Die 33. Kalenderwoche geht zu Ende. Wir haben 13 neue Texte mit insgesamt 89.214 Zeichen veröffentlicht. Willkommen zum netzpolitischen Wochenrückblick.
Liebe Freund:innen von netzpolitik.org,
in dieser Woche bin ich an einem Artikel meiner Kollegin Franziska Rau hängen geblieben. Darin geht es um das Recht auf Internet. Mehr noch: Das Recht auf einen erschwinglichen Zugang zum Internet. Das ist im Telekommunikationsgesetz von 2021 festgeschrieben. Darin heißt es, dass „Telekommunikationsdienste einschließlich des hierfür notwendigen Anschlusses an ein öffentliches Netz Verbrauchern zu einem erschwinglichen Preis angeboten werden müssen“.
Nun hat die Bundesnetzagentur neue Grundsätze veröffentlicht, wie sie ermitteln will, was erschwingliche Preise sind. Generell erklärt sie, dass die Nutzung der Dienste im Monat nicht mehr kosten darf als der bundesweite Durchschnitt vergleichbarer Angebote. Eine konkrete Antwort dazu, wie viel der Internetzugang maximal kosten darf, bleibt die Agentur allerdings schuldig. Sie rettet sich in die Formulierung, das werde im Einzelfall geklärt.
Das wundert mich nicht. „Erschwinglich“ ist erstmal nur ein Wort. Für sich ist es vage. Im Duden wird es erklärt mit „finanziell zu bewältigen“. Die Antworten auf die Frage, ob etwas erschwinglich ist, variieren also je nach Lebenssituation der Person, die etwas kauft. An dem Konzept von Erschwinglichkeit zerren Interessen. Im vorliegenden Fall stehen auf der einen Seite die Bürger:innen, vertreten durch den Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv). Auf der anderen Geschäftsleute aus dem Unternehmensverband Bundesverband Glasfaseranschluss e. V. (Buglas).
Während die einen das Interesse gesellschaftlicher Teilhabe vertreten, vor allem auch mit Blick auf ärmere Haushalte, halten die anderen wirtschaftliche Interessen dagegen. So kritisierte Wolfgang Heer, Buglas-Geschäftsführer, die Orientierung am Marktpreis. Dieser könne „erheblich unter dem erschwinglichen Niveau liegen“. In den Grundsätzen der Bundesnetzagentur würden „regionale Gegebenheiten sowie des jeweils vor Ort herrschenden Einkommensniveaus“ nicht berücksichtigt werden.
Verhandelt wird über ein wertvolles Gut, das Recht auf Internet und damit auf gesellschaftliche Teilhabe. 2013 hat der Bundesgerichtshof anerkannt, dass der Zugang zum Internet zur Lebensgrundlage gehört. Zugang zu Internet zu haben, bedeutet die Möglichkeit einen Alltag zu haben, Familie und Freund:innen zu kontaktieren, zu lernen, zu arbeiten, sich zu informieren, unterhaltsame Inhalte zu konsumieren, sich politisch zu engagieren.
Während es für die einen um das Recht auf einen Alltag geht, handeln die anderen mit einem begehrten Produkt. Für sie geht es nicht um ein Recht. Sie sehen in erster Linie eine Pflicht, nämlich die, die sie als Anbieter haben. Wie Teilhabe für Bürger:innen umgesetzt werden kann, ist nicht ihr Handlungsmotiv. Sie erkennen in abgelegenen Gebieten vielmehr die Kosten und mögliche Gewinneinbußen.
In Zeiten, in denen Inflation, Energiekrise und Gasumlage auf die privaten Haushalte drücken, sind Ärmere noch einmal mehr darauf angewiesen, dass es nicht nur ein Recht auf Netz gibt, sondern dass dieses auch wirklich für alle erschwinglich ist.
Euch ein schönes Wochenende
Esther
Verfassungsentwurf für Chile: „Sprung nach vorn für digitale Grundrechte“
Der Entwurf für eine neue Verfassung von Chile bricht nicht nur mit dem Erbe Pinochets, sondern erkennt digitale Menschenrechte an. Wir haben uns den Text angeschaut und chilenische Digital-Aktivisten gefragt, was sie davon halten. Von Markus Reuter –
Artikel lesen
Degitalisierung: Stille Warnungen und teure Erfolge
Erfolgreiche Digitalvorhaben sind teuer, vor allem dann, wenn man sie vorher jahrelang verschlafen hat. Um sich das zu sparen, empfiehlt unsere Kolumnistin: Der beste Zeitpunkt für digitale Lösungen ist immer jetzt. Von Bianca Kastl –
Artikel lesen
Fast 50 Millionen US-Konten betroffen: Telekom-Gruppe verschweigt Informationen über gehackte Personendaten
Fast die Hälfte der Millionen Kund:innen von T-Mobile in den USA waren vor einem Jahr Opfer eines riesigen Datenverlustes. Ein Betroffener aus den USA erhebt auch Vorwürfe an die Deutsche Telekom. Der Mutterkonzern sagt, er könne T-Mobile US nicht zu den konzerninternen Datenschutzrichtlinien verpflichten. Von Matthias Monroy –
Artikel lesen
Fragwürdige Pressearbeit: Die Polizei ist keine privilegierte Quelle
Zu viele Journalist:innen übernehmen unkritisch, was die Polizei sagt, schreibt und twittert. Dabei ist nach unzähligen Vorfällen klar: Die Polizei ist nicht neutral, sondern ein eigenständiger Akteur in der öffentlichen Meinungsbildung. Es wird Zeit, sie auch so zu behandeln. Ein Kommentar. Von Markus Reuter –
Artikel lesen
Indien: IT-Ministerium zensiert VLC-Player
Indische Behörden haben die Produkte von VideoLAN verboten und die Webseite und den Download-Link für die Software in Indien blockiert. Details zu der Maßnahme sind bisher nicht bekannt. Von Esther Menhard –
Artikel lesen
Politische Werbung: Die Zukunft des Microtargeting in der EU
Die EU-Kommission will Microtargeting bei politischer Onlinewerbung strenger regulieren. Was der Brüsseler Gesetzesentwurf taugt und wo er Lücken aufweist, analysiert Gastautor Julian Jaursch. Von Gastbeitrag, Julian Jaursch –
Artikel lesen
Recht auf Internet: Bundesnetzagentur legt Grundsätze für bezahlbares Internet fest
Seit vergangenem Jahr gibt es hierzulande das Recht auf einen erschwinglichen Internetzugang. Die Bundesnetzagentur hat jetzt festgelegt, was das genau bedeutet. Verbraucherschützer*innen und Glasfaserunternehmen sind unzufrieden und fordern Nachbesserungen. Von Franziska Rau –
Artikel lesen
Hackerparagrafen: Sicherheit für die Sicherheitsforschung
Hacker*innen sorgen für unsere Sicherheit, indem sie Sicherheitslücken finden und melden. Doch damit gehen sie oft selbst Risiken ein, denn die Hackerparagrafen kennen keine ethischen Motive. Es ist höchste Zeit, diese Abschreckung zu beenden, finden Sicherheitsforscher*innen. Von Anna Biselli –
Artikel lesen
USA, Brasilien, Kenia: So reagiert Facebook auf politische Wahlen
Eine Woche vor den Zwischenwahlen in den USA pausiert Meta politische Werbung. Der Konzern sieht sich gerüstet für den Umgang mit Falschinformationen im Umfeld von Wahlen – aber NGOs sehen das anders. Von Esther Menhard –
Artikel lesen
Transparenzbericht Juni 2022: Der Teufel im Detail
Vor einem halben Jahrzehnt hatten wir kaum Aktenordner, keinen eigenen Drucker, keine eigene Buchführung. Es wurde gebloggt. Heute ist vieles anders. Im Juni haben wir einen enormen Schritt unternommen, um einen weiteren Bereich voranzubringen. Doch plötzlich waren 17.000 Euro unauffindbar. Was war passiert? Von Stefanie Talaska, Tina Schieber –
Artikel lesen
Staatstrojaner Predator: EU-Parlament will griechischen Überwachungsskandal untersuchen
Das EU-Parlament will mit griechischen Behörden zusammenarbeiten, um die „inakzeptable“ staatliche Spionage gegen einen Abgeordneten zu untersuchen. Der bereits laufende Untersuchungsausschuss zu Staatstrojanern wie Pegasus bekommt damit eine weitere Aufgabe. Von Chris Köver –
Artikel lesen
Polizei: Bodycams richtig einsetzen – oder abschaffen
Polizeiliches Fehlverhalten zeichnen Bodycams nur selten auf. Im Gegenteil verstärken sie einseitig das Machtgefälle zwischen Polizei und Bürgerschaft. Wenn also schon Bodycams eingesetzt werden, dann bitte auch zur Kontrolle der Polizei. Ein Kommentar. Von Markus Reuter –
Artikel lesen
Die Arbeit von netzpolitik.org finanziert sich zu fast 100% aus den Spenden unserer Leser:innen.
Werde Teil dieser einzigartigen Community und unterstütze auch Du unseren gemeinwohlorientierten, werbe- und trackingfreien Journalismus jetzt mit einer Spende.
0 Commentaires