Der Anbieter Uberspace hostet die Website von youtube-dl, einer Software zum Herunterladen von Youtube-Videos. Deshalb soll das Mainzer Unternehmen jetzt für Urheberrechtsverletzungen haften, urteilte das Landgericht Hamburg. Uberspace findet: „Für die Meinungsfreiheit im Internet ist das ein schwarzer Tag“.
Der Anbieter Uberspace darf die Website der Open-Source-Software youtube-dl nicht mehr hosten. Das ist ein Teilsieg für die Musikindustrie im Kampf gegen Programme, mit denen Nutzer:innen Youtube-Videos herunterladen können. Das Mainzer Unternehmen Uberspace habe Beihilfe zu Urheberrechtsverletzungen geleistet, entschied am Freitag das Landgericht Hamburg. Rechtskräftig ist das Urteil noch nicht, Uberspace wird vor dem Oberlandesgericht Hamburg in Berufung gehen.
Schon länger ist youtube-dl der Musikindustrie ein Dorn im Auge. Das Programm und sein Quelltext ist auf der zu Microsoft gehörigen Plattform Github verfügbar. Es kann Dateien von diversen Websites herunterladen, unter anderem Youtube. Nach einer DCMA-Anordnung verschwand die Software vor Jahren kurzzeitig, inzwischen ist sie dort wieder online. Hinter DCMA steckt das US-amerikanische Urheberrecht.
In Deutschland gingen die Musiklabels Sony Music, Universal Music und Warner Music gegen den Hoster Uberspace vor. Dieser stellt lediglich die Website des Projekts bereit, der Quelltext und die Software liegen weiterhin bei Github. Dennoch flatterte Uberspace erst eine Abmahnung und schließlich eine Klage ins Haus: Der Anbieter habe dabei mitgeholfen, „wirksame technische Schutzmaßnahmen“ von Youtube zu umgehen, die Downloads unterbinden sollen.
Auch schwacher Kopierschutz ist „wirksam“
Dieser Sicht schließt sich das Gericht nun weitgehend an. Bei der von Youtube eingesetzten rudimentären Verschlüsselungstechnik namens „Rolling Cypher“ handelt es sich laut Gericht um einen wirksamen Kopierschutz, selbst wenn sich der vermeintliche Schutz leicht umgehen lässt. Für die Verbreitung der Software sei Uberspace deshalb als „Teilnehmer im Sinne der Beihilfe“ haftbar, heißt es im Urteil, das der Redaktion vorliegt. Die Veröffentlichung einer geschwärzten Fassung des Urteils auf der Datenbank openjur ist geplant.
Die im Telemediengesetz (TMG) verankerte Haftungsprivilegierung sei mit dem Abmahnschreiben der Klägerseite erloschen, so das Gericht. Spätestens dann habe Uberspace gewusst, dass ein möglicher Rechtsverstoß vorliege und hätte die Website abschalten müssen.
Für Uberspace-Chef Jonas Pasche ist das Urteil „ein Desaster auf vielen Ebenen“. Zum einen sei enttäuschend, dass das Gericht trotz aller Gegenargumente die Rolling Cipher von Youtube als wirksamen Kopierschutz betrachte. Zum anderen ärgert sich Pasche darüber, dass er sich nicht auf das TMG berufen kann. Er sei Hoster und eben gerade kein Jurist. Dennoch solle er beurteilen, ob nach einem solchen Hinweis eine Rechtsverletzung vorliege oder nicht.
Hosting-Provider könnten Chilling Effect spüren
Selbst unter Jurist:innen ist umstritten, ob Youtube mit der Rolling Cypher einen wirksamen Kopierschutz einsetzt. Bezahlinhalte versieht Youtube mit einer weitaus effektiveren DRM-Verschlüsselung. Umstritten ist deshalb auch, ob das Herunterladen von Youtube-Videos illegal ist, zumal es ein Recht auf Privatkopien gibt.
Das hätte aus Sicht von Uberspace mehr als genug belegen müssen, dass „eben keine offensichtliche Rechtsverletzung vorliegt, sondern eben vielleicht nur eine mögliche Rechtsverletzung, und bei der sind wir nicht zu einer Sperrung verpflichtet“, erklärt Pasche. Allerdings hatte das LG Hamburg schon 2017 in einem Eilverfahren entschieden, dass es sich bei der Rolling Cipher um eine „wirksame technische Maßnahme“ handelt.
Das aktuelle Urteil könnte deshalb einen sogenannten Chilling Effect bei Hosting-Anbietern auslösen, ahnt Pasche: „Jeder Hoster, der wegen irgendwas eine Abmahnung bekommt, sollte dann lieber sicherheitshalber schon mal den Kunden loswerden, wenn er ansonsten befürchten muss, auch dann, wenn die Rechtswidrigkeit gar nicht offensichtlich ist, als Mit-Täter in Haftung genommen zu werden.“
Ähnliches befürchtet auch Joschka Selinger. Der Jurist aus der Gesellschafft für Freiheitsrechte (GFF) ist Teil des Anwaltteams, die GFF unterstützt Uberspace bei dem Verfahren. „Es geht hier nicht darum, dass Uberspace eine rechtswidrige Datei hostet, Uberspace muss eine gesamte Webseite löschen, weil sie Links zu eine Software enthält, mit der Dritte Videos von Youtube herunterladen, aber auch 1.000 andere Dinge tun können“, so Selinger zu netzpolitik.org.
Vielseitige Software
Tatsächlich unterstützt youtube-dl das Herunterladen von unzähligen Websites, zudem wird die Software laut Selinger von Beratungsorganisationen wie HateAid, Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International und von Journalist:innen eingesetzt – nicht, um im rechtlichen Graubereich Musik herunterzuladen, sondern um Recherchen voranzutreiben und Quellen zu sichern.
Darauf geht auch das Urteil am Rande ein, weist allerdings darauf hin, dass eine Beweissicherung „auch auf andere Weise – zum Beispiel mittels Abfilmen eines Bildschirms, auf dem der Videostream angezeigt wird – möglich“ ist. Augenscheinlich zählt diese Methode nicht als Umgehung eines Kopierschutzes, obwohl sie die Rolling Cypher aushebelt. Selinger spricht deshalb von einer „rechtlich wenig überzeugenden Entscheidung“ und will nicht so weit gehen, das Urteil als einen „bedeutsamen Präzedenzfall“ zur Reichweite des Providerprivilegs zu bewerten.
Musikindustrie will weltweites Vorgehen fortsetzen
Die Industrie sieht sich in ihrer Sicht bestätigt. Das Urteil unterstreiche, dass das Hosten von Stream-Ripping-Software dieser Art illegal sei, heißt es in einer gemeinsamen Pressemitteilung des Bundesverbands der Musikindustrie (BVMI) und seines internationalen Dachverbands IFPI. „Wir arbeiten weiterhin weltweit daran, das Problem des Stream-Rippings anzugehen, das denjenigen Einnahmen entzieht, die in Musik investieren und sie schaffen“, so IFPI-Chef Frances Moore.
Hingegen ist für Uberspace-Chef Pasche klar: „Für die Meinungsfreiheit im Internet ist das ein schwarzer Tag“. Sollte das Urteil auch von weiteren Instanzen bestätigt werden, brauche es dann „nurmehr ein paar kräftige anwaltliche Drohgebährden, um Hoster dazu zu motivieren, Dinge loszuwerden, die möglicherweise überhaupt gar keine Rechtsverletzung darstellen.“
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