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Irgendwas im Internet: Staatstrojaner im Museum

Das Haus der Geschichte in Bonn präsentiert mit vielen spannenden Exponaten die Wechselausstellung #DeutschlandDigital. So viel Netzpolitik gab es noch nie in einem deutschen Museum.

Staatstrojaner im Haus der Geschichte
Staatstrojaner im Haus der Geschichte

Das Haus der Geschichte in Bonn ist eine Errungenschaft aus der Ära Helmut Kohls – und mein Lieblingsmuseum. Als Jugendlicher lebte ich in Bonn und fand es interessant, dort etwas über die Zeitgeschichte zu erfahren. Die Schule behandelte Geschichte nur bis zum Zweiten Weltkrieg, und klassische Museen kommen meist auch nicht darüber hinaus.

Der Eintritt zum Haus der Geschichte war immer kostenfrei, was ich zu schätzen gelernt habe. Ich hab nie verstanden, warum ausgerechnet im neoliberalen Großbritannien alle staatlichen Museen kostenlos zugänglich sind und hierzulande nur das Haus der Geschichte. (Weitere Ausnahmen bestätigen die Regel.)

Ein Wiedersehen mit dem Staatstrojaner

Während der Ostertage war ich erneut dort. Denn aktuell präsentiert das Haus der Geschichte die Wechselausstellung #DeutschlandDigital. Bereits der Ort markiert eine Zäsur: Denn Ausstellungen über die Digitalisierung gab es in den vergangenen Jahren immer wieder – allerdings vor allem in den wenigen Kommunikationsmuseen des Landes. Jetzt aber gehört die Digitalisierung und damit einige zentrale netzpolitische Fragestellungen ganz offiziell zur bundesdeutschen Zeitgeschichte.

Auf meinem Osterbesuch wollte ich daher auch nicht die Plakate zurückliegender Wahlkämpfe anschauen. Sondern ich wollte den Staatstrojaner wiedersehen. Ich wusste, dass das Haus der Geschichte ihn vor einigen Jahren vom Chaos Computer Club (CCC) erhalten hatte.

Der Staatstrojaner ist aus Pappmasche gefertigt und in Deutschlandfarben bemalt. Anlässlich der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Online-Durchsuchung im Februar 2008 hatte ihn der CCC nach Karlsruhe gebracht und damit ein ikonografisches Symbol für die Debatte geschaffen. Bilder der Aktion finden sich auch in unserem Archiv.

Netzpolitische Exponate

Am Eingang erwartet die Besucher:innen aber zunächst eine bunte Pixelanimation. Auf Wunsch erhält man eine Chipkarte, die im Verlauf der Ausstellung auch spielerische Interaktionen mit den Exponaten erlaubt. Unter anderem gibt es ein Quiz, das die Besucher:innen die Systemklänge von Windows 95 erraten lässt. Man kann Donkey Kong und Tetris spielen oder sich mit einer lebensgroßen Super-Mario-Figur fotografieren lassen. Und auch Eliza, der erste Chatbot der Geschichte, darf nicht fehlen.

Müsste man mal!
Müsste man mal!

Ein Raum widmet sich der Digitalisierung und Automatisierung der Wirtschafts- und Arbeitswelt. Etwas neidisch musste ich feststellen, dass die Baukästen von Fischertechnik mittlerweile Fabrikautomationen im Angebot haben und damit noch cooler sind als in meiner Kindheit. Ein thematisches Best-of der Spiegel-Titelblätter veranschaulicht die wiederkehrenden Debatten und Ängste vor einer robotisierten Arbeitswelt. Und in einer Ecke hängt das erste Exoskelett des deutschen Unternehmens Bionic, um zu veranschaulichen: Robotersysteme können Menschen bei der Arbeit auch unterstützen.

Aber am spannendsten sind aus meiner Sicht natürlich die netzpolitischen Exponate. Verschiedene Objekte deuten bereits die Debatte um die „Künstliche Intelligenz“ an. Das OpenSchufa-Projekt von Algorithmwatch und der Open Knowledge Foundation wird mit kurzen Interviews präsentiert. Ein Nachbau des Terminators symbolisiert die Diskussionen um Kampfroboter. Und auch diskriminierende algorithmische Entscheidungssysteme und die Frage nach richtigen Trainingsdaten werden mit anschaulichen Beispielen einem breiten Publikum erklärt.

„Die Digitalisierung ändert alles“

An anderer Stelle hängt ein Wahlkampfslogan Christian Lindners über einem echten Wahlcomputer aus einer weiteren erfolgreichen Verfassungsbeschwerde: „Die Digitalisierung ändert alles. Wann ändert sich die Politik“ prangt dort magentafarben auf gelbem Hintergrund. Stimmt! Müsste man mal, wer ist nochmal in der Bundesregierung dafür zuständig?

"Hass ist keine Meinung"
„Hass ist keine Meinung“

Die letzten Stationen thematisieren grundlegende Fragen der Demokratie. Es geht um den Umgang mit Falsch- und Desinformation sowie um Hass. Beispiele liefern Cambridge Analytica und HateAid. Aber auch die Chancen der Digitalisierung spielen eine Rolle, etwa wenn es um gesellschaftliche Partizipation geht.

Insgesamt ist #DeutschlandDigital im Haus der Geschichte eine gelungene Ausstellung. Nie zuvor gab es so viel Netzpolitik in einem deutschen Museum zu sehen! Wer will, kann sie bis zum Februar 2024 in Bonn erleben. Im Anschluss zieht #DeutschlandDigital dann als Wanderausstellung durchs Land.

Was mir bei meinem Besuch wieder einfiel: In den Archiven des Hauses der Geschichte lagern auch Demo-Plakate von netzpolitik.org. Das Museum hatte uns vor längerer Zeit gebeten, sie ihnen zu überlassen. Allerdings weiß ich nicht mehr, ob die Plakate damals bei den Acta-Protesten oder bei #Landesverrat zum Einsatz kamen. Vielleicht werden wir es noch herausfinden – in einer der kommenden Wechselausstellungen.


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