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Twitch: Kein Datenleck wie alle anderen

Screenshot aus dem Twitch-Kanal von Userin RekitRaven

Beim Live-Streaming-Portal Twitch herrscht aktuell wohl hektische Betriebsamkeit. Am Dienstag hat ein anonymer Account eine große Menge interner Daten im Internet veröffentlicht. Es geht um rund 125 Gigabyte Daten, darin enthalten ist nicht nur der gesamte Quellcode der Streamingplattform, sondern auch eine Reihe von internen Informationen, unter anderem eine Liste der Auszahlungen an Top-Streamer*innen auf Twitch.

Dabei scheint es sich erst um den ersten Teil eines Leaks zu handeln, so klingt es jedenfalls in einem Begleittext auf einem Imageboard. Die Community von Twitch sei eine „widerliche toxische Jauchegrube“, heißt es dort. Deswegen veröffentliche man nun einen großen Teil des internen Quellcodes. Darunter sei der gesamte Quellcode von twitch.tv und den zugehörigen Apps, der Quellcode für ein bislang unveröffentlichtes Produkt, mit dem Amazon der Gaming-Plattform Steam Konkurrenz machen wolle, sowie alle Auszahlungsinformationen an Creator von 2019 bis heute.

Jeff Bezos, der Chef von Amazon, habe 970 Millionen für Twitch gezahlt, ätzen die Autor*innen zum Schluss, „wir geben es euch umsonst.“ Der Post schließt mit dem Hashtag #DoBetterTwitch – macht es besser.

Sind die Daten echt?

Für Twitch, das seit 2014 zu Amazon gehört, handelt es sich um einen Katastrophenmoment. In dem Leak befanden sich wohl auch Sicherheitstools und von Twitch entwickelte Bedrohungsszenarien. Dieses Wissen könnte für weitere Angriffe ausgenutzt werden, fürchten Sicherheitsforscher:innen. Twitter-Nutzer*innen zufolge sollen in dem Leak auch Belege dafür zu finden sein, dass Twitch unter dem Codenamen „Vapor“ an einem Konkurrenzprodukt für Steam arbeitet, eine Vertriebsplattform für PC-Spiele mit Millionen von Nutzer*innen.

Auf riesiges Interesse stößt auch die im Leak enthaltene Liste, wer auf der Plattform wie viel verdient: Ein Creator berichtete auf Twitter, dass er laut Verträgen nicht über seine Einnahmen sprechen durfte. Nun steht für alle offen: Topstars wie Nicmercs oder DrLupo machten teils Millionen mit ihren Livestreams.

Die Firma hat den Leak am Mittwoch bestätigt. Man sei noch dabei, das Ausmaß des Datenlecks nachzuvollziehen. Zuvor hatten bereits mehrere Streamer*innen bestätigt, dass die Angaben in ihrem Fall zutreffen. Unklar ist dagegen nach wie vor, wie die Angreifer*innen genau an die Daten gekommen sind. Twitch spricht in einer Mitteilung von einem „Fehler bei den Server-Einstellungen“, über den Dritte Zugriff auf die Daten hatten.

Politisch motivierter Hack?

Ebenso interessant ist aber, was alles nicht in dem Leak enthalten ist: So sollen sich in den Daten keine Passwörter, E-Mail-Adressen oder sonstige persönliche Informationen von Twitch-Nutzer*innen finden.

Vielmehr scheint es, als hätten die Angreifer*innen sich die Mühe gemacht, diese Informationen aus den geleakten Daten zu tilgen, schreibt The Verge. Stattdessen hätten sie sich offenbar bewusst auf den Teil des Codes konzentriert, der interne Daten und Werkzeuge von Twitch offenlegt.

Auch wenn sie auf den Kaufpreis von Twitch verweisen: Um Geld scheint es den Angreifer*innen nicht gegangen zu sein. Vielmehr deutet alles darauf hin, dass es sich um eine politisch motivierte Aktion handelt, die sich gegen die Firma richten soll. Das legt auch der Begleittext zur Veröffentlichung der Daten nahe.

Boykottaufruf im August

#DoBetterTwitch oder #TwitchDoBetter, unter diesem Hashtag rief eine Gruppe von Nutzer*innen bereits im August zu einem Boykott der Plattform auf. Twitch tue nicht genug dafür, seine Creator vor so genannten „Hate Raids“ zu schützen, lautete damals der Vorwurf. Bei solchen Angriffen werden die Livestreamer:innen massenweise mit Hass überschüttet. Besonders betroffen sind Menschen aus marginalisierten Gruppen, etwa queere und Schwarze Nutzer*innen, die mit rassistischen, sexistischen oder homophoben Beleidigungen zugeschüttet werden.

Die Creator RekItRaven und LuciaEverblack, die den Hashtag und die Boykottkampagne im August organisierten, wollten damit den Druck auf Twitch erhöhen, die Plattform sicherer für marginalisierte Nutzer*innen zu gestalten. Twitch hat als Reaktion auf die Kampagne unter anderem die Chatfilter angepasst und weitere Maßnahmen angekündigt, den Kritiker*innen ging das jedoch nicht weit genug. Die Verwendung des Hashtags in dem Begleitpost zum Leak deutet darauf hin, dass sich die Angreifer*innen mit der Kampagne solidarisieren.

Twitch zählt inzwischen zu den größten Video-Plattformen im Netz. Ursprünglich war die Seite bekannt für Gamer*innen, denen man hier live beim Computerspielen zuschauen konnte, inzwischen ist Twitch längst viel mehr als das. Von Karaoke und Konzerten bis zu Traktorfahrten und Menschen, die beim Arbeiten ihren Desktop teilen, findet sich so gut wie alles, wofür sich ein noch so kleines Publikum interessiert.


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