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Ende der kostenlosen API: Musk zerstört, was Twitter groß gemacht hat

Twitter geht einmal mehr rücksichtslos gegen die eigene Community vor, indem es seine kostenlose Schnittstelle abschaltet. Der Schritt gefährdet nicht nur zahlreiche Non-Profit-Projekte, sondern potentiell auch Wissenschaft und Journalismus. Ein Kommentar.

Mauer mit Stacheldraht.
Twitter schließt mit dem Ende der kostenlosen Schnittstelle die Community aus. (Symbolbild) – Alle Rechte vorbehalten IMAGO / agefotostock

Twitter schaltet mit nur einer Woche Vorlauf seine kostenlose Schnittstelle (API) ab. Das Unternehmen führt sich damit einmal mehr wie der sprichwörtliche Elefant im Porzellanladen auf. Denn mit seiner Entscheidung zerstört Twitter vermutlich Tausende Freizeit- und Non-Profit-Projekte, die auf die kostenlose Schnittstelle angewiesen sind. Doch unter Elon Musk betrachtet man derlei Folgen offenbar mit Achselzucken. Wenn überhaupt.

Der Schritt erfolgt nur kurze Zeit, nachdem Twitter überraschend Third-Party-Apps abschaltete und damit nicht nur die Community, sondern auch zahlreiche Entwickler:innen vor den Kopf stieß. Zugleich zieht Twitter mit der heutigen Entscheidung die Mauer des darbenden Walled Garden noch ein Stückchen höher – und spickt diese auch noch mit Stacheldraht.

Dabei ignoriert Twitter die eigene Geschichte: Die Plattform wurde letztlich nur so erfolgreich, weil sie mit ihrer Schnittstelle die Kraft der Community und deren Projekte nutzte. Die offene Schnittstelle ermöglichte es den Nutzer:innen, zu basteln, auszuprobieren, auszuwerten und vieles mehr. Auf diese Weise entstand ein Ökosystem, von dem nicht zuletzt Twitter selbst am meisten profitierte. Die neue Regelung verhindert es nun sogar, kostenlose Twitter-Walls auf Konferenzen anzubieten. Erste Nutzer:innen frotzeln bereits, dass das Unternehmen demnächst für jeden einzelnen Tweet einen Dollar verlangen könnte.

Rücksichtslos und unkalkulierbar

Mindestens ebenso fatal wie die unternehmerischen Entscheidungen ist die unkalkulierbare wie rücksichtslose Kommunikation des Unternehmens. Denn die Betreiber:innen von schnittstellenabhängigen Projekten bekommen die Entscheidungen nicht nur unvermittelt vor den Latz geknallt. Sondern es ist obendrein vollkommen unklar, wie das kostenpflichtige Angebot künftig aussehen wird – und damit, welche Überlebenschancen die betroffenen Projekte noch haben. Bei Twitter herrscht also weiterhin Chaos. Und statt das Ganze strukturiert und planvoll anzugehen, haut Twitter lieber mit der Elon-Faust auf den Tisch. Ohne Rücksicht auf Verluste.

Auch Wissenschaftler:innen bleiben im Unklaren darüber, ob akademisch genutzte Schnittstellen von dem harten Schnitt betroffen sind. In Mitleidenschaft gezogen wären dann nicht nur langjährige wissenschaftliche Rechercheprojekte zu Desinformation und politischer Kommunikation, sondern auch diverse Datenrecherchen im journalistischen Bereich. Auch sie müssten dann in Zukunft Gebühren zahlen – oder ebenfalls von der Bildfläche verschwinden.

Gegenmodell Fediverse

Wenn sich am Ende aber nur noch große Unternehmen den Zugang zur kostenpflichtigen Schnittstelle leisten können, entsteht ein Ungleichgewicht. Dann werden die Daten, die darüber abgerufen werden, vor allem aus wirtschaftlichem Interesse ausgewertet. Nicht zuletzt die Zivilgesellschaft würde hingegen in die Röhre schauen.

Doch es gibt einen Hoffnungsschimmer: Denn während Twitter die Seile durchtrennt, floriert gleichzeitig eine Idee, die sich geradezu durch Offenheit auszeichnet: das Fediverse. Es ist nur zu hoffen, dass Mastodon & Co. durch die jüngste Entscheidung aus dem Hause Musk noch weiter als in den vergangenen Monaten wachsen werden. Mastodon muss aber mehr werden als nur ein Wohnzimmer mit netten Leuten, es sollte auf lange Sicht Twitter als globales, effektives und politisches Informations- und Nachrichtennetzwerk ablösen. Erst dann kann auch ich endlich guten Gewissens laut tröten: „Geh sterben, Twitter!“


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