Die Musikindustrie schaltet einen Gang hoch und geht nun gegen einen deutschen Hosting-Anbieter vor. Drei große Labels verklagen den Anbieter Uberspace, weil er die Website des Open-Source-Projekts youtube-dl hostet. Mit der Software, die auf der Codesharing-Plattform Github verfügbar ist, lassen sich Youtube-Videos und Musikdateien ohne Web-Browser herunterladen. Den Klägern zufolge werde damit das Urheberrecht verletzt.
Die Auseinandersetzung zwischen der Musikindustrie, youtube-dl und seinem Umfeld schwelt seit über einem Jahr. Damals erwirkte die US-Lobbyorganisation Recording Industry Association of America (RIAA), dass der Quelltext von youtube-dl kurzzeitig von Github verschwand.
Zugleich flatterte Uberspace ein Rechtsanwaltsschreiben ins Haus. Der Anbieter habe sich der Mittäterschaft, Gehilfen- sowie Störerhaftung schuldig gemacht und solle unter anderem das Hosten der Website unterlassen, hieß es in der Abmahnung. Verschickt wurde sie im Namen der deutschen Ableger von Sony Entertainment, Warner Music Group und Universal Music. Die der Redaktion vorliegende Klageschrift gleicht weitgehend der Abmahnung.
Industrie will wohl Grundsatzurteil erreichen
Für Uberspace-Chef Jonas Pasche war weder die Abmahnung noch die Klage gerechtfertigt. Sein Anwalt vermutet, dass „mit der Klage eine Art Grundsatzurteil erreicht“ werden soll. Kommt die Industrie damit durch, könnte das Hostern auch dann eine Handlungspflicht auferlegen, wenn die behauptete Illegalität beanstandeter Inhalte juristisch umstritten ist.
Grundsätzlich sind Online-Dienste wie Uberspace durch das sogenannte Providerprivileg geschützt. Sie sind für mögliche Rechtsverletzungen ihrer Nutzer:innen nicht unmittelbar haftbar. Rechtlich relevant wird es für sie dann, wenn sie auf illegale Inhalte auf ihren Diensten aufmerksam gemacht werden, aber nichts dagegen unternehmen.
Ob eine Software wie youtube-dl illegal ist, bleibt jedoch stark umstritten. In der Antwort auf die Abmahnung wies Uberspace etwa darauf hin, dass der Download von Youtube-Inhalten in der Regel zulässig sei, sofern dafür kein Kopierschutz umgangen werden muss – schließlich werde das Recht auf eine Privatkopie der Verwertungsgesellschaft GEMA über entsprechende Gebühren abgegolten. Offenkundig wollten die Plattenlabels dieser Argumentation nicht folgen.
Ist schwacher Schutz wirksam?
Youtube schützt lediglich Bezahlinhalte mit effektiver DRM-Verschlüsselung (Digital Rights Management), der größte Teil des Youtube-Katalogs ist nur mit einer sogenannten „Rolling Cipher“ versehen. Um diesen rudimentären Schutz zu umgehen, sind weder Programmierkenntnisse noch spezielle Werkzeuge nötig. So setzt etwa jeder Browser beim Aufruf von Youtube die im Klartext übermittelten Informationen zusammen, um die Videos abzuspielen.
Das Landgericht Hamburg, bei dem auch die aktuelle Klage liegt, sah dies in der Vergangenheit jedoch anders. In einer einstweiligen Verfügung stellte das Gericht im Jahr 2017 fest, dass die Verschleierung des Speicherortes einer Videodatei, wie es etwa die „Rolling Cipher“-Technik macht, eine wirksame technische Maßnahme sei. Eine Umgehung solcher Schutzmaßnahmen sei daher nicht zulässig.
Von Youtube erhielten wir keine Antwort auf die Frage, ob Downloads von Videos erlaubt sind oder nicht. In seinen Nutzungsbedingungen verbietet der Anbieter zwar das Herunterladen, solange keine ausdrückliche Erlaubnis vorliegt. Allerdings macht der Anbieter in seinem Hilfebereich darauf aufmerksam, dass Downloads grundsätzlich möglich sind: „Indem du dein Originalvideo mit einer Creative-Commons-Lizenz versiehst, erlaubst du der gesamten YouTube-Community, es wiederzuverwenden und zu bearbeiten“, heißt es dort. Anders wäre ein guter Teil der Youtube-Kultur, etwa „Reaction-Videos“ oder eine sonstige Auseinandersetzung mit fremden Inhalten, rechtlich nicht möglich.
„Auch wenn Youtube die Funktionalität des Video-Downloads nicht von Haus aus anpreist, sind die Videos nicht mit einem Kopierschutz versehen“, sagt Julia Reda von der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF). Das Verstecken der Download-URL im User-Interface sei nicht mit einem technischen Kopierschutz vergleichbar, dessen eigenhändige Umgehung durch das Urheberrechtsgesetz verboten ist. Das Landgericht Hamburg habe in seiner damaligen Entscheidung verkannt, dass „nur rudimentäre technische Kenntnisse notwendig sind, um den Download eines Youtube-Videos selbst vorzunehmen“, sagt die Urheberrechts-Expertin und ehemalige EU-Abgeordnete.
Industrie will mehrfach abkassieren
Das Vorgehen gegen youtube-dl zeigt laut Reda, dass die Rechte von Nutzer:innen urheberrechtlich geschützter Werke stets unter Beschuss durch die Unterhaltungsindustrie sind. „Nicht nur Youtube zahlt Lizenzgebühren für Musik, wir alle Zahlen Gebühren für das Recht auf Privatkopie in Form der Geräteabgabe, die bei jedem Kauf von Smartphones oder Speichermedien erhoben wird“, sagt Reda. „Trotz dieser doppelten Vergütung wollen Sony, Universal und Warner Music verhindern, dass wir von unserem Recht auf Privatkopie auch Gebrauch machen, indem wir Youtube-Videos lokal auf der Festplatte speichern.“
Traditionell geht die Branche aggressiv gegen potenzielle Urheberrechtsverletzungen vor. So zog sie etwa in einem wegweisenden Verfahren gegen den IT-Verlag Heise bis vor den Bundesgerichtshof. In einem Artikel hatte Heise Online einen Link auf die Software AnyDVD gesetzt, was die Industrie gern dauerhaft verhindert hätte. Mit dem Tool ließen sich Kopierschutzmechanismen von Video-DVDs umgehen, um beispielsweise eine Privatkopie anzulegen. Die Klage der Musikindustrie wurde erst nach einem jahrelangen Verfahren von höchster Instanz abgewiesen.
Für Privatkopien, die in Deutschland rechtlich zweifelsfrei erlaubt sind, gibt es viele gute Gründe. Sei es in diesem Fall, so Reda, weil die Bandbreite zuhause nicht reicht, um Videos ruckelfrei zu schauen, weil man vor einer langen Flugreise steht oder weil man sich in einem eigenen Video kritisch auf fremde Inhalte beziehen will. „Wenn Tools wie youtube-dl verboten werden, werden all diese legalen und gesellschaftlich erwünschten Aktivitäten unterbunden“, sagt Reda.
Im Zweifel erst mal löschen
Auch bei Youtube meldet die Industrie massenhaft vermutete Verstöße gegen das Urheberrecht und verlangt eine Entfernung der beanstandeten Inhalte. Die allermeisten Beschwerden wickelt das Content-ID-System ab und sperrt die Inhalte. Wie jedoch der erste Copyright Transparency Report des Unternehmens jüngst enthüllte, halten die automatisiert getroffenen Entscheidungen einer manuellen Überprüfung oft nicht stand. Das legt den Schluss nahe, dass sogenanntes „Overblocking“ ein verbreitetes Phänomen ist: Im Zweifel löschen Online-Dienste Inhalte eher als sich auf einen langwierigen Rechtsstreit einzulassen.
Zu einem weiteren Kollateralschaden könnten nun Hosting-Anbieter werden, wenn sie mit Abmahnungen überzogen werden, warnt Reda: „Es ist immer leichter, einer Abmahnung oder Takedown-Notice einfach nachzukommen, anstatt darauf zu beharren, dass die Rechtswidrigkeit des betroffenen Inhalts tatsächlich höchstrichterlich festgestellt wird. Insofern ist es zu begrüßen, dass Uberspace der Forderung nicht einfach nachgegeben hat.“
Der Hoster will die Sache nun durchfechten und bereitet seine Verteidigung vor. Sollte Uberspace das Verfahren verlieren, könnte es teuer für das Unternehmen werden. Der Gegenstandswert liegt bei 100.000 Euro, hinzu würden Rechtsanwaltskosten kommen, auch die der Gegenseite. Allein das könnte rund zehn Prozent des Streitwerts ausmachen.
Unzählige Alternativen verfügbar
Um das Herunterladen von Youtube-Videos müssen sich Nutzer:innen hingegen keine Sorgen machen, zumindest nicht kurzfristig. Der Quelltext und die ausführbaren Dateien von youtube-dl liegen ohnehin nicht bei Uberspace, sondern beim zu Microsoft gehörenden Github. Der Anbieter hatte das Code-Repository des Projekts wieder hergestellt, nachdem er die DMCA-Anordnung der Industrie überprüft und als nicht gerechtfertigt eingestuft hatte. Zudem gibt es eine ganze Reihe von Forks, also abgespaltener und ebenfalls quelloffener Varianten von youtube-dl sowie unzählige andere Tools, die Youtube-Inhalte auf die eigene Festplatte schaufeln können.
Bizarr findet Uberspace-Chef Pasche jedenfalls, dass eine Google-Suche nach „youtube download“ als erstes eine von den Suchergebnissen separierte Infobox mit einem Anreißer des Wikipedia-Eintrags von youtube-dl anzeigt. „Wenn Youtube doch so sehr daran gelegen ist, Downloads zu unterbinden, könnte zumindest Google als Eigner ja schon mal dafür sorgen, nicht selbst prominent auf das vermutlich verbreitetste Download-Tool hinzuweisen“, sagt Pasche.
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