Am Mittwoch folgte die US-amerikanische Whistleblowerin Frances Haugen einer Einladung in den Digitalausschuss des Bundestages. Die ehemalige Produktmanagerin bei Facebook war eingeladen, um Fragen zum Digitale-Dienste-Gesetz der EU zu beantworten. Allerdings sprach sie auch Probleme bei Meta in Bezug auf Algorithmen, das Metaverse und den Ukraine-Krieg an.
In ihrem Eingangsstatement befürwortete Haugen Transparenzregeln, die Forscher:innen Zugang zu Daten der Plattformen garantieren. Diese seien ein wichtiger Schritt zu mehr Rechenschaft. Das derzeit verhandelte Digitale-Dienste-Gesetz soll in der Europäischen Union für mehr Daten- und Grundrechtsschutz sowie demokratische Kontrolle über Plattformen sorgen. Außerdem sollen die Daten der Firmen leichter zugänglich werden.
Zugang zu Daten essenziell
Haugen betonte, Daten seien essenziell, um die Macht der Technologiekonzerne zu beschränken: „Der einzige Weg, wie wir Transparenz bekommen ist, wenn wir unsere eigenen Fragen stellen können und nicht einfach die vorgefertigten Antworten von Facebook akzeptieren müssen.“
Haugen hatte seit 2006 bei mehreren großen Plattformen gearbeitet, bevor sie 2019 zu Facebook ging. Nach zwei Jahren gab sie den Job auf und machte anschließend interne Dokumente öffentlich, die als Facebook Files bekannt wurden. Diese zeigten gravierende Missstände, von denen das Unternehmen wusste, sie aber ignorierte.
Auf die Gefahr von Zensur und Overblocking durch das Digitale-Dienste-Gesetz angesprochen, erläuterte Haugen, Facebook missbrauche den Diskurs darüber. Das Unternehmen wolle, dass nur über Inhalte, nicht aber über die zugrundeliegenden Algorithmen gesprochen werde. Dadurch schiebt Facebook laut der Whistleblowerin die Verantwortung von sich.
Informationskrieg verpennt
Auch das Metaverse, die geplante virtuelle Realität von Facebook, wurde von den Abgeordneten zum Thema gemacht. Auf die Frage der Linken-Abgeordneten Anke Domscheit-Berg, wie man das Metaverse regulieren könne, empfahl Haugen eine Art Lieferketten-Verantwortung. Mit dem Metaverse will das IT-Unternehmen eine Infrastruktur aufbauen, auf der andere Anbieter ihre eigenen Angebote feilbieten. Dabei wird es unweigerlich zu Problemen mit Hassrede, Belästigung und Inhaltemoderation kommen. Meta könne sich nicht seiner Verantwortung entziehen, indem es sich als vermeintlich neutraler Infrastrukturbetreiber darstelle, so Haugen.
Doch besonders der Informationskrieg in sozialen Medien bereitet der Whistleblowerin Sorgen. „Plattformen sind Komplizen im Ukraine-Krieg, da sie als Träger eines unsichtbaren Giftes aus Putins Arsenal agieren.” Facebook habe bisher vor allem nur im englischen Raum auf Desinformation reagiert, obwohl dieser nur einen kleinen Teil seiner Nutzer:innen beinhalte. Facebook besitze zwar die Technologie, um konzertierte Kommentaraktionen zu unterbinden, müsste dafür allerdings mehr Leute anstellen, die die jeweilige Sprache und deren Nuancen verstehen.
Stattdessen wurden laut Haugen Moderator:innen aus anderen Ländern verschoben, was diese wiederum unsicherer mache – etwa Frankreich, wo derzeit der Wahlkampf auf Hochtouren läuft. Die Ukraine habe Meta vor dem Krieg gebeten, Facebook resilienter gegen Putins Informationskrieg zu machen, nur um auf taube Ohren zu stoßen. Die Demokratie und Zivilist:innen würden nun den Preis dafür zahlen, sagte Haugen.
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