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Transparenz: Die verborgene Digitalpolitik deutscher Ministerien

Die Ampel-Regierung hat sich sowohl Digitalisierung als auch Transparenz auf die Fahnen geschrieben. Fragt man die Bundesministerien jedoch danach, wer die Digitalpolitik in den jeweiligen Häusern verantwortet, wiegeln sie hartnäckig ab. Eine Spurensuche.

Der Alchemist auf der Suche nach dem Stein der Weisen (1771) von Joseph Wright of Derby
Was brauen die Ministerien in ihren Laboren zusammen? – Public Domain Der Alchemist auf der Suche nach dem Stein der Weisen (Joseph Wright of Derby, 1771)

Dénes Jäger ist Projektkoordinator Policy & Open Data bei der Open Knowledge Foundation Deutschland. Der gemeinnützige Verein hat sich zum Ziel gesetzt, Wissen für die digitale Zivilgesellschaft zu öffnen.

Bei allem, was man an der Digitalisierung der Verwaltung in Deutschland kritisieren kann – an Strategien und schmissigen Namen für Vorhaben mangelt es nicht.

So sieht die Digitalstrategie der aktuellen Bundesregierung vor, sogenannte Datenlabore in allen Bundesministerien zu schaffen. Der Name „Labor“ ist dabei Programm: Die Einrichtungen sollen „experimentelle Datenarbeit“ ermöglichen, die Datenkompetenz in den jeweiligen Häusern stärken und datengetriebene Entscheidungsfindungen vorantreiben. Darüber hinaus sollen die Labore ausdrücklich Daten für Zivilgesellschaft, Wirtschaft, Wissenschaft und Verwaltung bereitstellen.

Geheime Labore?

Allerdings sagen die einzelnen Ministerien nicht, wie die Bereitstellung der Daten erfolgen soll und wer dafür die Verantwortung trägt.

Immerhin ist – dank einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Union – bekannt, dass sich die Zahl Mitarbeitenden in den Laboren in den vergangenen zwei Jahren deutlich erhöht hat. Es gibt jedoch große Unterschiede zwischen den Häusern: Im Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) ist derzeit umgerechnet eine Vollzeitstelle im Amt; im Verteidigungsministerium sind es hingegen umgerechnet 23 Stellen.

Wer diesen Datenlaboren vorsteht, wird ebenfalls unterschiedlich ausgelegt. Auf die Eckpunkte einer aktuellen Datenstrategie konnten sich die Regierungsparteien bislang nicht einigen. Die Datenstrategie aus der vorherigen Legislaturperiode sieht jedenfalls vor, dass es in allen Ministerien sogenannte Chief Data Scientists (CDS) oder Chief Data Officers (CDO) gibt.

Diese Personen sollen mit den Datenanalyst:innen im jeweiligen Haus zusammenarbeiten, die interne Nutzung von Daten fördern und ihre Arbeit auch mit den dortigen Datenschutzbeauftragten koordinieren.

Die Ministerien mauern

Mitunter überschneidet sich offenbar auch die Funktion der Datennutzungsbeauftragten in den Ministerien mit den Leitungen der neugeschaffenen Datenlabore. So hat der Tagesspiegel Background jüngst enthüllt, dass die Ökonomin Verena Grass als Leiterin des Datenlabors und als Chief Data Scientist des Digital- und Verkehrsministeriums agiert. Grass ist seit dem 1. Juli im Amt und war laut Tagesspiegel zuvor bei den Unternehmensberatungen McKinsey und Prognos sowie bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC tätig.

In den Organigrammen der einzelnen Ministerien muss man mit der Lupe suchen, um Informationen über die Labore und ihr digitales Führungspersonal aufzufinden. Die Suchfunktion auf den Webseiten geben in der Regel ebenfalls keinen Aufschluss. Warum ist es so kompliziert, zu erfahren, wer in obersten Bundesbehörden die Datenkompetenz voranbringen soll?

Auch auf Anfrage per E-Mail geben sich die Ministerien meist geheimniskrämerisch. Es müsse erst ein Presseausweis vorgelegt werden, heißt es dann in der Antwort. Oder wir werden gefragt, wofür man denn die Kontaktdaten der Chief Data Officers genau benötige. Kurzum: Wenn man nicht gerade das Glück hat, dass die CDOs sich auf einem Podium als solche outen – oder man sie bei LinkedIn findet –, ist es ganz schön mühsam, einen Einblick in die wichtige digitalpolitische Besetzung der Ministerien zu erhalten.

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Kreative Antworten

Auf Informationsfreiheitsanfragen – die wir mit Unterstützung von FragDenStaat stellen – müssen die unwilligen Bundesministerien zumindest reagieren. Doch auch hier zeigten sich die zuständigen Mitarbeiter:innen entweder wortkarg oder äußerst kreativ.

Die Antworten reichen von „Ja, es gibt einen CDS.“ (mehr gab das angefragte Ministerium nicht preis) über „Die Antwort findet sich auf unserer Homepage.“  (in einem statischen Organigramm-PDF mit hunderten Positionen ohne namentliche Nennung der CDOs) bis zu dem Hinweis, dass es sich dabei um keine amtliche Information handele und das IFG deshalb nicht greifen würde.

Auch das Finanzministerium schrieb in seiner Antwort, dass die Anfrage „aus diesem Grund“ abzulehnen sei. Es erbarmte sich jedoch „überobligatorisch und ohne Anerkennung einer Rechtspflicht“ zu sagen, dass es im Haus ein Datenlabor mit Chief Data Scientist und Chief Data Officer gebe.

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) antwortete hingegen, dass es sich bei der dienstlichen E-Mail-Adresse des CDOs um personenbezogene Daten Dritter handle. Nach einer neuerlichen Bekräftigung der Antragsbegründung flatterte uns wenige Tage später eine vierseitige Ablehnungsschrift ins Haus. Die betreffenden Personen hätten – nach §8 Abs. 1 IFG – „nicht in die Weitergabe ihrer personenbezogenen Daten eingewilligt.“

Das Bundesjustizministerium machte hingegen philosophische Einwände geltend: Die Namen der zuständigen Personen würden lediglich eine „Momentaufnahme“ darstellen. Was dies über die langfristige Perspektive von Chief Data Scientists in dem Haus bedeutet, steht auf einem anderen Blatt.

Offene Fragen

Insgesamt ist das Ergebnis zermürbend: Wenn sich schon die obersten Bundesbehörden derart winden, sobald sie solch profanen Information herausgeben sollen, wie behandeln sie dann Anfragen, in denen es um Substantielles geht? Und warum benötigen wir für die Herausgabe einer dienstlichen E-Mail-Adresse einen IFG-Antrag?

Das Wissen darüber, wer in den Ministerien wichtige digitalpolitische Positionen innehat, darf nicht nur Insider:innen vorbehalten sein. Die Ironie, dass ausgerechnet bei jener Stelle, die in der Behörde für mehr Datenkompetenz und Open Data sorgen soll, keine Transparenz herrscht, dürfte selbst den Mitarbeitenden in den Ministerien nicht verborgen bleiben.

Stattdessen sollten die obersten Bundesbehörden hier eine Vorbildfunktion einnehmen. Nicht nur mit Blick auf die Datenlabore sind dafür zwei Dinge obligatorisch: maschinenlesbare Organigramme und ein niedrigschwelliger Zugang zu Informationen auf den Webseiten der Ministerien.

Also, liebes BMAS, BMF, BMG, BMI, BMJ, BMWSB – wer sind Eure Chief Data Officers oder Chief Data Scientists?


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