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Informationsfreiheit: Innenministerium muss Twitter-DMs nicht herausgeben

Horst Seehofer

Seit Jahren läuft ein Streit darüber, ob öffentliche Stellen Nachrichten auf Twitter, WhatsApp und ähnlichen Kanälen aufbewahren und auf Anfrage herausgeben müssen. Dagegen wehrt sich etwa Bundeskanzlerin Angela Merkel: Während selbst geheimste Akten sonst im Bundesarchiv landen, ist das bei SMS der Kanzlerin bis heute nicht der Fall. Und das, obwohl Merkel und ihre Regierung bekanntermaßen viele wichtige Entscheidungen über Kurznachrichten abstimmte.

Die Klage, über die nun das Bundesverwaltungsgericht entschieden hat, könnte wegweisend für viele andere ähnliche Fälle sein. FragdenStaat, eine Organisation, die sich für Informationsfreiheit einsetzt, hatte das Bundesinnenministerium auf Herausgabe von Twitter-Direktnachrichten aus den Jahren 2016 bis 2018 verklagt. Dabei handelt es sich nach Angaben des Gerichtes unter anderem um Terminabsprachen, Hinweise auf Tipp- und Verlinkungsfehler oder Fragen von Journalisten nach zuständigen Personen. 

In früherer Instanz ließ das Verwaltungsgericht Berlin keinen Einwand des Bundesinnenministeriums gelten – die Twitter-Nachrichten müssten herausgegeben werden, da es sich um amtliche Information im Sinne des Gesetzes handle. Dagegen zog das Ministerium über eine Sprungrevision direkt vor das Bundesverwaltungsgericht. Es argumentiert, dass es sich bei Twitter um einen informellen Kanal handle und es daher kein offizielles Verwaltungshandeln und keine Veraktung gebe. Auch von hohem Verwaltungsaufwand und Datenschutz ist die Rede.

Auch auf Twitter gilt Transparenzpflicht – aber mit Haken

Das Bundesverwaltungsgericht hat nun entschieden: Dass Twitter-Direktnachrichten unter die behördliche Transparenzpflicht fallen, ist „nicht grundsätzlich ausgeschlossen“, wie es in einer Pressemitteilung des Gerichts heißt. Allerdings gelte das nicht für Nachrichten, die wie im gegebenen Fall „aufgrund ihrer geringfügigen inhaltlichen Relevanz keinen Anlass geben, einen Verwaltungsvorgang anzulegen“.

Praktisch behandelt das Gericht damit Nachrichten über Twitter nicht routinemäßig als amtliche Information – im Gegensatz zu E-Mails, die regulär als Akten behandelt werden. Der Gesetzgeber verlange bei seiner Definition eine „bestimmte Finalität der Aufzeichnung“, heißt es in der Gerichtsmitteilung. Dies sei bei Nachrichten, die ihrer „geringfügigen inhaltlichen Relevanz keinen Anlass geben, einen Verwaltungsvorgang anzulegen“, nicht der Fall. 

Nach Angaben von FragdenStaat habe das Bundesverwaltungsgericht mit dem Urteil eine Bagatellgrenze für Informationen erfunden, nach der nur relevante Informationen herauszugeben seien. Bislang sei es nach dem Gesetzestext des Informationsfreiheitsgesetzes und in der Rechtswissenschaft anerkannt, dass Informationen herauszugeben seien, wenn sie amtlichen Zwecken dienten – was bei offiziellen Twitter-Nachrichten zweifellos der Fall sei. FragdenStaat-Aktivist Arne Semsrott moniert deshalb: „Es ist zu befürchten, dass Behörden künftig alle möglichen wichtigen Informationen als nicht relevant einstufen, um sie dann nicht herausgeben zu müssen.“

Die Frage, was zu den Akten gelegt werden muss, beschäftigt auch die Europäische Union und andere EU-Staaten. Kommissionschefin Ursula von der Leyen hatte bereits als Verteidigungsministerin unter Merkel Ärger mit gelöschten SMS-Nachrichten, doch auch an der Spitze der EU-Behörde sperrt sie sich dagegen, Nachrichten auf ihrem Diensthandy ordnungsgemäß zu archivieren.

Ob das in einem konkreten Fall rechtens ist, prüft derzeit die EU-Bürgerbeauftragte Emily O’Reilly nach einer Beschwerde von netzpolitik.org. Sie arbeitet auch an Empfehlungen für EU-Behörden, wie Nachrichten aus SMS und Messenger-Diensten wie WhatsApp und Signal am besten archiviert werden können.

Offenlegung: Arne Semsrott schreibt hin und wieder als freier Autor für netzpolitik.org.


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