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Recht auf Reparatur: Der Traum vom Zehnjahrehandy

Handy-Reparatur
Smartphones zu reparieren erfordert großes Geschick – zu großes, sagen EU-Abgeordnete. Reparaturen müssten einfacher werden. Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com Clint Bustrillos

Handys sind ein Verkaufsschlager der Vorweihnachtszeit: Auch in diesem Jahr werben Anbieter mit vielen, vielen bunten Telefonen für angeblich angemessenes Geld. Die Geräten bereiten ihren Benutzer:innen allerdings nicht lange Freude. Im Schnitt hat ein Smartphone in Deutschland eine Lebensdauer von nur zweieinhalb Jahren. Und das, obwohl die meisten Leute ihr Handy gerne viel länger verwenden würden, wie die Stiftung Warentest erhob.

Grund für die geringe Halbwertszeit vieler Handys ist, dass sie sich schlecht reparieren lassen. Auch Modelle großer Hersteller wie Apple, Samsung und Google schneiden schlecht ab. Zwar lassen sich etwa beim iPhone 13 Pro Akku und Display tauschen, doch das Glas auf der Rückseite geht schnell kaputt und lässt sich schwer ersetzen, bemängelt die Reparaturseite iFixit. Auch verlange Apple, dass Reparaturen nur bei „autorisierten“ Werkstätten stattfinden. Wer das ignoriert, musste befürchten, dass durch Softwareeinstellungen Zugriff auf Features wie Face ID verloren gehen. Inzwischen hat Apple Nachbesserungen angekündigt.

Handys mit neuartigem Falt-Display sind besonders schwer reparierbar. Wer den Akku eines Motorola Razr tauschen wolle, müsse das Gerät praktisch gänzlich auseinanderbauen, beklagt iFixit. Auch seien die Geräte nicht nachhaltig konstruiert: Das Samsung Galaxy Fold habe viele fragile Teile, so dass teure Reparaturen praktisch unvermeidbar seien. Auf dem Reparierbarkeit-Index von iFixit schneiden nur die Geräte des Anbieters Fairphone mit der Bestnote ab. Diese sind modular gebaut: Das heißt, jedes Teil kann nachbestellt und von Laienhänden einfach eingesetzt werden. Doch so bauen große Hersteller ihre Handys nicht.

„Den Grenzen des Planeten Rechnung tragen“

Am Status quo möchte die Europäische Union grundsätzlich etwas ändern. Die Nutzung von elektronischen Geräten müsse „den Grenzen des Planeten Rechnung tragen“, schrieben EU-Abgeordnete vor mehr als einem Jahr in einem Entschließungsantrag. Wegen wachsender Müllberge und knapper natürlicher Ressourcen sei es notwendig, Handy und andere Geräte endlich nachhaltiger zu bauen. Vier von fünf Menschen in Europa hätten gerne Geräte, die besser reparierbar seien, als das bislang der Fall ist.

Einen Gesetzesvorschlag für ein Recht auf Reparatur hat die EU-Kommission ursprünglich für dieses Jahr angekündigt, doch er lässt vorerst auf sich warten. Im Herbst verriet die EU-Behörde, dass es damit bis zumindest Mitte 2022 dauern wird – viel zu spät, kritisieren NGOs.

Sie sei besorgt über die ständigen Terminverschiebungen, sagt Chloé Mikolajczak von der gemeinnützigen Organisation The Restart Project. Auch ärgere sie der „Mangel an Information“ vonseiten der Kommission. Es gebe beim Recht auf Reparatur das „reale Risiko, dass die Initiative nicht so ehrgeizig sein werde, wie sie europäische Konsument:innen und Aktivist:innen gerne hätten“.

Was genau ein ambitioniertes Recht auf Reparatur bedeuten könnte, haben The Restart Project und 85 weitere NGOs ausformuliert: Jedes neue Smartphone müsse mindestens zehn Jahre halten, fordern sie in einem offenen Brief an die EU-Kommission. Unterzeichnet haben ihn auch Einzelpersonen wie Ex-Europaabgeordnete Julia Reda und Datenschützer Max Schrems. Sie fordern, dass Hersteller Ersatzteile einzeln anbieten und binnen drei Tagen liefern müssen. Für jedes Gerät müssten zudem zehn Jahre lang Softwareupdates geliefert werden.

Für Apple und Co. stehen Milliarden auf dem Spiel

Wie viel sich durch nachhaltigere Geräte bewegen lässt, rechnet der offene Brief der NGOs vor. Die durchschnittliche Lebensdauer von Handys auf zehn Jahre zu erhöhen könne jährlich 6,2 Millionen Tonnen CO2 sparen. Das verringere den Klima-Fußabdruck der Geräte um 42 Prozent. „Das ist das richtige Level an Ehrgeiz für einen Kontinenten, der klimaneutral werden möchte.“ Maßnahmen seien umso dringlicher, je mehr Elektroschrott anfalle.

Die Kommission sagt auf Anfrage von netzpolitik.org, sie habe den Brief erhalten und werde „zu gegebener Zeit“ antworten. Es gebe freilich auch Gespräche mit „anderen Stakeholdern“. Wer damit gemeint ist, wird bei einem Blick in das EU-Lobbyregister klar: Erst vor wenigen Wochen traf sich Apple mit dem Kabinett von Digitalkommissar Thierry Breton. Thema des Gesprächs: die Nachhaltigkeit von Geräten. Für Apple und andere Konzerne stehen Milliarden auf dem Spiel. Denn wenn Handys und Tablets leichter reparierbar sind, sinken die Verkaufszahlen.

Während die EU-Kommission noch trödelt, hat die US-amerikanische Marktbehörde FTC Schritte angekündigt, um Praktiken von Herstellern einzuschränken, die Reparaturen erschweren. Auf die Ankündigung der Behörde hin teilte Apple mit, es werde ab 2022 den Nutzer:innen einiger iPhone-Modelle erlauben, diese selbst zu reparieren. Damit ist aber nur ein erster Schritt gesetzt – was aus Sicht von Aktivist:innen auf beiden Seiten des Atlantiks fehlt, ist ein rechtlich verbriefter Anspruch, Hand ans eigene Gerät legen zu dürfen.


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