Die Liste der Kritiker:innen der Chatkontrolle wird immer länger. Der UN-Menschenrechtskommissar sieht im Einsatz der Überwachungstechnologie einen Paradigmenwechsel, der „erhebliche Risiken“ für Grundrechte mit sich bringe. Er rät allen Staaten davon ab, anlasslos nach Dateien zu suchen.
Der UN-Menschenrechtskommissar hat sich in einem Bericht zum „Recht auf Privatsphäre im digitalen Zeitalter“ (PDF auf unserem Server), der sich mit Trojanern wie Pegasus, der Rolle von Verschlüsselung sowie der Überwachung öffentlicher Räume beschäftigt, kritisch gegenüber der Technologie des Client-Side-Scannings ausgesprochen. Diese ist im Rahmen der Einführung einer Chatkontrolle in der EU als Überwachungstechnologie im Gespräch.
Der UN-Bericht des Büros des Hohen Kommissars für Menschenrechte (OHCHR) bezeichnet eine mögliche Einführung eines verpflichtenden Client-Side-Scannings als „Paradigmenwechsel“, der eine „Reihe von ernsthaften Problemen“ in Bezug auf die Privatsphäre und andere Grundrechte mit sich bringen würde. Im Gegensatz zu anderen Eingriffen würde diese Maßnahme unweigerlich jeden betreffen, der moderne Kommunikationsmittel nutze, und nicht nur Menschen, die in Kriminalität verwickelt seien.
Kontrollverlust über die Endgeräte
Ein vorgeschriebenes Client-seitiges Scannen verändere die Fähigkeit der Menschen, die Kommunikationsgeräte, die untrennbar mit allen Aspekten ihres Lebens verbunden sind, vollständig zu kontrollieren. Sie verlören mit dem Client-Side-Scanning die Kontrolle darüber, welche Informationen ihre Geräte weitergeben würden.
Als weiteres Problem benennt der Bericht die hohe Anzahl von Fehlalarmen (False Positives). Durch diese seien zahlreiche unschuldige Menschen betroffen. „Angesichts der Möglichkeit solcher Auswirkungen wird eine wahllose Überwachung wahrscheinlich eine erhebliche abschreckende Wirkung auf die freie Meinungsäußerung und die Vereinigungsfreiheit entfalten, da die Menschen die Art und Weise ihrer Kommunikation und Interaktion mit anderen einschränken und zur Selbstzensur übergehen“, heißt es weiter im Bericht.
Zudem warnt der Menschenrechtskommissar von einer Ausweitung der Inhalte, die mit dem Scanner gesucht werden können. Dies könne dazu führen, dass politische Debatten unterdrückt werden oder Oppositionelle, Journalisten und Menschenrechtsaktivisten über die Technologie ins Visier genommen würden.
Erhebliche Risiken für die Menschenrechte
Der Bericht kommt deshalb zu dem Schluss, dass Client-Side-Scanning ein „breites Spektrum erheblicher Risiken für den Schutz von Menschenrechten“ eröffne. Angesichts der Schwere ihrer Folgen sei es unwahrscheinlich, dass die Technologie verhältnismäßig eingesetzt werden könne.
Der UN-Bericht rät im Empfehlungsteil deswegen Staaten davon ab, ein verpflichtendes Client-Side-Scanning einzuführen und so die Verschlüsselung zu schwächen.
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