Montana hat letzte Woche als erster US-Bundesstaat TikTok verboten. Jetzt hat das Unternehmen Klage dagegen eingereicht, das Verbot sei verfassungswidrig. Auch Bürgerrechtler:innen kritisieren, das Verbot verfehle sein erklärtes Ziel.
TikTok hat am Montag Klage gegen das geplante Verbot der App im US-Bundesstaat Montana eingereicht. Das Unternehmen sagt darin, das von Gouverneur Greg Gianforte vergangene Woche unterzeichnete Gesetz verstoße gegen Teile der US-Verfassung. Das Verbot schließe „in verfassungswidriger Weise das Forum für die Meinungsäußerung aller Sprecher:innen in der App“, so das Unternehmen.
Der republikanische Gouverneur Greg Gianforte unterschrieb vergangenen Mittwoch ein Gesetz, das TikTok selbst, aber auch App-Stores von Google und Apple verbietet, die App in Montana anzubieten. In Kraft treten soll das Gesetz ab Januar 2024. Doch schon nach Bekanntwerden der Pläne vergangene Woche gab es viele Gegenstimmen, die das Verbot als Verstoß gegen die Meinungsfreiheit und somit die Grundrechte sehen. Auch ist fraglich, ob die Sperrung einer App in einem einzelnen Bundesstaat technisch überhaupt möglich wäre.
Die App des chinesischen Unternehmens ByteDance steht in den USA derzeit massiv unter Druck. Bereits die Trump-Administration hatte einen ersten Versuch unternommen, TikTok zu verbieten. Mit der Biden-Regierung ringt TikTok derzeit um einen Deal, der es möglich machen soll, die App in den USA weiterzubetreiben. Die Befürworter*innen eines Verbots fürchten, die chinesische Regierung könnte Daten von Nutzer*innen in den USA abgreifen und TikTok nutzen, um pro-chinesische Propaganda zu verbreiten. Seit Dezember ist es Mitarbeitenden der US-Regierung nicht mehr erlaubt, TikTok auf ihren Diensthandys zu nutzen.
Die Diskussion darum, TikTok zu verbieten, laufen in den USA bereits seit mehreren Monaten. Montana hat nun als erster Bundesstaat dieses Vorhaben umgesetzt. Am Mittwoch twitterte Gianforte: „Um die persönlichen und privaten Daten der Bürger von Montana vor der Kommunistischen Partei Chinas zu schützen, habe ich TikTok in Montana verboten.“ Doch Kritiker*innen bezweifeln, dass das Gesetz genau dieses Vorhaben erfüllt. Sowohl aus technischer, als auch aus rechtlicher Sicht gibt es viele offene Fragen.
Verbot ist leicht zum umgehen
Das Gesetz sieht eine Geldstrafe von 10.000 US-Dollar pro Tag für Anbieter vor, die Nutzer*innen den Zugriff auf die App ermöglichen. Nutzer*innen selbst machen sich dagegen nicht strafbar. Google und Apple, die das Gesetz vor allem betrifft, haben sich noch nicht dazu geäußert. Ein Sprecher von TechNet, einer Handelsgruppe, bei der beide Tech-Konzerne Mitglieder sind, kritisierte das Vorgehen jedoch gegenüber NBC Montana. Die Verantwortung müsse bei TikTok selbst liegen.
Fachleute weisen zudem darauf hin, dass eine solche Sperre durch die App-Stores wenig wirkungsvoll sei. Sollten Standortdaten dafür verwendet werden, ließe sich das Verbot mit einem VPN-Dienst umgehen, der Internet-Verbindungen an andere Orte weiterleitet. Auch die Adressen, über die App-Stores abrechnen, können durch eine Kreditkarte ausgetrickst werden. Zudem können Nutzer*innen die App einfach herunterladen, bevor sie verboten wird und weiter nutzen.
Eine andere technische Möglichkeit TikTok zu sperren, wären Internetanbieter. Nachdem ein Sprecher von AT&T bei einer Anhörung im Februar jedoch erklärt habe, dies sei nicht umsetzbar, sei dieser Teil des Gesetzesentwurfs umgeschrieben worden, berichtet Fortune. Das US-Internet sei für solch eine Sperre nicht ausgelegt. Anders als etwa in China werde nicht so restriktiv kontrolliert, welche Seiten Bürger*innen im Netz aufrufen.
ACLU: „Das ist einfach Zensur“
Cindy Cohn von der Electronic Frontier Foundation (EFF) erklärte gegenüber Quartz: „Wenn die chinesische Regierung Daten über Sie und mich haben will, hat sie so viele Orte, an die sie gehen kann. Dafür braucht sie TikTok nicht.“ Aus einer Datenschutzperspektive sei es fehlgeleitet zu denken, das Problem sei dadurch gelöst, TikTok zu verbieten. Sie fordert einen umfassenden Schutz der Privatsphäre im florierenden Datenmarkt. Es gebe keinen Grund, TikTok herauszuheben und alle anderen ungeschoren davonkommen zu lassen.
Auch die Bürgerrechtsorganisation ACLU kritisiert das Verbot scharf. Das Gesetz lege die Grundlage für eine übermäßige staatliche Kontrolle über das Internet. Auf Twitter schrieb ACLU am Freitag: „Das ist ganz einfach Zensur.“
Die Klage von TikTok ist nicht die erste gegen das Verbot. Bereits wenige Stunden nachdem Gianforte das Gesetz unterschrieben hatte, reichten mehrere TikTok-Influencer*innen dagegen Klage ein. Sie argumentieren, dass das Gesetz gegen ihr Recht auf Redefreiheit verstoße. Vielen nehme das Verbot die Einkommensquelle. In Montana gibt es laut TikTok-Sprecher Jamal Brown 200.000 Profile, sowie 6.000 Unternehmen, die die Plattform nutzen.
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