Die Bundespolizei verweigerte im Februar dem Vorsitzenden eines antifaschistischen Verbandes die Ausreise zu einer Demo nach Bulgarien. Auf eine schriftliche parlamentarische Frage zu dem Vorfall antwortet das Innenministerium ausgesprochen schmallippig.
Am 24. Februar verweigerte die Bundespolizei dem Vorsitzenden der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA), Florian Gutsche, am Flughafen in Berlin die Ausreise nach Bulgarien. Dort wollte der 34-jährige an einer Demo gegen einen Nazi-Aufmarsch teilnehmen. Stattdessen erwartete ihn am Flughafen ein Zivilpolizist, später durchsuchten und befragten Gutsche Beamte und erteilten ihm ein sechstägiges Reiseverbot – nicht nur nach Bulgarien.
Nach Informationen des VVN-BdA wurde die Verfügung damit begründet, dass damit zu rechnen sei, dass Gutsche „das Ansehen der Bundesrepublik Deutschland im Ausland erheblich schädigen“ würde. Indizien sah die Polizei in „mitgeführter Kleidung und Utensilien, die klar dem linken Phänomenbereich zuzuordnen sind“. Laut Pressemitteilung des VVN-BdA waren diese Gegenstände ein schwarzer Pulli, eine schwarze Jacke, eine Fahne und eine Broschüre der Organisation. Auf dieser Grundlage unterstellte die Polizei Gutsche eine mögliche Teilnahme an gewalttätigen Protesten. Gutsche selbst sagt der taz, dass er nie für irgendetwas verurteilt wurde in seinem Leben.
Wurden PNR-Daten genutzt?
Fraglich ist, wie die Polizei überhaupt dazu kam, dass sie Gutsches Reise auf dem Radar hatte. Denkbar ist, dass Gutsche – ohne Verurteilung – in einer Datei für politisch motivierte Gewalttäter gelandet ist und seine Reise mittels der Vorratsdatenspeicherung von Flugdaten (PNR) den Behörden bekannt wurde. Die Bundespolizei hat auf Presseanfragen von taz und nd bislang nicht geantwortet.
Im Jahr 2020 hat das Bundespolizeipräsidium 25.280 Personendaten aus der Fluggastdatenspeicherung vom Bundeskriminalamt (BKA) mit einer Aufforderung für sogenannte Folgemaßnahmen erhalten. Diese Maßnahmen sind hoch umstritten: Das Verwaltungsgericht Wiesbaden hatte die Fluggastdatenspeicherung im vergangenen Dezember für rechtswidrig erklärt: Dem BKA fehle eine grundrechtskonforme Rechtsgrundlage. Zuvor hatte schon der Europäische Gerichtshof die Datensammlung moniert.
Zugeknöpfte Antwort
Auf eine schriftliche Frage der linken Bundestagsabgeordneten Martina Renner antwortete das Bundesinnenministerium nur mit einer allgemeinen Antwort zur Rechtsgrundlage (§ 10 Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit § 7 Absatz 1 Nummer 1 des Passgesetzes) und verweigerte sonst jede Auskunft zum Fall Gutsche. In der Antwort heißt es:
Die mit der Fragestellung gewünschten Auskünfte zu etwaigen durch die Bundespolizei bei der Ausreise einer Person festgestellten die vorgenannte Gefahr begründenden Tatsachen berühren das Persönlichkeitsrecht Dritter. Unter Abwägung des parlamentarischen Fragerechts und des damit einhergehenden öffentlichen Informationsinteresses mit dem gleichzeitig hier notwendigen Schutz der Persönlichkeitsrechte des Betroffenen kommt die Bundesregierung vorliegend zu dem Ergebnis, dass diesbezügliche Auskünfte nicht und – wegen des höchstpersönlichen Charakters der angefragten Daten – auch nicht eingestuft übermittelt werden können. Ob und inwieweit eine Auskunft an den Betroffenen möglich ist, obliegt auf dessen Anfrage der Entscheidung der zuständigen Sicherheitsbehörde im konkreten Einzelfall.
Weiter heißt es: Die Bundespolizei prüfe bei allen Personen, d. h. auch aus allen Phänomenbereichen der Politisch Motivierten Kriminalität, soweit diese bei der Ausreise angetroffen werden, ob einzelfallspezifisch gefahrenbegründende Erkenntnisse vorliegen, die in der Gesamtbetrachtung unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Rechtsgüterabwägung Ausreiseuntersagungen an der Grenze erforderlich machen würden.
Gutsche selbst erwägt laut dem nd eine Klage gegen das Ausreiseverbot.
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