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Irgendwas mit Internet: Der Journalismus der Zukunft

Ich habe bei der Besser-Online-Konferenz des Deutschen Journalistenverbandes über die Zukunft des Journalismus gesprochen. Wie kann moderner Journalismus aussehen und was braucht er unter heutigen Bedingungen? Ein paar Thesen.

CC-BY-NC 4.0 AbsolutVision / Montage: netzpolitik.org

Am Samstag habe ich die Besser-Online-Konferenz des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV) mit einer Keynote eröffnet. Ich habe dabei das Thema „Die Krise als Chance! Was braucht der Online-Journalismus der Zukunft?“ genutzt, um neben einer kleinen Bestandsaufnahme auch einige netzpolitische Themen mit in die Debatte zu bringen. Aus der Keynote mit ihren Thesen ist dann diese kleine schriftliche Zusammenfassung entstanden.

Der Journalismus der Zukunft…

…bringt vielfältige Organisationsformen.

Ob 1-Frau-Podcast, Mailingliste, Slack-Kanal, Facebook-Gruppe, Verein, gGmbH, AG oder Reddit-Forum. Ob agil, top-down, lokal, global, spontan oder langfristig. Nie war es einfacher, Journalismus zu machen.

…ist vielfältig in der Vermittlung.

Ob Datenjournalismus, Podcasts, Twitch-Kanäle, Twitter, Newsletter, Animationen oder Zeitungen. Nie hatten wir mehr unterschiedliche Möglichkeiten, Geschichten zu erzählen und Fakten und Meinungen zu vermitteln. Wir sind dabei nicht mehr auf ein Ausliefermedium beschränkt. Und ständig kommen neue hinzu.

…braucht Unabhängigkeit von Plattformen.

Es gibt viele Plattformen, welche die notwendige Infrastruktur für Journalistinnen und Kreative anbieten, so dass man sich weitgehend auf das Schaffen von Inhalten konzentrieren kann. Das kann Unabhängigkeit bringen, aber auch zu neuen Abhängigkeiten führen. Plattformen wie Substack, Patreon, Twitch, Youtube und Co. bieten die Möglichkeit, in eine direkte Kommunikation mit Abonnent:innen zu gehen. Sie unterstützen den Vertrieb und wickeln Zahlungen ab. Problem ist bei den US-Plattformen der mangelnde Datenschutz: Im Zweifelsfall sind unsere Daten dort vogelfrei.

Häufig ändern sich die Regeln und zwar technischer und rechtlicher Art. Leider oft einseitig zu unseren Ungunsten. Da kann eine Algorithmusänderung schnell dazu führen, dass über Nacht die lange erstellte und finanzierte Verbreitungsstrategie kaputt ist.

Manche Plattformen bieten die Möglichkeit, bei einem Wechsel wenigstens die Kontaktdaten der eigenen Community mitzunehmen. Aber spätestens bei den Finanzen muss man immer neu anfangen. Hoffnung bieten neue Open-Source-Projekte wie BeaBee, das eine Plattform für Community-Journalismus schaffen will. Hier können Nutzer:innenverwaltung und Bezahlung in der eigenen Hand liegen.

…sollte sich von einem kaputten Werbesystem verabschieden.

Das aktuelle Online-Werbe-Ökosystem mit seinem intransparenten Tracking ist kaputt: Alle haben die Kontrolle verloren. Niemand kann bei den großen Werbe-getriebenen Webseiten noch genau sagen, welche Daten über Interessen und Nutzungsgewohnheiten der Leser:innen wohin überall abfließen und verkauft werden.

Und hier haben wir selbstverständlich eine Herausforderung: Viele aktuelle journalistische Geschäftsmodelle basieren auf diesem Tracking-Ökosystem. Sie nehmen das in Kauf, ob gewollt oder nicht, dass das eigene Publikum gläsern wird. Das Modell finanziert zu Teilen Journalismus, der damit auch gesellschaftlich wertvolle Arbeit liefert, die sonst so vielleicht nicht ermöglicht werden könnte.

Aber die Frage ist doch: Sollte nicht der Journalismus der Zukunft die Grundrechte des eigenen Publikums respektieren und schützen?! Wir brauchen deswegen neue Wege aus der Abhängigkeit dieses intransparenten Werbe-Ökosystems heraus.

…braucht Pressefreiheit – und setzt sich gegen Überwachung ein.

Viele Überwachungsmaßnahmen gefährden die Pressefreiheit, beispielsweise durch eine Aushebelung des Quellenschutzes beim staatlichen Zugriff auf Verbindungsdaten im Rahmen der Vorratsdatenspeicherung. Oder durch die drohende Chatkontrolle. Mit der soll zur Bekämpfung von sexualisierter Gewalt gegen Kinder automatisiert alle unsere verschlüsselte Kommunikation durchleuchtet werden. Das ist brandgefährlich. Alleine die Etablierung eines solchen Mechanismus öffnet Tür und Tor für die Ausweitung. Und morgen besteht dann die abgeglichene Datenbank nicht mehr aus Missbrauchsdarstellungen sondern aus politisch unliebsamen Inhalten.

Oder indem Pegasus-Staatstrojaner gegen zahlreiche Journalist:innen eingesetzt werden. Was leider auch in diversen EU-Staaten praktiziert wurde. Da hilft es auch nicht, wenn die EU-Kommission im Rahmen der Stärkung der Medienfreiheit Staatstrojaner verbieten will – außer bei schweren Straftaten oder Belange der „nationalen Sicherheit“. Polen, Griechenland und Ungarn zeigen aktuell, dass die Überwachung von Journalist:innen genau damit begründet wird.

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Für mich persönlich ist das nicht nur Theorie, vor sieben Jahren waren wir bei netzpolitik.org Opfer von Ermittlungen wegen Landesverrat. Das ist einerseits eine schwere Straftat, andererseits wurden die Ermittlungen mit „nationaler Sicherheit“ begründet. Diese wurden vom ehemaligen Verfassungsschutzpräsidenten und heutigem Rechtsaußen-Verschwörungsideologen Hans-Georg Maaßen auf den Weg gebracht. Sowas kann leider immer noch passieren.

Reformen mit besserem Schutz von Journalist:innen gegen Landesverrat-Ermittlungen und dem Offenbaren von Staatsgeheimnissen waren vom ehemaligen Justizminister Heiko Maas versprochen und scheiterten an der CDU/CSU. Die Union ist jetzt nicht mehr an der Macht – aber wo bleiben die versprochenen Reformen?

…muss gemeinnützig sein können.

Früher war es einfacher. Es gab kommerzielle Medien, den Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk und einige wenige Exoten wie die taz. Heute haben wir teilweise eine Krise der Geschäftsmodelle, in Folge dessen gibt es eine zunehmende Konzentration vor allem auf lokaler Ebene. Häufig funktionieren die bekannten Geschäftsmodelle nicht mehr, weil die Zielgruppen zu klein werden. Gerade auf lokaler Ebene wird es zunehmend schwierig, Betrieb und Recherche zu finanzieren. Auch wenn es viele spannende Neugründungen wie zum Beispiels RUMS aus Münster gibt.

Einige Medien gehen schon erfolgreich den gemeinnützigen Weg. Aber teilweise hat auch das seinen Preis. Correctiv oder Riffreporter müssen über die Bildungs- oder Demokratie-Schiene Workshops machen, anstatt sich auf journalistische Recherchen zu konzentrieren. Finanztip und netzpolitik.org sind wegen Verbraucherschutz gemeinnützig. Bei uns ist das thematisch auch einfach, weil sehr viele Themen Nutzer:innenrechte und damit den Verbraucherschutz betreffen. Aber worauf kann eine kleine Lokalredaktion bei der Gemeinnützigkeit zurückgreifen?

Eine Lösungsmöglichkeit ist, Journalismus in die Gemeinnützigkeitszwecke aufzunehmen. Das ermöglicht eine dritte Säule neben kommerziellen Medien und dem Öffentlich-Rechtlichem System. Es wird niemanden etwas weggenommen, aber mehr Wettbewerb ermöglicht. Gerade da, wo es , wie auf lokaler Ebene häufig keinen Wettbewerb mehr gibt, weil die Geschäftsmodelle nicht mehr funktionieren. Immer mehr Stiftungen sehen die Systemrelevanz von Journalismus als wichtige Säule unserer Demokratie an. Und würden mehr Geld in diese Richtung geben, wenn sie die rechtlichen Möglichkeiten dazu bekommen.

Schach und Modellbau sind schon heute gemeinnützig. Das ist auch ok so. Aber Journalismus ist systemrelevanter und müsste deswegen auch gemeinnützig sein. Gemeinnütziger Journalismus bringt viele neue Chancen zur Finanzierung und schafft Rechtssicherheit.

…nutzt Informationsfreiheit und Open Data.

Das Informationsfreiheitsgesetz bietet neue Möglichkeiten für die Recherche und zur Kontrolle der Arbeit des Staates. Offene Daten bieten Datenjournalist:innen neue Möglichkeiten. Ersteres ist tatsächlich einfacher, weil dafür gibt es Plattformen wie FragdenStaat. Unklar ist leider, ob man die gewünschten Informationen auch direkt bekommt oder erstmal klagen muss. Offene Daten zu nutzen ist deutlich schwieriger – nicht aus der Wikipedia, da gehts sehr einfacher – sondern wenn man staatliche Informationen nutzen möchte. Da ist Deutschland noch Entwicklungsland.

Die von der Ampel-Koalition versprochene Weiterentwicklung des Informationsfreiheitsgesetzes zu einem Transparenzgesetz ist notwendig. Denn eigentlich sollten nicht wir die Bittsteller sein, die den Staat um Infos anfragen, um ihn zu kontrollieren. Sondern der Staat sollte proaktiv soviel wie möglich transparent veröffentlichen – und wir diskutieren dann über die Ausnahmen. Das würde auch die Justiz entlasten, denn man müsste weniger klagen.

Apropos Offene Daten. Vorliegende Dokumente können selbstverständlich auch mit dem Publikum geteilt werden. Im Netz ist in der Regel noch etwas Platz dafür und eine Veröffentlichung bietet dem Publikum die Möglichkeit, die Arbeit von Journalist:innen kritisch zu hinterfragen und mit mehr Augen drauf zu schauen. Es gibt klare Ausnahmen dafür, wie eine Einhaltung des Quellenschutzes sowie der Schutz von Persönlichkeitsrechten. Aber noch ist es die Ausnahme, dass Dokumente im Rahmen eines offenen Journalismus auch mit der Öffentlichkeit geteilt werden. Das sollte sich ändern.

…ist transparenter.

Apropos Transparenz. Das sollten Medien und Journalist:innen nicht nur vom Staat einfordern, Journalismus kann auch mit gutem Beispiel vorangehen.

Es gibt viel Misstrauen gegen Journalist:innen. Manches wird von bestimmten Kreisen instrumentalisiert, um Vertrauen zu zerstören und die eigenen Desinformationsideologen zu kommunizieren. Anderes ist hausgemacht.

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Journalismus kann aber selbst daran arbeiten, mehr Vertrauen herzustellen, indem er transparenter wird. Er müsste mehr eigene Abhängigkeiten anzeigen, denn raus kommt das meiste irgendwann eh. Matthias Döpfner ist da nur ein großes aktuelles Beispiel. Wir nutzen bei netzpolitik.org beispielsweise monatliche Transparenzberichte, um über unsere Einnahmen und Ausgaben zu berichten. Und damit proaktiv Misstrauen entgegen zu treten, unsere Meinung wäre gekauft. Ich muss aber zugeben, bei uns ist es einfach, wir werden zu fast 100 Prozent durch Spenden unserer Leser:innen finanziert. Aber warum nicht mehr die eigenen Geschäftsmodelle und Einkommensströme erklären, um transparent zu machen, wie sich Journalismus finanziert und wofür das Geld ausgegeben wird?

Journalismus braucht auch eine bessere Fehlerkultur und sollte die eigenen Fehler transparent korrigieren und kommunizieren. Journalist:innen müssen ihre eigene Arbeit besser erklären, denn für unser Publikum ist es nicht mehr selbstverständlich zu verstehen, wie Journalismus funktioniert. Wir leben nicht mehr in den Achtzigern mit wenigen Medien – und Digitalkompetenz muss wirklich vermittelt werden anstatt nur in Sonntagsreden vorzukommen.

…ist konstruktiver.

Schlechte Nachrichten klicken sich besser. Das mag aus kommerzieller Sicht stimmen. Aber was macht das mit unserem Publikum? Was macht das mit uns? Ist das die richtige Strategie zur Vermittlung von Journalismus? Wollen wir in einer Welt leben, die nur von negativen Berichten dominiert ist und in der unser Publikum die Hoffnung verliert? Klimakrise, Krieg, Corona – wir haben zahlreiche Krisen. Aber da müssen wir durch, depressiv werden hilft bei der Bewältigung wenig.

Zukünfte können in mehr konstruktivem Journalismus liegen, der Handlungsmöglichkeiten aufzeigt und das Publikum auf Augenhöhe anspricht. Wir brauchen mehr Experimente in diese Richtung. Und wieder mehr Hoffnung.

…ist kollaborativ und dialogisch.

Auch wenn viele Konkurrenten sind um Abos, Aufmerksamkeit und das Geld des Publikums – gemeinsame Recherchen werden immer einfacher – durch das Netz – und bieten viele Chancen. Wir können in der Kooperation Ressourcen, Fähigkeiten und Know-How bündeln und die Ergebnisse jeweils auf den eigenen Kanälen und für die jeweiligen Zielgruppen ausspielen.

Die Herausforderung dabei ist natürlich: Schlanke Strukturen, um nicht die ganze Zeit in Abstimmungsmeetings zu sitzen, Zusammenarbeit auf Augenhöhe bei unterschiedlich großen Partner:innen und natürlich Respekt und Mut.

Wir haben noch nicht mal angefangen, die Möglichkeiten alle zu verstehen, wie wir im Netz im Dialog mit unserem Publikum arbeiten und es besser einbinden können. Sei es zur Weiterentwicklung von besseren Services oder bei Crowd-Recherchen.

Das Publikum kann von zahlenden Kund:innen zur Community werden. Der Journalismus der Zukunft liegt auch in offenen Ökosystemen.

Wir sind immer noch in der Experimentierphase. Es war noch nie spannender, Journalismus zu machen. Es gibt so viele Möglichkeiten wie noch nie. Machen wir etwas Gutes daraus.


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