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Quick Freeze: Buschmann legt Alternative zur Vorratsdatenspeicherung vor

Bundesjustizminister Marco Buschmann hat einen Entwurf für das sogenannte Quick-Freeze-Verfahren vorgelegt. Das neue Verfahren soll der gescheiterten Vorratsdatenspeicherung nachfolgen. Streit in der Koalition ist damit vorprogrammiert. Wir veröffentlichen den Entwurf im Volltext.

Bundesjustizminister Marco Buschmann in einer eiskalten Umgebung
Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) zieht das Quick-Freeze-Verfahren der Vorratsdatenspeicherung vor – Alle Rechte vorbehalten Foto: IMAGO / photothek / Montage: netzpolitik.org

Marco Buschmann macht ernst: Der Justizminister hat am heutigen Dienstag einen Gesetzentwurf für das sogenannnte Quick-Freeze-Verfahren vorgelegt und in die Ressortabstimmung gegeben. Der Entwurf sieht vor, dass Telekommunikationsanbieter verpflichtet werden können, Verkehrsdaten mit möglichem Bezug zu Straftaten einen Monat lang zu speichern, damit diese von Ermittlungsbehörden genutzt werden können. Wir veröffentlichen den Entwurf im Volltext, zuerst hatten Legal Tribune Online (LTO) und die Deutsche Presse Agentur berichtet.

Das „Einfrieren“ der Daten soll demnach durch eine:n Richter:in angeordnet werden müssen. Strafverfolgungsbehörden hätten dann maximal einen Monat Zeit, um einen weiteren Richterbeschluss zu erwirken, um die eingefrorenen Daten zur Auswertung zu erhalten. Bei der ersten Anordnung soll es dem Bericht zufolge nicht notwendig sein, bereits eine konkret verdächtige Person zu benennen. Stattdessen könne sich die Anordnung auch auf Verbindungsdaten an einem bestimmten Tatort und seine Umgebung beziehen. Vom Gesetz erfasst sind schwere Straftaten, aber auch sämtliche Straftaten, die mittels Telekommunikation begangen wurden.

Bei den einzufrierenden Daten handelt es sich um Informationen wie IP-Adressen, Standortdaten und Metadaten zu Kommunikationsverbindungen, also etwa wer zu welchem Zeitpunkt mit wem telefoniert hat und wo er:sie dabei war. Das Quick-Freeze-Verfahren gilt als Alternative zur anlasslosen Vorratsdatenspeicherung von Kommunikationsdaten, die kürzlich erneut vom Europäischen Gerichtshof für rechtswidrig erklärt wurde. Das Gericht machte deutlich, dass eine anlasslosen Massenspeicherung nicht mit europäischen Grundwerten vereinbar ist, sondern zielgerichtet erfolgen muss.

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Welche Daten?

Unklar ist derzeit noch, wie der Justizminister die Streitfrage der Datenverfügbarkeit beantworten will. Damit das Quick-Freeze-Modell funktionieren kann, müssen Telekommunikationsanbieter entsprechende Daten freiwillig vorhalten. Dies tun sie teilweise aus Abrechnungs- und Sicherheitsgründen ohnehin.

Darauf bezieht sich auch die Gesetzesbegründung: „Mit dieser Regelung wird die Menge der zu speichernden Daten auf das notwendige Maß begrenzt, da nur die bei den Anbietern von Telekommunikationsdiensten aus geschäftlichen Gründen ohnehin bereits vorhandenen und künftig anfallenden Verkehrsdaten gesichert werden dürfen (‚Einfrieren‘).“ Quick-Freeze-Kritiker:innen zweifeln jedoch daran, dass jederzeit genug Daten vorliegen, die im Verdachtsfall eingefroren werden können. Eine neue anlasslose Speicherpflicht aber ist nicht mit den Vorgaben der EuGH und mit dem Koalitionsvertrag der Ampel in Einklang zu bringen.

Dem Entwurf zufolge will das Justizministerium das neue Verfahren in Paragraf 100g der Strafprozessordnung (StPO) verankern, der schon heute die Erhebung von Verkehrsdaten regelt. Die Liste der Straftaten, die das Quick Freeze rechtfertigen, orientieren sich an Paragraf 100a der StPO. Dazu zählen etwa Mord, Landesverrat, Straftaten gegen die Landesverteidigung, aber auch Bandendiebstahl, Raub, Betrug, Urkundenfälschung, Bestechlichkeit, Steuerhinterziehung, Verleitung zur missbräuchlichen Asylantragstellung und jede Menge Drogendelikte.

Der Gesetzentwurf enthält keinen Vorschlag für eine Log-In-Falle. Das Konzept gilt als weitere Teil-Alternative zur Vorratsdatenspeicherung, bei dem mutmaßliche Täter:innen mittels IP-Adresse identifiziert werden sollen, ohne Daten von Unbeteiligten auf Vorrat speichern zu müssen. Das Konzept funktioniert jedoch nur bei Straftaten, die Menschen eingeloggt mit Accounts, etwa bei Social-Media-Plattformen, verüben.

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Streit in der Koalition vorprogrammiert

Es bleibt abzuwarten, wie andere Ministerien und Kabinettsmitglieder auf Buschmanns Vorstoß reagieren werden. Im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP steht klar geschrieben, dass es keine anlasslose Datenspeicherung mehr geben soll. Vielmehr will die Koalition die „Regelungen zur Vorratsdatenspeicherung so ausgestalten …, dass Daten rechtssicher anlassbezogen und durch richterlichen Beschluss gespeichert werden können“. Mit anderen Worten: Die Bundesregierung plant keine anlasslose Speicherung aller Kommunikationsvorgänge mehr.

Allerdings hatte sich bereits vor dem jüngsten EuGH-Urteil ein Koalitionsstreit über eine neue Vorratsdatenspeicherung abgezeichnet. Aus Sicht von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) eröffnet der Luxemburger Richterspruch neue rechtliche Möglichkeiten zur Speicherung von IP-Adressen. Was zulässig sei, müsse die Regierung nun auch umsetzen, so Faeser, um so gegen Gefahren für die nationale Sicherheit oder schwere Straftaten vorzugehen. Faeser legt den Fokus dabei immer wieder auf Ermittlungen wegen sexualisierter Gewalt gegen Kinder.

Justizminister Marco Buschmann hatte hingegen frühzeitig auf ein klares Nein zur anlasslosen Speicherung von Kommunikationsdaten gepocht. Bereits 2014 hatte er gegen die Vorratsdatenspeicherung demonstriert und im vergangenen Dezember angekündigt, die anlasslose Vorratsdatenspeicherung durch eine Quick-Freeze-Lösung ersetzen zu wollen. „Telekommunikationsanbieter sollen bei einem konkreten Anlass auf richterliche Anordnung hin schnell Daten sichern müssen, damit Polizei und Staatsanwaltschaft sie dann auswerten können“, erklärte er damals. Auch die Grünen, Teile der Opposition und Zivilgesellschaft äußerten Kritik an Faesers Plänen.

Jetzt berät die Bundesregierung über den Gesetzentwurf. Innenministerin Faeser dürfte dieser nicht weit genug gehen. Unsere Anfrage hat sie bisher noch nicht beantwortet. Doch die Ampel-Regierung steuert auf den nächsten großen Streit zu.


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