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Für Android und iOS: Telegram blockiert Inhalte der Verschwörungsszene

Logo und Screenshots von Telegram. In einem Screenshot steht auf englisch: "Diese Meldung kann bei Telegram-Apps, die aus dem Google Play Store heruntergeladen wurden, nicht angezeigt werden"
Eingeschränkte Inhalte auf Telegram. – Logo und Screenshots: Telegram, Bearbeitung: netzpolitik.org

Telegram ist derzeit eine der wichtigsten Plattformen für Verschwörungsgläubige. In den Gruppen und Kanälen der Chat-App vermischen sich unter anderem Querdenker:innen und Rechtsextreme. Einige teilen irreführende und falsche Informationen über die Pandemie und organisieren Proteste. Andere verbreiten auch Hass, Hetze und Todesdrohungen. Das kann dazu beitragen, Menschen zu radikalisieren, die sich auf Telegram einfach nur umschauen möchten.

Telegram lässt das in der Regel zu. Im Vergleich zu anderen Plattformen wie Facebook oder Twitter löscht Telegram Inhalte extrem selten. Telegram ist dafür bekannt, Meinungsfreiheit äußerst weit auszulegen und Behörden abblitzen zu lassen. Das hat die Plattform in autoritären Ländern wie Belarus und Iran zu einem wichtigen Werkzeug für demokratische Protestbewegungen gemacht, führt aber hierzulande auch zur Situation, dass Mordaufrufe einfach stehen bleiben.

Jetzt zeigen Recherchen von netzpolitik.org, dass Telegram derzeit gegen manche Inhalte aus der deutschen Verschwörungsszene vorgeht. Gruppen lassen sich nicht öffnen, Kommentare in Kanälen werden nicht angezeigt.

Punktuelle Maßnahmen

Es handelt sich bisher offenbar um Einzelfälle. Betroffen sind mindestens sechs Kanäle und Gruppen aus der Verschwörungsszene. Die Einschränkungen gelten nur für Nutzer:innen, die Telegram aus dem Google Play Store oder dem App Store von Apple heruntergeladen haben. Wer Telegram aus anderen Quellen bezieht oder etwa auf dem Laptop nutzt, kann die eingeschränkten Inhalte weiterhin sehen.

Die Namen der betroffenen Kanäle und Gruppen nennen wir nicht, um uns möglichst wenig an der Verbreitung von deren Falschinformationen zu beteiligen. Einen der Kanäle betreibt ein ehemaliger Russland-Korrespondent des Focus, er hat rund 300.000 Abonnent:innen, ein anderer Kanal wird von einem Anwalt aus der Querdenken-Szene betrieben. In den Kommentaren bezeichnen Nutzer:innen die Corona-Impfung als „Giftspritze“ und die Regierung als „Satanisten“. Sie verbreiten die falsche Erzählung, dass die Impfung Menschen töten solle.

Kanäle auf Telegram können unbegrenzt viele Abonnent:innen haben. Die Kanalbetreiber:innen posten etwa Texte, Links oder Bilder an ihr Publikum. Eine Kommentarfunktion lässt sich optional einschalten. Noch mehr Austausch gibt es in Telegram-Gruppen. Dort können bis zu 200.000 Mitglieder direkt miteinander chatten.

Offenbar Druck von Google und Apple

Screenshot von Telegram. Ein Popup-Fenster sagt, dass die Gruppe in Telegram-Apps aus dem Google Play Store nicht angezeigt werden kann.
Gesperrte Gruppe für Nutzer:innen von Telegram aus dem Google Play Store. - Screenshot: Telegram, Bearbeitung: netzpolitik.org

Anscheinend reagiert Telegram mit den Einschränkungen auf Druck von Google und Apple. Apple kontrolliert über den App Store, welche Apps für sein mobiles Betriebssystem iOS verfügbar sind. Ähnlich ist es beim Konzern Google, der den Google Play Store für Android kontrolliert. Beide Konzerne verlangen von App-Anbietern, dass sie sich an die Regeln der jeweiligen App-Stores halten, sonst könnten sie rausfliegen. Zuletzt hatte der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) Apple und Google aufgefordert, gegen Telegram aktiv zu werden.

Zu den Regeln von Apple gehört etwa, dass Anbieter von Apps mit nutzergenerierten Inhalten „einen Mechanismus zur Meldung unzulässiger Inhalte und zeitnahe Reaktionen auf Beschwerden“ bereithalten müssen. Ebenso muss es die Möglichkeit geben, dass solche unzulässigen Inhalte entfernt werden. Für Entwickler:innen von Apps, die im Play Store erscheinen, gelten ähnliche Richtlinien.

Ein Rauswurf aus dem Google Play Store oder dem App Store könnte die Reichweite von Telegram deutlich beschneiden. Offenbar um das zu verhindern, hat Telegram schon in der Vergangenheit Inhalte eingeschränkt, wie Kanäle des Islamischen Staates oder pornografische Inhalte für iOS-Nutzer:innen. Wir haben die Pressestellen von Google und Apple zu den Sperrungen von Verschwörungsinhalten kontaktiert, beide wollen sich nicht öffentlich zur Sache äußern.

Weiterer Druck auf Telegram kommt von der deutschen Regierung. Unter anderem das Justizministerium ist wohl der Ansicht, dass Telegram unter das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) falle. Entsprechend müsste die Plattform unter anderem für Behörden erreichbar sein. Telegram müsste auch in Deutschland strafbare Inhalte löschen, wenn sie von Nutzer:innen gemeldet werden. Weil das nicht passiert, gibt es Bußgeldverfahren. Aber offenbar hat Telegram bislang nicht auf Anfragen deutscher Behörden reagiert. Eine aktuelle Presseanfrage von netzpolitik.org bei Telegram blieb auch unbeantwortet.

Telegram hat schon öfter gelöscht – aber sporadisch

Es ist unklar, ob die neuen Sperrungen ein Auftakt sind, um in Deutschland künftig vermehrt Inhalte zu moderieren. Möglich ist auch, dass Telegram seine Eingriffe auf ein Minimum beschränkt, um Kritiker:innen sowie Google und Apple zu besänftigen. Das würde zumindest zu der Strategie passen, die sich bislang von Telegram beobachten ließ.

Aufrufe zu Gewalt sind schon länger auf Telegram verboten. Das steht in den Nutzungsbedingungen. Demnach dürfen Nutzer:innen Gewalt nicht öffentlich „fördern“. Telegram setzt das offenbar nur in manchen Fällen durch. Die Plattform löscht beispielsweise bereits seit Jahren islamistische Terrorpropaganda. Nach dem Sturm auf das US-Kapitol im Januar 2021 habe Telegram „hunderte öffentliche Aufrufe zu Gewalt“ gelöscht, wie Telegram-Chef Pavel Durov auf seinem eigenen Telegram-Kanal erklärte.

Löschungen in Deutschland sind selten. Josef Holnburger vom Center für Monitoring, Analyse und Strategie (CeMAS) warf Telegram im Dezember vor, die Sperrungen seien „wenige und willkürlich“. Im September löschte Telegram etwa einen deutschen Kanal mit 40.000 Abonnnent:innen, der aktiv zu Gewalt gegen Ärzt:innen angestiftet haben soll. Durov schrieb: „Es ist OK, für die eigenen Rechte zu kämpfen. Es ist nicht OK, anderen Menschen zu schaden.“

In deutschsprachigen Telegramgruppen und -kanälen gibt es derzeit viele Gewaltaufrufe: Recherchen des öffentlich-rechtlichen Angebots Funk haben jüngst gezeigt, dass Morddrohungen gegen Personen des öffentlichen Lebens in Deutschland seit Mitte November täglich auf Telegram erscheinen. Beobachter:innen schätzen, dass solche Hetze Menschen zu physischer Gewalt bewegen kann.


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