Tech-Regulierung ist eines der wichtigsten Themen der EU. Da wollen Konzerne wie Meta und Google gerne mitreden, seit langem gehören sie in Brüssel zur Speerspitze des Lobbyismus. Zwei NGOs zeigen, wie die Digitalkonzerne ihre Macht 2022 ausgebaut haben.
Mindestens 113 Millionen Euro haben Tech-Unternehmen im Jahr 2022 für Lobbyismus bei der EU ausgegeben. Zu diesem Schluss kommen in einer neuen Analyse die beiden Nichtregierungsorganisationen Lobbycontrol und Corporate Europe Observatory (CEO).
Im Jahr 2021 schätzten die beiden Lobbyismus-kritischen NGOs die Ausgaben der Tech-Branche noch auf 97 Millionen Euro, eine Steigerung um 16,5 Prozent. Einzelne Unternehmen wie etwa Apple verdoppelten ihr Lobby-Ausgaben sogar, Spitzenreiter bei den Ausgaben ist der Facebook-Konzern Meta.
„Dass immer mehr Geld für Lobbyarbeit ausgegeben wird, während die Konzerne in diesem Sektor gleichzeitig ihre Monopolmacht nutzen können, ist besorgniserregend“, kommentiert Verena Leyendecker von Lobbycontrol die Befunde. Gerade die großen Tech-Konzerne hätten durch ihre enormen Ressourcen unverhältnismäßig viele Möglichkeiten, Politik in ihrem Sinne zu beeinflussen.
Meta ist Lobby-Spitzenreiterin
Für die Analyse haben Lobbycontrol und CEO das Transparenzregister der EU ausgewertet. Die Unternehmen geben hier selbst einmal im Jahr Größenordnungen für ihre Lobbyausgaben an. Insgesamt haben die NGOs 651 Unternehmen, Verbände und Interessengruppen gezählt, die für die Digitalindustrie in Brüssel und Straßburg lobbyierten.
Von den mindestens 113 Millionen Euro im Jahr 2022 entfielen dem Bericht zufolge mehr als ein Drittel der Ausgaben auf die großen Tech-Unternehmen. Zusammen gaben die Top 10 der Tech-Lobbyist:innen mehr als 40 Millionen Euro aus. „Damit liegt die Spitze des Techsektors den Ausgaben nach weiterhin ganz vorne, noch vor den Top 10 Unternehmen der Auto- und Finanzlobby“, schreibt Lobbycontrol.
Spitzenreiter im Tech-Lobbyismus ist Meta. Die Ausgaben des Konzerns stiegen von 5,75 Millionen Euro in 2021 auf 8 Millionen Euro in 2022. Die zweithöchsten Lobby-Ausgaben der Tech-Industrie leistete sich Apple, das Unternehmen verdoppelte seine Ausgaben auf mindestens 7 Millionen Euro. Google gab mindestens 5,5 Millionen Euro aus, Microsoft mindestens 5 Millionen Euro. Die fünfthöchsten Lobby-Ausgaben der Tech-Branche hatte der US-Halbleiterhersteller Qualcomm mit einer Steigerung von 1,75 Millionen Euro auf 4 Millionen Euro.
Mit je zwei Millionen Euro erstmals unter die Top 10 kamen die Telekommunikationskonzerne Telefónica und Deutsche Telekom. Das chinesische Unternehmen TikTok gab 2022 mindestens 900.000 Euro für Lobbyismus aus.
Meta kann mit 17,05 Vollzeitäquivalenten (VZÄ) auch die größte Anzahl an Lobbyist:innen bei der EU vorweisen. Google steigerte seine VZÄ von 5,5 auf 8,7, Amazon von 5 auf 8 VZÄ und Apple von 4,5 auf 7,5 VZÄ. Zusätzlich zu den konzerneigenen Lobbyist:innen finanzieren die Tech-Unternehmen zahlreiche Branchenverbände, die ebenfalls in ihrem Sinne Druck machen.
KI-Regulierung könnte verwässert werden
Die Nichtregierungsorganisationen stellen die weiter gestiegene Lobbymacht der Tech-Branche in den Kontext verstärkter Regulierungsbestrebungen der EU. Darunter fallen der Digital Services Act und der Digital Markets Act, die beide im Jahr 2022 beschlossen wurden. Unter anderem war es der Branche damals gelungen, ein zwischenzeitlich diskutiertes Verbot von überwachungsbasierter Werbung zu verhindern. Derzeit befinde sich weitere wichtige Digitalgesetze der EU in der entscheidenden Phase, etwa neue Regeln für politische Online-Werbung oder für Künstliche Intelligenz.
„Die Lobbyarbeit der Digitalkonzerne droht nicht nur wichtige Maßnahmen wie den AI Act zu verwässern, sondern untergräbt auch die demokratische Entscheidungsfindung“, kommentiert Bram Vranken von Corporate Europe Observatory die Analyse. „Diese neuen Zahlen sind ein Weckruf.“ Die EU müsse den privilegierten Zugang für Unternehmenslobbyisten dringend unterbinden. Auch Verena Leyendecker von Lobbycontrol forderte strengere Regeln für Lobbyismus in Brüssel und eine ambitionierte Anwendung des Digital Markets Act der EU. Dieser biete Möglichkeiten, die Macht von Amazon & Co zu begrenzen.
Da die Tech-Konzerne in der Regel keine konkreten Angaben zu ihren Lobbyausgaben, basiert die Studie auf Schätzungen. Im Transparenzregister der EU wird mit Ausgabenkategorien gearbeitet. Die NGO’s verwenden für ihre Analyse den niedrigsten Wert jede Kategorie. Lediglich bei der Gruppe zwischen null und 10.0000 Euro setzten sie den Mittelwert an, also 5.000 Euro. Die Lobbyaktivitäten bei den Regierungen der EU-Mitgliedstaaten berücksichtigen sie nicht.
Die Arbeit von netzpolitik.org finanziert sich zu fast 100% aus den Spenden unserer Leser:innen.
Werde Teil dieser einzigartigen Community und unterstütze auch Du unseren gemeinwohlorientierten, werbe- und trackingfreien Journalismus jetzt mit einer Spende.
0 Commentaires