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KW 19: Die Woche, als die EU-Kommission die Chatkontrolle vorstellte

– Fraktal, generiert mit MandelBrowser von Tomasz Śmigielski

Liebe Leser:innen,

es kam nicht plötzlich und auch nicht überraschend. Seit Monaten haben wir über die Chatkontrolle berichtet, ohne genau zu wissen, was uns erwartet. Immer wieder wurde die Präsentation der „größten europäischen Datenüberwachung aller Zeiten“ verschoben. Jetzt ist der Vorschlag der EU-Kommission da, und auch wir in der Redaktion waren von der Vehemenz der vernichtenden Kritik erstaunt.

Bei netzpolitik.org sehen wir uns ja als Frühwarnsystem, das schon über Vorgänge in der EU berichtet, wenn andere es noch nicht tun. Und im Verlauf dieser Berichterstattung habe ich mich immer wieder gefragt: „Warum entsteht hier nicht mehr Protest?“. Denn die Chatkontrolle ist ein autoritärer Überwachungsalptraum: Der Staat soll Anbieter zwingen dürfen, Inhalte entweder auf dem Gerät der Bürger:innen zu durchsuchen – oder deren verschlüsselte Kommunikation zu brechen, um das zu tun. Wenn dieses Projekt durchkommt, gibt es keine vertrauliche Kommunikation mehr. Es wäre eine vollkommen neue Dimension der Überwachung. Vergleiche mit China und Russland, die sonst auch mal vorschnell gezogen werden, sind hier angebracht.

Nun mögen Befürworter:innen sagen: „Hey, es geht doch nur darum, Bilder und Videos von sexueller Gewalt gegen Kinder zu finden. Wer nichts zu verbergen hat, der hat doch nichts zu befürchten.“ Wir alle wollen, dass sexuelle Gewalt gegen Kinder hart bekämpft wird, dass Handlungsoptionen ausgeschöpft werden. Doch das Instrument der Chatkontrolle ist falsch. Wenn dieses Gesetzespaket durchkommt, dann ist die Vertraulichkeit dahin, dann gibt es diese mächtige Überwachungsinfrastruktur, dann ist es zu spät. 

Noch ist es aber nicht zu spät. Denn das Gesetzespaket kann immer noch komplett abgelehnt oder zumindest abgeschwächt werden. Dafür braucht es jetzt öffentlichen Druck: von der Online-Petition über Anrufe bei Politiker:innen bis hin zum tausendfachen Protest auf der Straße. Die Erfahrungen mit der Urheberrechtsreform und den Uploadfilter-Protesten von 2019 zeigen: Es reicht nicht, Menschen nur in Deutschland auf die Straße zu bekommen. Proteste gegen eine EU-Gesetzgebung müssen so international sein wie die EU selbst, damit sie wirklich gehört werden.

In diesem Sinne: Klärt eure Freund:innen, Familien und Arbeitskolleg:innen auf, was sie bei der Chatkontrolle erwartet. Werdet aktiv, verbündet Euch über Grenzen hinweg und tragt Euren kleinen oder großen Teil zum Protest bei. Demokratie bedeutet, dass wir etwas verändern können.

Unsere Aufgabe hier bei netzpolitik.org wird sein, dass wir in den kommenden Monaten über alle Aspekte der Chatkontrolle journalistisch berichten, Analysen, Expertise und Einblicke liefern, und im besten Sinne zur Aufklärung und Information der Öffentlichkeit beitragen. Natürlich aus Perspektive der Grund- und Freiheitsrechte.

Bleibt stark und mutig

Markus Reuter


Ermittlungen zum Ukraine-Krieg: Neue Eurojust-Verordnung im Eilverfahren

Die EU-Justizagentur soll erstmals personenbezogene und biometrische Daten speichern und verarbeiten dürfen. Auch die Analyse digitaler Beweismittel soll erlaubt sein, hierzu hat Eurojust aber eigentlich kein Mandat. Hintergrund sind mutmaßliche russische Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Von Matthias Monroy.

US-Abtreibungsrecht: Gefährliche Datenspuren von Schwangerschaftsabbrüchen

In den USA soll offenbar das bundesweite Abtreibungsrecht kippen. Dann werden voraussichtlich in vielen US-Bundesstaaten Schwangerschaftsabbrüche verboten sein. Das bringt ungewollt Schwangere in Gefahr, auch aufgrund ihrer digitalen Spuren. Von Rahel Lang.

Corona-Kommunikation: Berlins Gesundheitsämter haben über 4.000 E-Mail-Adressen regelwidrig veröffentlicht

Wenn Gesundheitsämter sehr viele Menschen per E-Mail anschreiben, kommt es gelegentlich zu Datenschutzpannen, bei denen die E-Mail-Adressen der Angeschriebenen offengelegt werden. In Berlin wurden seit Januar 2021 acht solcher Fälle mit je zwischen 45 und 3.100 Betroffenen gemeldet. Von Gastbeitrag.

Britische Nichtregierungsorganisation: 26 Länder haben bewaffnete Drohnen

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Datendiskriminierung: Wenn Maschinen über Menschen entscheiden

In Österreich werden Arbeitslose automatisch in Kategorien sortiert, in den Niederlanden suchten Gemeinden automatisiert nach Sozialbetrüger:innen. Was macht es mit der Zivilgesellschaft, wenn Staaten High-Tech-Tools gegen ihr Volk richten? Von Chris Köver.

Blackbox Genf VI: Wikimedia Deutschland muss leider draußen bleiben

China will nicht, dass Wikimedia-Organisationen dabei sind, wenn internationale Regeln im Urheberrecht diskutiert werden. Erneut gab es ein Veto, das China mit vermeintlicher Desinformation begründet. Von Gastbeitrag.

Staatstrojaner: 8 Punkte, die wir aus der Pegasus-Anhörung gelernt haben

Noch läuft sich der Untersuchungsausschuss im EU-Parlament zum Pegasus-Abhörskandal warm. In der heutigen Sitzung ging es vor allem um die technischen Hintergründe. Die wichtigsten Erkenntnisse. Von Chris Köver.

„Absolut inakzeptabel“ : Erstmals Straßenprotest gegen Chatkontrolle angekündigt

Der Protest gegen eine Durchleuchtung der Kommunikation aller Bürger:innen erreicht nun die Straße. In Berlin ruft die Kampagne „Chatkontrolle stoppen“ am Mittwoch zu einer Aktion vor der Vertretung der EU-Kommission auf. Von Markus Reuter.

Gesetz gegen Kindesmissbrauch: EU-Kommission will private Nachrichten durchleuchten

Laut einem geleakten Gesetzesentwurf, den wir veröffentlichen, könnte die EU bald das Scannen von Millionen Nachrichten auf Anzeichen von Kindesmissbrauch vorschreiben. Abgeordnete warnen vor massiver Überwachung. Von Alexander Fanta.

Chatkontrolle: Wie ein Hollywoodstar für mehr Überwachung wirbt

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„Menstruation“ verboten: OnlyFans zensiert mindestens 149 Wörter

OnlyFans will unerwünschte Inhalte mit Blocklisten bekämpfen. Mindestens 149 Begriffe sind auf der Bezahlseite für teils erotische Inhalte tabu. Es ist ein drastisches Beispiel für Overblocking – sogar die Zahl „zwölf“ ist verboten. Von Sebastian Meineck.

Chatkontrolle: Das EU-Überwachungsmonster kommt wirklich, wenn wir nichts dagegen tun

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Dude, where’s my privacy?: How a Hollywood star lobbies the EU for more surveillance

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Series on digital colonialism: Western tech companies saving billions in taxes in the global south

Unfair tax laws help Facebook, Google and Microsoft save billions in taxes in the global south – enough to employ 1.7 million nurses in 20 countries within three years. Part 3 of our series on digital colonialism. Von Satyajeet Malik.

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