind, die wirklich daran arbeiten, die also im BND sitzen und eben spannende Sachen erzählen können.

Dementsprechend haben wir uns dazu entschieden: Wir ziehen uns den ganzen Kram rein, zumindest die öffentlichen Sitzungen, und protokollieren sie mit, damit man darauf zurückgreifen kann, bevor die Aufmerksamkeit vorbei ist.

Steinmeier
Zeuge Steinmeier bei seiner Anhörung. Zeichnung: Stella Schiffczyk

Constanze Kurz: Wer waren denn die Promis?

Anna Biselli: Merkel war da und Steinmeier …

Constanze Kurz: … als Ex-Kanzleramtschef …

Anna Biselli: Die BND-Präsidenten waren da, Gerhard Schindler und August Hanning, als Verantwortliche. Hans-Georg Maaßen war auch da.

Die Aufpasser des Kanzleramts

Constanze Kurz: Es gab zwei Teile in diesem Ausschuss: Einer war der öffentliche Teil, der wurde natürlich auch protokolliert, der andere der nicht-öffentliche Bereich. Das ist eine Besonderheit, denn eigentlich tagen Untersuchungsausschüsse öffentlich. Aber man kann davon eine Ausnahme beschließen, und das ist natürlich bei den Geheimdienstleuten besonders verbreitet.

Anna Biselli: 134 Sitzungen, davon 66 öffentlich.

Elina Eickstädt: Werden die nicht-öffentlichen Teile protokolliert? Und sind die Protokolle dann nicht-öffentlich?

Anna Biselli: Sie werden protokolliert, die Protokolle sind aber nicht öffentlich. Sie haben in der Regel aber nicht so lange gedauert.

Constanze Kurz: Es gab noch eine besondere Anomalie, da saßen immer Leute vom Bundeskanzleramt, die sich ab und an zwischendurch meldeten …

Anna Biselli: … die Aufpasser. Sie sagten meist: „Das ist nicht von Ihrer Aussagegenehmigung gedeckt“ oder „Das ist nicht Teil des Untersuchungsauftrags“.

Immer mehr Fragen

Constanze Kurz: Der Ablauf einer Befragung lief dann so: Je nach Parteienproporz können reihum Fragen an die jeweils Geladenen gestellt werden. Es gab dafür eine festgelegte Reihenfolge. Häufig haben die Fragesteller auch angeknüpft an das, was sie zum Beispiel eine halbe Stunde vorher gefragt haben. Es war oft ein bisschen zeitversetzt, nicht wirklich wie ein richtiges Gespräch, sondern ein bisschen entzerrt.

Anna Biselli: Der Untersuchungsauftrag wurde später nochmal erweitert, weil sie gemerkt haben, dass noch Sachen dazukamen, von denen sie am Anfang gar nichts wussten.

Constanze Kurz: Für den NSA-BND-Untersuchungsausschuss ist schon bemerkenswert, wie stark er sich gewandelt hat. Es ging ja erst um die NSA-Skandale, um Deutschland als Opfer. Das wurde dann aber sehr viel mehr zu der Frage, inwieweit Deutschland durch den Bundesnachrichtendienst Mittäter ist. Ich denke, es war eine Vervielfachung des Untersuchungsgegenstandes.

Anna Biselli: Auf jeden Fall. Das kam wie ein Bumerang zurück. Das hätte man wahrscheinlich am Anfang nicht gedacht.

Constanze Kurz: Ich hatte Gelegenheit, mit dem damals dort aktiven Politiker Hans-Christian Ströbele in einem netzpolitik.org-Podcast zu sprechen. Es war bereits sein fünfter Geheimdienst-Untersuchungsausschuss, eine enorme Menge über verschiedene Legislaturperioden hinweg. Es gab die Ausschüsse immer wieder dann, wenn die Geheimdienste in Skandale verwickelt waren. Ströbele hat sich im Podcast empört gezeigt und zum Ausdruck gebracht, wie sehr ihm ins Gesicht gelogen wurde.

Hans-Christian Ströbele hat sich übrigens explizit bedankt für das Protokollieren als Arbeitshilfe. Er hat nämlich beklagt, dass die offiziellen Protokolle so spät kämen, dass sie keinen Sinn mehr ergeben würden für ihn.

Das Protokollieren hat natürlich auch Öffentlichkeit hergestellt, die sonst oft erlahmt, wenn der Untersuchungsausschuss sehr lange tagt. Ähnlich haben wir jetzt in Europa auch erlebt, mit dem PEGA-Untersuchungsausschuss.

Anna Biselli: Es gab aber nicht nur uns bei netzpolitik.org. Der Ausschuss war quasi multimedial begleitet. Es gab eine feste Gruppe von Leuten, die dazu einen Podcast gemacht haben, nach jeder Sitzung, manchmal bis nachts um eins.

Gerhard-Schindler
Zeuge Gerhard Schindler bei seiner Anhörung. Zeichnung: Stella Schiffczyk.

Constanze Kurz: „Technische Aufklärung“ hieß der Podcast.

Anna Biselli: Und Stella hat alles gezeichnet. Es war ganz absurd, dass sich jemand jedes Mal hinsetzt und die Zeugen zeichnet, und am Ende hat sie mit Knete Figuren zu den Zeugen gemacht. Es war eine sehr ungewöhnliche Begleitung, die im Gesamtpaket dafür gesorgt hat, dass das nicht einfach versickert.

Was der BND tut, wurde einfach legalisiert

Elina Eickstädt: Was für einen Einfluss hatte er, was hat dieser Untersuchungsausschuss verändert?

Anna Biselli: Ich finde es ein bisschen zweischneidig. Auf der einen Seite gab es ja dann eine BND-Gesetz-Reform, die eine absolute Enttäuschung war. Das heißt, da hat sich was verändert, aber nicht zum Guten. Es war von Anfang an klar: Man muss das Gesetz reformieren, um den BND besser einzuhegen. Was dann aber passiert ist: Viel von dem, was festgestellt wurde, was der BND tut, wurde einfach legalisiert.

Andererseits haben sich eine Menge Leute mit diesem Thema beschäftigt, mit einer Menge an zivilgesellschaftlichem Engagement drumherum. Sicherlich haben die Snowden-Enthüllungen dazu beigetragen, aber eben auch dieser Ausschuss in Deutschland.

Constanze Kurz: Ich würde es ähnlich sehen. Im Ergebnis hatte man erstmal einen Bericht, da stehen Fakten drin, auf die sich alle einigen konnten. Der Ergebnisbericht ist auch ein bisschen unbestreitbar, da waren sehr viele Quellen zusammengezogen. Ansonsten hatte man noch interessante Einblicke in das absurde Theater mit den Geheimdiensten.

Anna Biselli: Es gab auch interessante Einblicke, wie Geheimdienstler denken: Was für ein Bild von dem, was sie tun, haben sie? Wie ist das Verhältnis zu den USA? Auf keinen Fall wollten sie ihnen auf die Füße treten. Das ist der große Bruder, auf den sind wir angewiesen.

Der Untersuchungsausschuss zum Pegasus-Skandal

Elina Eickstädt: Es gibt Protokolle, es gibt öffentliche Sitzungen, es gibt auch geheime Sitzungen. Woran liegt es denn, dass die Sitzungen nicht aufgezeichnet werden?

Constanze Kurz: Im Gesetz selbst ist nicht vorgesehen, dass es Bild- oder Tonaufnahmen gibt. Der Ausschuss selber kann sich aber dazu entscheiden. Es ist allerdings grundsätzlich erstmal öffentlich.

Im Vergleich dazu die EU: Es gab einen Untersuchungsausschuss, der gerade beendet wurde, zum Pegasus-Skandal. Es ging also um Staatstrojaner und Späh-Software. Dort gab es keine Form von Geheimhaltung, obwohl das auch in hohem Maße Geheimdienste betrifft. Es gab immer öffentliche Sitzungen, die aufgezeichnet wurden. Zwar hatte sich der Untersuchungsausschuss auch auf die Reise gemacht, also Länder in Europa und Israel besucht, so dass man dann keinen Stream gucken konnte. Aber grundsätzlich gab es da keine Geheimhaltung.

Anna Biselli: Aber die Leute, die was Geheimes hätten sagen können, sind auch einfach nicht gekommen.

Elina Eickstädt: Der Pegasus-Skandal war riesig und hat viel mediale Aufmerksamkeit bekommen, der Untersuchungsausschuss aber nicht so. Ich fand ich es besorgniserregend, wie wenig dieser Ausschuss in der Öffentlichkeit stattgefunden hat.

Anna Biselli: Der Untersuchungsausschuss produziert aber auch keine Skandale. All die Leute, die da was sagen könnten, was dazu führen könnte, dass ein Skandal entsteht, die müssen da nicht hinkommen. Die entsprechenden verantwortlichen Leute waren nicht gekommen, sondern vor allem Sachverständige und Betroffene von Pegasus und auch die Leute vom Anbieter des Staatstrojaners, der NSO Group. Das war das einzige, wo ein bisschen Skandal-Potential drin war.

Constanze Kurz: Sie hatten sich etwas mehr versprochen von ihren Reisen, die in stark betroffene Staaten wie etwa Spanien, Polen oder Griechenland stattfanden. Dort sind sie aber auch teilweise aufgelaufen, weil die Verantwortlichen einfach nicht mit den Ausschussmitgliedern gesprochen haben. Dennoch ist es hier so wie beim NSA-BND-Untersuchungsausschuss: Das Erkenntnispotential ist groß. Es gab auch einen Abschlussbericht und eine Plenardebatte, die dazugehörte. Die technischen und rechtlichen Erkenntnisse waren nicht wirklich neu, sondern schon zuvor publiziert, aber es gab eine lange Liste an Empfehlungen, die vom Parlament auch angenommen wurden. Sie richten sich an die einzelne EU-Staaten …

Anna Biselli: … und an die EU-Kommission. Aber die Kommission muss nichts damit machen, es sind Empfehlungen.

Elina Eickstädt: Bei der aktuellen Tendenz der Kommission ist nicht viel zu erwarten.

Constanze Kurz: Meine Hoffnungen in die EU-Kommission sind auch gering, aber wichtig scheint mir hier die Rolle der Presse. Auch wenn der Ausschuss an sich in den einzelnen EU-Ländern wenig begleitet wurde, ist die Rolle der Presse hier enorm wichtig. Die hatte das Pegasus-Projekt überhaupt erst ins Leben gerufen. Das war ein internationales Konsortium von Medienhäusern. Es hätte sonst diesen Untersuchungsausschuss nicht gegeben. Sie haben ja erst aufgedeckt, wer betroffen war.

Elina Eickstädt: Wobei man sagen muss: Wenn es um den Schutz von Journalisten und Journalistinnen vor Spyware geht hat, scheint die EU nicht wirklich was daraus gelernt zu haben, wenn man sich jetzt die aktuelle Gesetzgebungslage mit Blankoausnahme anschaut.

Untersuchungsausschüsse sind ein sehr aufschlussreiches, aber auch frustrierendes Thema. Vielen Dank, dass du bei „Dicke Bretter“ zu Gast warst, Anna!


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