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Gig Work: EU-Kommission will Scheinselbstständigkeit stoppen

Gorillas-Rider

Mit einem neuen Gesetz möchte die EU-Kommission für bis zu 4,1 Millionen Menschen in prekären Arbeitsverhältnissen Fakten schaffen. Firmen wie Uber oder Deliveroo müssten künftig zeigen, dass sie ihre Arbeitskräfte nicht regulär beschäftigen – bleiben sie dafür Beweise schuldig, müssten sie die Betroffenen anstellen. Diese Form der Beweislastumkehr soll sicherstellen, dass Arbeitskräfte nicht ausgebeutet werden.

In Europa bieten nach EU-Schätzungen rund 28 Millionen Menschen ihre Arbeitskraft über Plattformen an, davon sollten aus Sicht der Kommission 5,5 Millionen angestellt werden. In der Pandemie boomten die Zustelldienste. Doch wegen niedriger Löhne, fehlender Sozialversicherung und Behinderungen bei der Gründung eines Betriebsrates protestierten in Deutschland zuletzt Fahrer:innen bei Gorillas und bei Lieferando.

Die vorgeschlagene Richtlinie enthält Kriterien für Arbeitgeber:innen. Wenn eine Firma oder Organisation zumindest zwei dieser Kriterien erfüllt, und nichts Gegenteiliges zeigen könne, müssen ihre Arbeitskräfte die selben Rechte wie Festangestellte genießen. Das bedeute Anspruch auf Mindestlohn, geregelte Arbeitszeiten, bezahlte Krankentage sowie die Möglichkeit zur Gründung eines Betriebsrates.

Das Recht auf kollektive Verhandlungen möchte die Kommission auch für Solo-Selbstständige durchsetzen. Eigene Leitlinien sollen sicherstellen, dass geltendes Wettbewerbsrecht der EU dem nicht im Wege stehen. Dieser Schritt soll selbst jenen Menschen helfen, die nach dem Vorschlag nicht als Festangestellte gelten.

Algorithmische Kontrolle soll transparent werden

Die Verwandlung von freien Dienstnehmer:innen in Angestellte werde sich für die Betroffenen lohnen, glaubt die Kommission. Sie schätzt, dass sich insgesamt für diejenigen, die bislang unter Mindestlohn verdienen, Lohnsteigerungen von bis zu 484 Millionen Euro im Jahr ergeben könnten.

Die geplante Richtlinie soll außerdem algorithmische Überwachung einschränken. Zuletzt hatten britische Fahrer das Plattformunternehmen Uber verklagt, weil die Bewertungssysteme des Fahrvermittlers intransparent seien und sie keinen Zugang zu den über sie gespeicherten Daten erhielten. Nach dem Willen der EU-Kommission müssten Arbeitskräfte künftig über automatisierte Kontrolle informiert werden. Das gelte insbesondere für Entscheidungen über die Aufgabenverteilung und Bezahlung. Auch Vertreter:innen der Beschäftigten und Arbeitsbehörden müssten zu den Informationen Zugang erhalten.

Digitale Plattformen dürften überdies keine persönlichen Daten speichern und verarbeiten, die nicht direkt mit der verrichteten Arbeit zu tun hätten. Es dürften zudem keine Daten von Arbeitskräften verwendet werden, wenn diese von der App oder Webseite der Plattform ausgeloggt sein – das soll die Freizeit der Betroffenen schützen. Auch sollen Arbeitskräfte automatisierte Entscheidungen anfechten dürfen. Die Plattform muss dann binnen einer Woche reagieren, die Entscheidung erklären – und gegebenenfalls korrigieren.

Bolt warnt vor „Job-Vernichtung“

Schon vor der Veröffentlichung der Kommissionsvorschläge wurde Widerstand dagegen laut. Durch sie drohe die „Vernichtung von Jobs“, warnt der Konzern Bolt, der E-Scooter verleiht und Carsharing anbietet. Wie Bolt sehen es auch andere Firmen, die gegen die Regeländerung Sturm laufen. Erstmals angekündigt hatte die EU-Kommission einen Vorschlag zu Jahresbeginn, doch laut einer Studie von Corporate Europe sind Lobbyisten der Firmen bereits seit Jahren in Europa aktiv.

Wie mächtig Firmen der sogenannten Gig-Economy in Europa bereits geworden sind, zeigte erst in den vergangenen Tagen das Beispiel Brüssel. In der belgischen Metropole mussten rund 2.000 Uber-Fahrer:innen vorübergehend ihre Dienste ruhen lassen, da ein Gericht urteilte, ihnen fehle die passende Lizenz. Doch nach Tunnel-Blockaden von Fahrer:innen und Protesten des Konzerns ließ sich die Stadt erweichen, sie will nun eine rechtliche Notlösung für Uber schaffen. Was an Gesetzen nicht passt, wird scheinbar passend gemacht.


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