Ticker

6/recent/ticker-posts

Ad Code

Responsive Advertisement

Europäischer Gerichtshof: Vorratsdatenspeicherung bleibt rechtswidrig

Eine anlasslose Vorratsdatenspeicherung von Verbindungsdaten der Kommunikation ist grundsätzlich illegal. Erlaubt ist laut Europäischem Gerichtshof, anlassbezogen Daten gezielt zu speichern.

Im Vordergrund die Tafel des Europäischen Gerichtshofs, im Hintergrund als Himmel ein Bild von Servern
Der EuGH hat heute zur Vorratsdatenspeicherung entschieden. – Alle Rechte vorbehalten Gebäude: IMAGO / Patrick Scheiber | Hintergrund: Massimo Botturi | Bearbeitung: netzpolitik.org

Zum wiederholten Male kippt der Europäische Gerichtshof (EuGH) die Vorratsdatenspeicherung, diesmal die nationalen Regelungen aus Deutschland. „Mit seinem Urteil von heute bestätigt der Gerichtshof seine bisherige Rechtsprechung“, heißt es in der Pressemitteilung des Gerichts. Nationale Vorschriften sind nicht mit dem Unionsrecht vereinbar, wenn sie „präventiv zur Bekämpfung schwerer Kriminalität und zur Verhütung schwerer Bedrohungen der öffentlichen Sicherheit eine allgemeine und unterschiedslose Vorratsspeicherung von Verkehrs- und Standortdaten vorsehen“. Grundsätzlich ist also eine anlasslose Vorratsdatenspeicherung nicht zulässig.

Überraschend kommt das Urteil der Richter in Luxemburg nicht. Der EuGH hatte in früheren Verfahren zu nationalen Speicherregeln, etwa in Frankreich und Schweden, immer wieder klargemacht: Eine allgemeine und unterschiedslose Speicherpflicht aller Verkehrs- und Standortdaten ist nicht mit dem Recht der EU vereinbar. In den Schlussanträgen des Generalanwalts zum deutschen Fall wies dieser darauf hin, dass die Debatte eigentlich längst geklärt scheint.

Die Entscheidung des EuGH bezieht sich auf Klagen der Provider SpaceNet und Deutsche Telekom gegen die Speicherpflicht aus dem Jahr 2015. Nach einem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Münster aus dem Jahr 2017 war sie zwar faktisch ausgesetzt, eine endgültige gerichtliche Entscheidung stand jedoch aus. Das Bundesverwaltungsgericht legte die Fälle dann 2019 dem EuGH vor.

„Sechs Jahre nach Beginn des Verfahrens kann der EuGH endlich Rechtssicherheit im Umgang mit der Speicherung von Daten schaffen“, sagte SpaceNet-Gründer und -Vorstand Sebastian von Bomhard im Vorfeld des Urteils. Statt der Vorratsdatenspeicherung, so fordert er, „müssen geeignetere Methoden zu Prävention und Verfolgung von Straftaten gefunden werden“. Dieser Streit dürfe nicht „auf dem Rücken von Internetnutzern“ ausgetragen werden.

Die letzte Schlacht

Daten einfrieren statt auf Vorrat sammeln

Der EuGH beschreibt in seiner Pressemitteilung Kriterien für eine mögliche Neuregelung. Eine „allgemeine und unterschiedslose Vorratsspeicherung der IP-Adressen“ sei möglich, wenn der Zeitraum auf das Notwendigste eingegrenzt sei. Allgemein und unterschiedslos dürften Daten nur gesammelt werden, wenn sich das betreffende Land einer „real und aktuell oder vorhersehbar einzustufenden ernsten Bedrohung für die nationale Sicherheit gegenübersieht“. Der Zeitraum für einen solchen Zustand müsse beschränkt sein. Außerdem, so macht der EuGH klar, ist eine Quick-Freeze-Lösung möglich.

Für das Quick-Freeze-Verfahren mit Richter:innenvorbehalt setzt sich auch Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) ein. Das Verfahren sieht vor, dass Telekommunikationsanbieter:innen auf richterliche Anordnung Daten für einen bestimmten Zeitraum speichern müssen. Ermittlungsbehörden können diese dann mit einer weiteren richterlichen Bestätigung anfordern. Dieses Verfahren hat der EuGH in den vergangenen Jahren als rechtmäßig beurteilt. Eine ähnliche Regelung hatte im Jahr 2010 schon die frühere Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) vorgeschlagen.

Jetzt werbefreien Journalismus unterstützen.

Deine Spende ermöglicht unsere Arbeit.

Jetzt spenden

Außerdem erwägt die Ampel-Koalition die sogenannte Login-Falle. Sie sieht auf eine laut Koalitionsvertrag „grundrechtsschonende“ Weise vor, dass beispielsweise Betreiber:innen sozialer Netzwerke nach einem Anfangsverdacht auf Anfrage von Strafverfolgungsbehörden aktuelle IP-Adressen übermitteln, um pseudonyme Nutzer:innen identifizieren zu können: Buchen sich mutmaßliche Täter:innen unter Pseudonym auf einer Plattform ein, schnappt die Falle zu und ihre IP-Adresse wird in Echtzeit erfasst. Das ursprüngliche Konzept für die Login-Falle stammt vom netzpolitischen Verein D64, der der SPD nahesteht.

Es liegt nun an der Ampel-Regierung und allen voran am Justizministerium, nicht das Äußerste der möglichen Spielräume auszuschöpfen und zu ihrem Versprechen aus dem Koalitionsvertrag zu stehen, Daten ausschließlich anlassbezogen zu speichern.


Die Arbeit von netzpolitik.org finanziert sich zu fast 100% aus den Spenden unserer Leser:innen.
Werde Teil dieser einzigartigen Community und unterstütze auch Du unseren gemeinwohlorientierten, werbe- und trackingfreien Journalismus jetzt mit einer Spende.

Enregistrer un commentaire

0 Commentaires