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BGH-Urteil: Netzsperre bleibt bei Urheberrechtsverletzung letztes Mittel

Zwei Verlage wollten Internetseiten sperren lassen, weil ihre Werke dort kostenlos abrufbar waren. Doch der Bundesgerichtshof stellt jetzt klar: Netzsperren bleiben das allerletzte Mittel bei einer Urheberrechtsverletzung und nur in Ausnahmefällen möglich.

Stopschild vor wissenschaftlichem Paper
Netzsperren bleiben bei Urheberrechtsverletzung die Ausnahme. Vereinfachte Pixabay Lizenz Schild: Pixabay/hpgruesen; Montage: netzpolitik.org

Verletzen Nutzer:innen Urheberrechte im Netz, bietet das deutsche Recht ein drastisches Mittel: Laut Telemediengesetz kann der Zugang zu entsprechenden Internetseiten gesperrt werden. Der Bundesgerichtshof (BGH) stellt jetzt allerdings klar, dass eine solche Netzsperre im Fall von Urheberrechtsverletzungen nur das allerletzte Mittel sein darf. Vorher müssten Rechteinhaber:innen alle anderen zumutbaren Anstrengungen unternehmen, um die Rechtsverletzung zu stoppen.

Geklagt hatten zwei Wissenschaftsverlage in Deutschland gegen die Deutsche Telekom. Sie wollten durchsetzen, dass die Telekom als Internetprovider für ihre Kund:innen den Zugang zu zwei Webseiten sperrt. Die Betreiber der Webseiten hätten ohne Zustimmung Werke online gestellt, an denen die Verlage die Rechte halten.

Der BGH wies die Klage in letzter Instanz zurück und bestätigte damit, was schon das Oberlandesgericht geurteilt hatte: Die Verlage haben kein Recht, von der Telekom eine Netzsperre zu verlangen. Denn diese sei das letzte Mittel und für besondere Ausnahmefälle bestimmt. Vorher hätten die Verlage versuchen müssen, an den Host-Provider für die beiden Webseiten heranzutreten, um so herauszufinden, wer für die Urheberrechtsverletzung verantwortlich ist. Das haben sie aber nicht getan. Ein Host-Provider stellt die Server zur Verfügung, um Inhalte im Netz zu veröffentlichen. In diesem Fall saß der Provider in Schweden, also in der EU. Das sei eine „zumutbare Anstrengung“, urteilte das Gericht.

Grundsatzurteil gilt weiter

Mit dem Urteil bestätigt der Bundesgerichtshof sein Grundsatzurteil aus dem Jahr 2015. Schon damals hatte der BGH entschieden, dass Unternehmen wie die Deutsche Telekom oder Vodafone nur in einem eng gesteckten Rahmen überhaupt zu Netzsperren gezwungen werden können. Bevor eine Sperre durchgesetzt werden kann, müssten Rechteinhaber:innen erst alle anderen zumutbaren Möglichkeiten ausschöpfen, um die Inhalte zu tilgen. Die Hürde für eine Netzsperre liegt damit hoch – und bleibt es auch.

Im Telemediengesetz heißt es dazu wörtlich: „Wurde ein Telemediendienst von einem Nutzer in Anspruch genommen, um das Recht am geistigen Eigentum eines anderen zu verletzen und besteht für den Inhaber dieses Rechts keine andere Möglichkeit, der Verletzung seines Rechts abzuhelfen, so kann der Inhaber des Rechts von dem betroffenen Diensteanbieter … die Sperrung der Nutzung von Informationen verlangen, um die Wiederholung der Rechtsverletzung zu verhindern.“

Netzsperren gehören zu den härtesten Maßnahmen gegen illegale Angebote im Netz. Provider verhindern in diesem Fall, dass ihre Kund:innen eine Website wie gewohnt im Browser aufrufen können. Die Sperren lassen sich zwar mit technischen Tricks umgehen, verletzen aber dennoch den Grundsatz der Netzneutralität, also die Gleichbehandlung aller Daten bei der Übertragung im Netz und den diskriminierungsfreien Zugang zu diesen.

Autoritäre Staaten setzen Netzsperren als Werkzeug für Zensur und Unterdrückung ein. Als die damalige CDU-Familienministerin Ursula von der Leyen im Jahr 2009 Netzsperren in Deutschland einführen wollte, bekam sie von Kritiker:innen den Spitznamen „Zensursula“ verpasst und es kam zu heftigen Protesten.

Netzsperren auch gegen Pornografie

Als letztes Mittel sind Netzsperren hierzulande nicht nur bei Urheberrechtsverletzungen erlaubt. Auch beim Jugendschutz kommen sie zum Einsatz, etwa gegen Pornoseiten ohne ausreichende Altersschranken. Kooperieren Anbieter von Pornoseiten aus dem Ausland nicht mit den deutschen Behörden und reagieren auch die Host-Provider der Seiten nicht auf die Aufforderung, die Seiten in Deutschland zu sperren, bleibt den Jugendschützer:innen als letztes Mittel die Netzsperre.

Im Fall von illegalem Glücksspiel setzt eine neu geschaffene Aufsichtsbehörde auf Netzsperren. Sie fordert Provider auf, Seiten auf Zuruf freiwillig zu sperren. Sollten diese nicht mitziehen, drohen ebenfalls Zwangsgelder.

Auch die EU kann indirekt Netzsperren verordnen, die von deutschen Providern umgesetzt werden müssen. Zuletzt war das der Fall, als die EU im März die Verbreitung der russischen Staatssender RT und Sputnik verboten hat. Diese durften daraufhin nicht mehr in der EU senden, und auch Internet-Provider wie die Telekom mussten die Seiten der Sender sperren.


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