Liebe Leser:innen!
Elon Musk war kürzlich nicht im Berghain. Elon Musk will Twitter übernehmen. Und er macht auf ebenjener Plattform Witze darüber, dass er auch Coca-Cola kaufen könnte, um das Koks in das Zucker-Koffein-Farbstoff-Mischgetränk zurückzubringen. Ich habe fast das Gefühl, jede Darmregung des Tesla-Neuralink-Thud-SpaceX-Unternehmers führt zu einer Schlagzeile.
Auch ich habe mich mit meinen Kolleg:innen mit Musks Twitter-Kauf-Absichten beschäftigt. Schon vor zwei Wochen hat Markus Beckedahl in einem Kommentar seine Bauchschmerzen zur drohenden Machtkonzentration beschrieben. Diese Woche hat Alexander Fanta analysiert, ob das Digitale-Dienste-Gesetz der EU dem missionarischen Meinungsfreiheitsmilliardär einen Strich durch seine Agenda machen könnte. Oder zumindest durch das, was man für seine Agenda hält.
Ich weiß nicht, was Musk wirklich mit Twitter vorhat, wenn ihm genügend Aktionär:innen ihre Anteile verkaufen. Will er für alle Meinungsfreiheit im US-Sinne? Oder im Sinne der Gesetze der jeweiligen Länder? Will er Meinungsfreiheit mal eben selbst definieren? „Freedom of speech means freedom of speech“, twittert Musk. Ahja.
Es gibt noch mehr, das ich gerne wissen würde. Will Musk eine Klarnamenpflicht, wenn er den Spam-Bots den Kampf ansagt? Oder müssen wir vor dem Twittern künftig in CAPTCHAs Kleinflugzeuge in 9 Kacheln anklicken? Damit könnte man vielleicht die Objekterkennung von Tesla trainieren, damit der nächste herbeigerufene Tesla nicht versehentlich auf dem Rollfeld randaliert.
Zugegeben, ich finde die geplante Twitter-Übernahme spannend. Ich habe die Woche viele kluge Kommentare und Analysen darüber gelesen, ob Musks Kauf eine Gefahr wäre und wofür eigentlich. Ob dann Trump seinen Account zurückbekommt. Ob wir ein anderes Twitter brauchen oder ob es das eigentlich schon gibt. Sorgen macht mir aber die Fülle der Berichte.
Nicht erst seit gestern liegen zu viele Plattformen in der Hand von viel zu wenigen Männern. Als wäre Twitter ohne Elon Musk ein perfekter, selbstloser Ort gewesen, an dem alle sich ohne Furcht frei austauschen können und magisch eine Gemeinschaft entsteht. Das war Twitter für mich nie. Viel lieber habe ich die abseitigen Orte im Internet.
Die Spezialforen, in denen sich Hausmeisterinnen, Pilzsammelnde und Allrad-LKW-Fahrer austauschen. Die Orte, die für Milliardär:innen uninteressant sind, weil sich an ihnen kaum Geld verdienen lässt. Oder der Livestream des schwedischen Fernsehens, in dem man noch bis Anfang Mai Elchen beim Wandern zuschauen kann, Slow-TV in Reinform. Mit einer Chatspalte voller Herzchen, Elch- und Eulen-Emojis und unzähligen Gute-Nacht-Wünschen für die Redakteur:innen, die sich spät abends verabschieden.
Es stört mich, dass durch die Debatte um Elon Musik weniger schrille Themen untergehen. Das Bundesverfassungsgericht hat diese Woche festgestellt, dass das bayerische Verfassungsschutzgesetz teilweise gegen das Grundgesetz verstößt. Das ist nicht sexy, sondern langsam. Von Beschwerde bis Urteil sind Jahre vergangen. Es geht nicht um Koks in Cola oder Berliner Clubs oder eine Milliardärsmutter, die bei Germany’s Next Topmodel auftritt. Aber es ist wichtig, und ein großer Erfolg für digitale Freiheitsrechte.
In diesem Sinne: Bleibt aufmerksam für die langsamen und leisen Dinge und habt ein schönes Wochenende!
anna
PS: Danke für die Rückmeldungen und Hinweise zum umgestalteten Wochenrückblick. Wir haben mittlerweile einige kleine Darstellungsproblemchen gefixt, freuen uns aber weiter über Hinweise zur Darstellung und Feedback an newsletter-feedback@netzpolitik.org.
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