Die 26. Kalenderwoche geht zu Ende. Wir haben 20 neue Texte mit insgesamt 139.503 Zeichen veröffentlicht. Willkommen zum netzpolitischen Wochenrückblick.
Liebe Leser:innen,
spannend ist keine Eigenschaft, die ich als erstes mit Datenschutz assoziieren würde. Versteht mich nicht falsch, ich finde Datenschutz enorm wichtig und tatsächlich auch interessant. Sogar so interessant, dass ich mir wochenends jederzeit Gesetzentwürfe zur Gesundheitsdigitalisierung reinziehen würde. Aber spannend im Sinne eines guten, fesselnden Kriminalfilms, bei dem ich gar nicht mitkriege, wie sich die Chipstüte geleert hat – das ist Datenschutz nicht.
Außer in dieser Woche.
In Sachsen-Anhalt hat der Landtag versucht, einen Datenschutzbeauftragten zu wählen. In anderen Bundesländern geht das geräuschlos über die Bühne. Doch die Situation Sachsen-Anhalt ist besonders, genauer gesagt: unvergleichbar peinlich. Die wechselnden Regierungen versuchen seit über fünf Jahren vergeblich, sich auf einen Landesdatenschützer zu einigen. Schon zwei Kandidaten hatten nicht die nötige Mehrheit der Stimmen bekommen. Die Hintergründe hat mein Kollege Ingo hier als „unwürdiges Schauspiel“ kommentiert.
Am Mittwoch kam es zum nächsten Showdown, ähnlich schlimm anzusehen wie die Bürgermeisterwahl in Berlin, inklusive der langen Beratungsunterbrechungen. In Berlin hat es bekanntermaßen am Ende doch noch geklappt. Nicht so in Sachsen-Anhalt. Der Kandidat brauchte 49 Stimmen. Bekommen hat er zuerst 44, dann 47, schließlich 48. Drei Anläufe, jedes Mal gescheitert. Ein Armutszeugnis für die Regierungsparteien CDU, SPD und FDP, die zusammen auf 52 anwesende Abgeordnete kamen. Es ist den Parteien nicht gelungen, ihre eigenen Parteikolleg:innen hinter sich zu versammeln.
Wir haben die gescheiterte Wahl gemeinsam im Büro verfolgt, nicht selten fazialpalmierend. Es war so spannend, dass ich mich richtig geärgert habe, als ich zu einem Termin losmusste. In der S-Bahn habe ich immer wieder auf dem Smartphone nach Neuigkeiten geschaut. Erst nach meinem Termin kam die Nachricht von der geplatzten Wahl. Die Misere hat Ingo zusammengefasst, manche reden schon von einer Regierungskrise.
Das Scheitern kam mit Ansage, der Wahlversuch hätte gar nicht erst stattfinden dürfen. Und selbst wenn es geklappt hätte, das Amt das Datenschutzbeauftragten wäre von den politischen Machtspielen belastet gewesen. Jetzt stellt sich die Frage: Wer will noch Sachsen-Anhalts oberste*r Datenschützer*in werden? Wer will sich nochmal zum Spielball einer himmelschreiend unprofessionellen Koalition machen?
Das nächste Mal wünsche ich mir, dass bei einer derart spannenden Wahl der Datenschutz gewinnt. Am Mittwoch haben dagegen alle verloren, auch das Vertrauen in demokratische Prozesse. Nur die, denen politisches Chaos in die Hände spielt, die können sich freuen.
Ein Wochenende, an dem mehr Dinge klappen, wünscht euch
anna
#271 Off The Record: Die große Datenbroker-Recherche
Diese Recherche hat meinen Kollegen Ingo Dachwitz elektrisiert. Das war mir sofort klar, als er für die Aufnahme in unser Podcast-Studio kam. Seit Jahren recherchiert er zu den Abgründen der Werbeindustrie. Jetzt konnte er ihr so tief wie nie in die Karten schauen. Von Sebastian Meineck –
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Irgendwas mit Internet: Der Schlüssel für Open Source in den Verwaltungen ist das Vergaberecht
Ein Grund für zu wenig Open Source in der Verwaltung ist das Vergaberecht. Es muss auch eine politische Entscheidung sein, welche digitalen Infrastrukturen man betreibt und nutzt. Von Markus Beckedahl –
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Breakpoint: Besessen vom Internet
Ist das Internet schuld daran, dass Menschen anderen Gewalt antun, weil es so einfach ist? Nein, findet unsere Kolumnistin. Die „Gefahren des Internets“ sind Gefahren, die von Menschen ausgehen. Und da müssen wir ansetzen. Von Carla Siepmann –
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Kritik an Fluggastdatenrasterung: KI-Modelle zur Terrorismusabwehr ungeeignet
In einer kürzlich veröffentlichten wissenschaftlichen Forschung kritisiert Jura-Professor Douwe Korff den Einsatz von KI-Modellen zur Terrorismusabwehr im Rahmen der EU-Richtlinie zur Verarbeitung von Fluggastdaten. Mindestens 500.000 Personen würden demnach jedes Jahr zu Unrecht verdächtigt. Von Johannes Gille –
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Datenschutzbeschwerde gegen TeleSign: Firma legt Scoring-Profile der Hälfte aller weltweiten Handynutzer an
Wenn wir uns bei einer Plattform registrieren, werden wir manchmal nach zusätzlichen Verifizierungsmethoden gefragt. Oft liegt dem offenbar ein Risikowert zugrunde, der an unsere Handynummer gekoppelt ist. Die Datenschutzorganisation noyb geht nun gegen ein großes Unternehmen vor, das diese Werte im Geheimen berechnet. Von Anna Biselli –
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Big Tech: Zoff um die Zukunft des Fediverse
Ausgerechnet der Meta-Konzern will in die Welt der offenen und dezentralen sozialen Netze einsteigen. Daran entzündet sich nun ein heftiger Streit im Fediverse. Sollte man sich gegen einen gefährlichen Übernahmeversuch abschotten – oder das als Chance begreifen, um kräftig zu wachsen? Von Markus Reuter –
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Datenschutzbeauftragter von Sachsen-Anhalt: Das unwürdige Schauspiel muss gestoppt werden
In Sachsen-Anhalt spielt sich gerade ein Datenschutzkrimi ab, der zur Posse geworden ist. Jahrelang sind CDU und SPD daran gescheitert, einen neuen Landesdatenschutzbeauftragten zu besetzen. Jetzt soll der Mitarbeiter des FDP-Fraktionsvorsitzenden ins Amt gehievt werden. Doch ein unerbetener Kandidat ficht das intransparente Verfahren an. Ein Kommentar. Von Ingo Dachwitz –
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Polizeigesetz Nordrhein-Westfalen: Fünf weitere Jahre Staatstrojaner
Die Regierung von Nordrhein-Westfalen hat ein Gesetz auf den Weg gebracht, das der Polizei für weitere fünf Jahre den Einsatz von Staatstrojanern und elektronischen Fußfesseln erlauben soll. Bei der Einführung gab es noch massive Kritik von den Grünen, mittlerweile reden sie von einem Kompromiss. Von Johannes Gille –
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Anlasslose Massenüberwachung: Es muss nur ein Wort gestrichen werden, um die britische Chatkontrolle zu entschärfen
Das Überwachungsgesetz Online Safety Bill in Großbritannien steht kurz vor der Verabschiedung. Zivilgesellschaftliche Organisationen und die Tech-Industrie fordern die Regierung gemeinsam auf, das Gesetz so zu ändern, dass verschlüsselte Kommunikation geschützt bleibt. Von Markus Reuter –
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Digitaler Euro: Expert:innen warnen vor Überwachungspotential
Geht es nach der EU-Kommission, ist der digitale Euro künftig eine Alternative zu Kreditkarten und Bargeld. Doch der Vorschlag der EU-Behörde für das neue Zahlungsmittel bedroht die Privatsphäre, warnen Expert:innen. Von Alexander Fanta –
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Abschiebung von Geduldeten: Berlin durchsucht weiter Handys
Handys von ausreisepflichtigen Geflüchteten per Software zu durchsuchen lohnt sich nicht, teilt die Berliner Ausländerbehörde mit. Trotzdem will die Behörde damit weitermachen, in Zukunft wieder per Hand. Von Chris Köver –
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Chatkontrolle: EU-Gesetzgebung einfach erklärt
Am Beispiel der Chatkontrolle kann man ganz praktisch lernen, wie EU-Gesetzgebung vonstatten geht. Elisa Lindinger, Elina Eickstädt und Constanze Kurz erklären, wie ein Gesetz zustande kommt und welche Institutionen dabei mitwirken. Sie sprechen auch über die Beteiligung der Zivilgesellschaft – und über Ashton Kutcher. Von Constanze –
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Gescheiterte Wahl: Stürzt Sachsen-Anhalt wegen Datenschutz in eine Regierungskrise?
Trotz drei Wahlgängen hat der Magdeburger Landtag schon wieder keinen Landesdatenschutzbeauftragten gewählt. Das Amt ist seit Jahren unbesetzt, offenbar ließen erneut CDU-Abgeordnete den Kandidaten der eigenen Koalition durchfallen. Sollte das Bündnis daran zerbrechen, dürfte sich vor allem die AfD freuen. Von Ingo Dachwitz –
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Jurist*innen fordern Reform: Das fehlt im Kampf gegen ungewollte Nacktfotos
Der deutsche Juristinnenbund hat einen Plan gegen bildbasierte Gewalt vorgelegt. Es geht um Menschen, die sich niemals nackt im Netz zeigen wollten. Das Strafrecht sei hierzu „vollkommen unsystematisch und lückenhaft“. Insgesamt 15 Forderungen sollen das ändern. Der Überblick. Von Sebastian Meineck –
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Irland: Datenschutz hinter verschlossenen Türen
In Irland sitzen viele internationale Tech-Unternehmen, die von der dortigen Datenschutzbehörde beaufsichtigt werden. Ein neues Gesetz erlaubt es ihr nun, laufende Verfahren als vertraulich einzustufen, um sie besser von der Öffentlichkeit abzuschirmen. Kritiker:innen werten das als Maulkorberlass. Von Tomas Rudl –
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Politische Werbung: In der EU droht eine weichgespülte Regulierung gegen politisches Targeting
Nach dem Cambridge-Analytica-Skandal will die EU politische Werbung regulieren. Das Gesetz soll Manipulation bei Wahlen verhindern und demokratische Prozesse schützen. Doch zivilgesellschaftliche Organisationen warnen, dass die Verordnung in den Trilog-Verhandlungen verwässert werden könnte. Von Anna-Lena Schmierer –
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Europäischer Gerichtshof: Schlechte Karten für Gegner des Fingerabdrucks im Perso
Vor dem Europäischen Gerichtshof müssen Überwachungsgegner womöglich bald eine Schlappe hinnehmen. Die Generalanwältin hat den Zwang zum Fingerabdruck bei Personalausweisen für zulässig erklärt. Die Stellungnahme gilt als Vorentscheidung für das Urteil. Von Markus Reuter –
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EU-Parlament: Ausschuss will Chatkontrolle an vier Stellen stutzen
Die Verhandlungen zur Chatkontrolle im EU-Parlament haben die nächste Hürde genommen. An vier Stellen möchte der Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz (IMCO) das Gesetz verändern. Zwei große Probleme bleiben. Von Sebastian Meineck –
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Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik: Abhängig von politischen Gnaden
Eigentlich wollten die Ampelparteien das BSI unabhängiger machen. Stattdessen ging es einen Schritt zurück, ganz unbemerkt. BSI-Chefs können künftig leichter geschasst werden. Das ist ein fatales Signal für die IT-Sicherheit und leider nicht überraschend. Ein Kommentar. Von Anna Biselli –
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Meta legt KI-Systeme offen: Ich fühle mich begafft
So genau wie nie verraten Facebook und Instagram nun, wie und wofür sie unsere Klicks überwachen. Die neue Transparenz von Meta beantwortet unser Autor mit Transparenz über seine Gefühle. Ein Kommentar. Von Sebastian Meineck –
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