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Breitbandausbau: Ärger um leere Fördertöpfe

Überraschend gab der Bund jüngst bekannt, dass für dieses Jahr Schluss ist mit gefördertem Breitbandausbau. Länder und kommunale Verbände reagieren nun mit einem Brandbrief, den wir im Volltext veröffentlichen.

Volker Wissing, neben ihm das Schreiben der Länder
Infrastrukturminister Volker Wissing steht unter Druck, weil die Breitbandförderung des Bundes bis zum Jahresende auf Eis liegt. – Alle Rechte vorbehalten Bild: IMAGO / Political-Moments / Wikimedia Commons / Montage: netzpolitik.org

Am Wochenende hatten Länder und kommunale Verbände einen Brandbrief an das Bundesministerium für Verkehr und Digitales (BMDV) geschickt. In dem Schreiben, das wir im Volltext veröffentlichen, reagieren sie auf eine Nachricht von vergangener Woche, wonach die Fördertöpfe des Bundes für den Breitbandausbau vorerst erschöpft seien.

Insgesamt hat die Regierung rund 12 Milliarden Euro an Bundesmitteln für den geförderten Ausbau eingeplant. Allerdings ist die Summe auf 3 Milliarden Euro pro Jahr gedeckelt. Kommunen können nun vorerst keine Anträge mehr auf Bundeszuschüsse stellen. Dass die Mittel komplett abgerufen wurden, sei „nichts Ungewöhnliches“ und eine „gute Nachricht“, versucht die parlamentarische Staatssekretärin im BMDV, Daniela Kluckert (FDP), zu beruhigen.

Das sehen die Länder anders, die das Vorgehen des BMDV völlig überrascht hatte. Der aktuelle Förderaufruf sei ohne Vorankündigung aufgehoben worden, heißt es in dem Brief. Zudem fehle eine klare Perspektive für die Abwicklung des bisherigen Förderprogramms sowie eine Zusage für belastbare Mittel für das kommende Jahr.

Unterzeichnet haben das Schreiben Vertreter:innen aller Länder – mit Ausnahme von Nordrhein-Westfalen und Hessen – sowie kommunaler Spitzenverbände. „Alle Beteiligten stehen jetzt plötzlich vor dem Nichts. Das ist ein massiver Vertrauensbruch“, sagte bereits vergangene Woche der bayerische Finanzminister Albert Füracker (CSU).

Streit um Fördermechanismus

Auch sorgen sich die Länder, dass die Potenzialanalyse offenbar wieder im Gespräch ist. Sie war als Alternative zur bisherigen Förderpraxis mit dem Markterkundungsverfahren gedacht: Derzeit reicht es aus, wenn die Kommunen nachweisen, dass in einem bestimmten Gebiet auf absehbare Zeit kein privatwirtschaftlicher Ausbau geplant ist, um staatliche Unterstützung zu erhalten. Eine Potenzialanalyse würde hingegen bewerten, ob Gebiete die Aussicht auf einen marktgetriebenen Ausbau haben. Dadurch könnten viele unterversorgte Gebiete aus der Förderfähigkeit herausfallen, obwohl es für sie tatsächlich keine Ausbaugarantie gibt, fürchten die Kommunen.

Wäre es nach Infrastrukturminister Volker Wissing (FDP) und der Industrie gegangen, dann hätte es die sogenannte Potenzialanalyse verbindlich in die Gigabitstrategie der Bundesregierung geschafft. Das aber haben Länder und kommunale Verbände verhindert. Nun fürchten sie, dass das umstrittene Instrument „durch die Hintertür wieder eingeführt“ werde, heißt es in einem Brief an das BMDV.

Eine derartige Priorisierung sei „aus guten Gründen in langen Gesprächen zwischen allen Beteiligten bereits ausgeschlossen“ worden, schreiben die Länder. Aus ihrer Sicht wäre sie „nicht sachgerecht und würde eine bürokratische Verkomplizierung mit sich bringen, die in der konkreten technischen Umsetzung unmöglich ist“. In der Gigabitstrategie ist die Potenzialanalyse zwar enthalten, soll jedoch unverbindlich bleiben und lediglich als Hinweisfunktion dienen.

Im Kern geht es in diesem Streit darum, wie sich Fördermittel besonders effektiv verteilen lassen, um eine flächendeckende Versorgung mit moderner digitaler Infrastruktur zu erreichen. Der Konflikt hat sich nun verschärft, weil die sogenannten Aufgreifschwellen nach und nach wegfallen und deshalb immer mehr Gebiete förderfähig werden. In der Vergangenheit erhielten nur Regionen staatliche Unterstützung, die mit weniger als 30 MBit/s versorgt sind. Seit dem Vorjahr sind auch solche mit einer Versorgung von bis zu 100 MBit/s hinzugekommen. Im kommenden Jahr fällt dann auch diese Schwelle.

Planungssicherheit gefährdet

Die Industrie sieht sich in ihren Warnungen vor einem „Förder-Tsunami“ bestätigt. „Die Vielzahl der eingegangen Förderanträge und der dadurch notwendige Förderstopp zeigen, dass die von den Ländern angekündigte ’natürliche Priorisierung‘ förderfähiger Gebiete nicht funktioniert“, heißt es etwa in einer Pressemitteilung des Bundesverbandes Breitbandkommunikation (Breko).

Mit dem bisherigen Markterkundungsverfahren ist die Branche schon allein deshalb unzufrieden, weil sie rasch auf Anfragen von Kommunen reagieren muss, ob sie im jeweiligen Gebiet bald auszubauen gedenkt oder nicht. Mit dem Aufwand haben vor allem kleinere Netzbetreiber zu kämpfen. Laut Breko brauche es nun „klare Regeln und eine wirksame Priorisierung“, die die Förderung besonders benachteiligter Gebiete sichern soll.

Auf eine klare Perspektive, wie es nun weitergehen soll, pochen auch die Länder. Sie fordern den Bund in dem Schreiben auf, „ausreichende und ggf. mehr als die derzeit geplanten Mittel“ bereitzustellen. Entsprechende Angaben würden die Länder nicht zuletzt für die Absicherung ihrer Kofinanzierungsanteile in den jeweiligen Haushaltsplanungen benötigen. Und auch die Kommunen bräuchten Planungssicherheit. Andernfalls drohe unmittelbar mit Beginn der neuen Förderung erst recht ein „Windhundrennen“ um die verfügbaren Fördermittel.

Insbesondere brauche es aber unverzüglich einen Entwurf einer neuen Förderrichtlinie, die zu Jahresbeginn in Kraft treten soll. Sollte das neue Förderprogramm nicht wie geplant starten können, „würden damit nicht nur Vertrauen in die Verlässlichkeit von Ankündigungen des Bundes nachhaltig erschüttert, sondern auch das Erreichen des Ausbauziels insgesamt in Frage gestellt“.


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