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Cookie-Banner: Der neue Pur-ismus

Viele Websites bieten mittlerweile Pur-Abos an, die trackingfreies Surfen gegen einen Monatsbeitrag versprechen. Manche sehen darin einen Ausweg aus Datenschutzproblemen, für andere ist der teure Rückkauf von Freiheit keine echte Alternative.

Zeitungen hängen an einer Wand, darüber das Banner "Jetzt werbefrei lesen!"
Printzeitungen enthalten zwar Werbung, aber sind dafür Tracking-frei. Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com Juliana Malta, Bearbeitung: netzpolitik.org

Cookie-Banner stellen uns immer häufiger vor die Wahl: Allen Cookies zustimmen oder ein Pur-Abo kaufen. Das Modell „Zahlen für die Tracking-Freiheit“ findet sich mittlerweile auf vielen Websites aus Deutschland. Das haben wir festgestellt, als wir nach unserer großen Recherche zu Cookie-Bannern aus dem letzten Jahr kürzlich erneut die 100 reichweitenstärksten deutschen Websites durchgegangen sind. Schon im September 2022 setzten 27 von 100 auf Pur-Abos oder ähnliche Modelle, seitdem sind mehr als zehn weitere dazugekommen.

Bis zu fünf Euro für Tracking-Freiheit pro Seite

Beim Pur-Abo zahlen Nutzende monatlich einen Betrag – in der Regel bis zu fünf Euro – und können die Angebote trackingfrei und meist mit stark reduzierten Werbeeinblendungen nutzen. Ein Zugang zu Artikeln hinter einer Paywall ist dabei in der Regel nicht enthalten, das kostet extra. Die Nutzenden werden also vor die Wahl gestellt: Allem Tracking zustimmen und mit den eigenen Daten bezahlen – oder direkt mit Geld. Ist das für Nutzende das Ende des Dauertrackings? Und für Seitenbetreiber der Ausweg aus Datenschutzproblemen?

Für diejenigen, die auf ihrer Website mit Targeted Advertising Geld verdienen wollen, wird die Luft zunehmend dünner. Spätestens seit einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs, das der Verbraucherzentrale Bundesverband erstritten hatte, ist klar: Die lange Zeit vorherrschenden vorausgefüllten Cookie-Banner ohne echte Auswahlmöglichkeit sind illegal, Tracking für Werbezwecke ist nach der Datenschutzgrundverordnung nur mit wirksamer Einwilligung erlaubt. Auch Tricks bei der Gestaltung der Cookie-Banner geraten langsam ins Visier der Aufsichtsbehörden. Doch wenn man Nutzenden wirklich die Wahl lässt, entscheiden sie sich oft für die Variante ohne Tracking.

Wann genau Pur-Abos eine datenschutzrechtlich saubere Alternative sind, lässt sich pauschal nicht beantworten. Aus der Landesdatenschutzbehörde Niedersachsen heißt es: Es sei grundsätzlich „denkbar“, dass Nutzer:innen sich zwischen einer Einwilligung zum Tracking und einem Bezahlmodell ohne Tracking entscheiden können. Es komme jedoch auf die Details an.

„Die Leistung, die Nutzer*innen bei einem Bezahlmodell erhalten, muss eine gleichwertige Alternative zu der Leistung darstellen, die sie durch eine Einwilligung erlangen“, so ein Sprecher der Datenschutzbehörde. Ob eine Bezahlalternative dabei wirklich gleichwertig sei, müsse „im Einzelfall“ beurteilt werden. Auch „inwiefern die Anforderungen an eine wirksame Einwilligung im Einzelfall erfüllt sind“, hänge von der jeweiligen Ausgestaltung im konkreten Fall ab.

Ein zu hoher Preis?

Neben verschiedenen Faktoren spielt dabei auch der Preis eine Rolle. Daher hatte die österreichische Datenschutzorganisation noyb im Sommer 2021 mehrere Beschwerden gegen Seitenanbieter mit Pur-Angeboten eingereicht. Diese seien zu teuer, die Nutzer:innen müssten „Wucherpreise“ zahlen, um trackingfrei zu surfen. Doch wie viel darf ein Pur-Abo kosten?

Über den Wert persönlicher Daten wollte bei unserer vergangenen Recherche keiner der angefragten Seitenbetreiber mit uns reden. So bleibt schwer zu beziffern, was für einen finanziellen Unterschied abgelehnte Cookies machen – und welche Preise als Ausgleich bei den Pur-Abos vielleicht berechtigt wären.

Bei den neu dazugekommenen Pur-Anbietern fällt auf, dass viele nicht auf eine Insellösung setzen, bei denen Nutzende einen Monatsbetrag allein für ihren Dienst zahlen sollen. Sondern sie setzen auf ein Angebot, bei dem Seitenbesucher:innen einmal für mehrere Websites zahlen – den sogenannten Contentpass.

Contentpass ist ein Startup mit Sitz in Brandenburg. Bei der Trackingfreiheits-Flatrate müssen die Nutzerinnen nicht für jede Seite ein einzelnes Abo abschließen. Sie zahlen stattdessen 2,99 Euro im Monat und haben trackingfreien Zugriff auf derzeit etwa 180 Websites – vom Gartenblog bis zum überregionalen Medium. Auch Seiten wie der Tagesspiegel sind seit kurzem dabei.

Das Alternativmodell

2,99 Euro für mehrere Seiten, das ist deutlich weniger als etwa die 4,99 Euro, die allein für ein Spiegel-Pur-Abo anfallen würden. Dirk Freytag erklärt, warum: „Für Nutzende ist es unbezahlbar, 30 verschiedene Pur-Abos für je fünf Euro abzuschließen“, sagt der CEO von Contentpass. Das konterkariere eine datenschutzfreundliche Lösung.

Dieses Problem wolle Contentpass lösen: „Wir haben mit kleinen Seiten angefangen und haben langsam mehr Kunden dazugewonnen.“ Oft kamen die Kund:innen in Schüben, erzählt Freytag. „Wir sind mit einer Seite für Backrezepte live gegangen und plötzlich kamen andere Koch- und Backseiten auf uns zu. Oder ein Gartenjournal fängt mit Contentpass an und eine Woche später sind es zehn.“ Gerade für Seiten, die nicht sowieso schon selbst Zahlungen abwickeln, sei das eine einfache Lösung.

Trotzdem habe Contentpass lange gebraucht, „um richtig in den Markt zu kommen“. Das hänge auch damit zusammen, dass die Seitenbetreiber:innen ihre Einstellung zum Datensammeln ändern mussten, sagt Freytag. Jahrelang habe man darauf gesetzt, möglichst viele Daten über die Besucher:innen zu horten – egal, ob man direkt wusste, was man damit machen soll.

Bei Contentpass-Nutzenden erfahren die Seitenbetreiber, wie oft eine Seite aufgerufen wurde – und bekommen dementsprechend viel Geld. Freytag sagt, die 2,99 Euro pro Monat und Nutzer werden unter den Seitenbetreibern aufgeteilt. Je nachdem, wie viel Geld ihnen ohne das Tracking durch die Lappen gegangen sei. „Wir fragen die Seitenbetreiber, was sie pro Aufruf verdienen. Dann messen wir die Aufrufe von Contentpass-Nutzern und die Seiten bekommen die entsprechenden Beträge als Gutschrift.“ Was eine Seite pro Aufruf verdient, sei sehr unterschiedlich. Es ginge dabei laut Freytag um einen bis zu 20 Cent.

Der Preis ist nicht alles

Die Datenschutzorganisation noyb nennt die Pur-Abos lieber „pay-or-ok“. Die Organisation hat selbst keine externen Zahlen, wie viel getrackte Nutzer wert sind. „Laut unseren Schätzungen zu den Medien, gegen die wir in Deutschland eine Beschwerde eingereicht haben, sind die personalisierten Werbeeinnahmen nicht höher als 3 Euro pro Leser:in pro Jahr“, schreibt Felix Mikolasch von noyb. „In den Beschwerden vertreten wir, dass die Preise für die Pur-Abos extrem überteuert sind im Vergleich zum Profit durch Datenweitergabe. Allerdings bleibt ‚pay-or-ok‘ auch mit einem tieferen Preis fragwürdig.“ Das heißt, ein angemessener Preis allein reicht nicht.

Das erklärt Mikolasch so: „Die Einwilligung ist wesentlich einfacher als das Ablehnen (also der Abschluss des Abos), es ist unklar, zu was konkret eingewilligt wird und auch das Zurückkaufen der eigenen Freiheit in Form eines Abos stellt an sich einen Nachteil dar. Überspitzt gesagt ist ‚pay-or-ok‘ wie ein Hotel, in dem du zusätzlich zahlen musst, um die Überwachungskamera in deinem Zimmer auszuschalten.“ Ob die Datenschutzbehörden das genauso sehen, steht aus. Eine Entscheidung zu den Beschwerden von noyb gibt es noch nicht.

Dass es auch andere Finanzierungsmodelle als Tracking-basierte Werbung geben kann, zeigte 2020 der Niederländische Rundfunk. Er stellte auf inhaltsbezogene statt personenbezogene Werbung um. Die Besucher:innen der Seite bekamen also Einblendungen zu sehen, die zum Thema der entsprechenden Inhalte passen. Daraufhin stiegen die Werbeeinnahmen des Senders sogar.


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