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KI-Werkzeuge mischen die Spieleentwicklung auf. Wer sich darüber aber nicht proaktiv informiert, bekommt kaum etwas davon mit. Könnte ein Etikett das ändern?

Ein KI-generiertes Computerspiel-Level
So stellt sich Dall-E ein detailliertes Level eines Open-World-Spiels vor.

Die Möglichkeiten scheinen grenzenlos. Dieser Gedanke muss durch die Köpfe der vielen Menschen geschossen sein, die Anfang des Jahres auf der Entwicklerkonferenz GDC staunend dabei zusahen, wie ein Entwickler auf der Bühne mit wenigen Klicks eine ultrarealistische Waldlandschaft erstellte. Nur mit der Maus in der Hand gestaltete er Felsformationen, Gebirgshänge, Lichtungen und tiefe Krater – Arbeit, die ein kleines Team normalerweise wochenlang beschäftigt hätte, hier live erledigt in nicht einmal fünf Minuten.

Verantwortlich für diese technische Meisterleistung ist ein neues, leistungsfähiges Tool, das ein extrem leistungsfähiges und flexibles prozedurales Leveldesign erlaubt. Das heißt: Dieses Programm benötigt nur wenige Vorgaben, um endlos viele Varianten eines Levels zu bauen, der dann mit ein paar Klicks an die Wünsche und Vorstellungen eines Menschen angepasst werden kann. Diese Technologie hat das Potenzial, ein ganzes Design-Team zu ersetzen – soll aber nur ergänzend und unterstützend in der Entwicklung eingesetzt werden. Das beteuert der Mann auf der Bühne. Skepsis mischt sich unter die Faszination des Fachpublikums.

Wer einfach Spiele konsumiert, scheint vom omnipräsenten KI-Thema, „klugen Algorithmen“ und dem Phänomen des maschinellen Lernens fast schon ein wenig genervt. Doch die Spielebranche erkundet weiterhin fieberhaft, welche Prozesse der kostspieligen Entwicklungsarbeit durch die künstliche Mithilfe verkürzt und eingespart werden können: Ubisoft, einer der größten Publisher und Entwickler der Branche weltweit, kündigte bereits an, in Zukunft ganze Dialoge in seinen Spielen von einer KI generieren zu lassen. Synchronsprecher*innen sehen ihre berufliche Zukunft von der KI-Konkurrenz bedroht. Und längst sind die ersten Spiele erschienen, die komplett vom denkenden Algorithmus erstellt wurden, ganz ohne menschliches Zutun. Die Folgen dieser Entwicklungen für die Branche sind zu erahnen, aber noch nicht konkret absehbar.

Während sich die Fachleute über Potenzial und Bedrohung den Kopf zerbrechen, erfahren die Spielerinnen und Spieler währenddessen nur am Rande, dass sich die Entstehung „ihrer“ Spiele grundsätzlich verändert. Wer sich nicht explizit informiert, wird im Zweifel gar nicht merken, dass ein Teil des Spiels auf dem Bildschirm nicht von Entwickler*innen, sondern von einer KI erzeugt wurde. Es gibt in dieser neuen KI-Welt noch keine Regeln, Vorgaben oder Richtlinien, die den Umgang mit der neuen Technologie vorschreiben.

Und ich frage mich: Ist das gut so? Oder sollten Konsument*innen die notwendigen Informationen zur Verfügung gestellt bekommen, um selbst entscheiden zu können, ob sie ein Spiel mit KI-Inhalten kaufen wollen oder nicht?

KI ist bereits Teil des Arbeitsalltags

Eines vorneweg: KI steht nicht an der Türschwelle zur Spielebranche, sondern hat es sich schon längst im Wohnzimmer gemütlich gemacht. Ein Beispiel: Artists nutzen bereits die Fähigkeiten von generativer KI, um eigene Schwächen auszugleichen oder sich inspirieren zu lassen, wie mir während der Recherche zu dieser Kolumne erzählt wird. So lässt sich eine Künstlerin, die Charaktere für ein Rollenspiel entwirft, zuerst von einer KI verschiedene Gesichter erstellen, die sie dann im Detail verändert und an ihre Vorstellungen anpasst. Der Grund: Sie ist nicht gut darin, selbst Gesichter zu zeichnen. Die KI hilft ihr, sich auf ihre Stärken zu konzentrieren. Und nicht nur sie nutzt diesen Trick für ihre tägliche Arbeit.

Neu allerdings ist das Potenzial der Technologie, nicht nur Gesichter, sondern innerhalb von Sekunden ganze Levelareale zu erstellen und zu variieren, geleitet nur von einigen groben Rahmenbedingungen des Entwicklerteams: Wüste, Felsformationen, antike Ruinen – die KI macht den Rest. Diese Technologie könnte die Art und Weise, wie Spiele hergestellt werden, grundlegend verändern. Einsetzende Industrialisierung und Fließbandarbeit in einer Branche, in der bisher das Handwerk dominierte. KI-Spiele, die mit Hilfe von Menschen gemacht wurden, statt Spiele von Menschen, die sich von einer KI unterstützen ließen. Das ist ein großer Unterschied.

Und diese Industrialisierung der Spieleentwicklung birgt ebenso Vor- wie Nachteile: Eingesparte Entwicklungskosten können in andere Aspekte des Spiels investiert werden, die (zumindest noch) nicht von Algorithmen oder maschinellem Lernen übernommen werden können: Ausarbeiten einer kreativen Vision, hinter der das gesamte Team stehen kann etwa – oder viel weniger abstrakt: Qualitätsprüfung, gründliches Abklopfen eines Spiels, ob es mit allen Ideen zurechtkommt, die sich ein menschlicher Spieler oder Spielerin in den Kopf setzt. Der Arbeitsaufwand insgesamt für Teams sinkt damit. Größere und abwechslungsreiche Spielwelten sind keine Monumentalaufgabe mehr, die nur große Studios schultern können.

Handwerk oder Fließband?

Auf der anderen Seite jedoch: gefährdete Jobs, die durch die KI ersetzt werden. Die Versuchung, Spiele noch größer aufzublähen, als es einige Genre-Vetreter mit weit über 100 Stunden notwendiger Spielzeit ohnehin bereits sind. Und nicht zuletzt: der Verlust der menschlichen Note, die durch den KI-Algorithmus verdrängt wird. Unsinnige Easter Eggs beispielsweise, die das eigentliche Spiel nicht bereichern, aber den Fans zeigen: Das hier haben Menschen geschaffen, die ebenso begeistert von diesem Medium sind wie ihr. Hier gilt das gleiche wie bei Nahrungsmitteln im Supermarkt: Der Geldbeutel entscheidet darüber, ob der Bio-Bauer oder die Legebatterie unterstützt wird. Handwerk oder Fließband.

Ganz ohne Frage steht diese Branche an einer spannenden Weggabelung: Wie tief werden KI-Tools in die Spieleentwicklung eindringen? Und welche Konsequenzen werden diese Umwälzungen haben? Eine Frage, die dabei bisher kaum gestellt wird, aber nicht minder wichtig ist: Wie werden Spiele in Zukunft transparent machen, ob sie vor allem von Menschen oder einer KI entwickelt wurden?

„Made by humans“ könnte ein neues Verkaufsetikett der Zukunft werden, das für Konsument*innen klar erkennbar macht, das hier keine KI, kein maschinelles Lernen, sondern einfach nur Menschen etwas geschaffen haben. Ob sich dieser Gedanke durchsetzen wird, ist eine der vielen Fragen, die die Spielebranche früher oder später beantworten muss.


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