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Biometrie: London setzt drastische Gesichtserkennungstechnologie ein

Die Schablone einer Überwachungskamera ist auf eine Wand gesprüht.

Wir berichten schon länger darüber, wie Polizeitruppen weltweit ihre Überwachungstechnologien mit Gesichtserkennungssoftware ausbauen. Auch in der Metropole London nehmen die technologischen Überwachungsmaßnahmen der Polizei zu – sind aber nicht immer effektiv. Nun legt Sophie Linden, die Londoner Stellvertretende Bürgermeisterin, zuständig für Polizeiarbeit und Kriminalität, mit einem neuen System zu Gesichtserkennung nach.

Ende August hatte Linden einen Antrag gebilligt, der es der Londoner Stadtpolizei (MET) erlaubt, in den nächsten Monaten eine neue Überwachungstechnologie einzusetzen. Bei dieser Technologie handelt es sich um ein sogenanntes „Retrospektive-Gesichtserkennung-System“ (Retrospective Facial Recognition), kurz RFR. Das RFR-System nutzt ausgewähltes Bildmaterial der Polizei und vergleicht es mit der Polizeilichen Nationalen Datenbank (PND) für Gesichtserkennung. Die Bilder können dabei von Videoüberwachungsanlagen, sozialen Medien oder von beliebigen anderen Quellen stammen. So können auch Bürger:innen Fotos an die Polizei weitergeben.

RFR – Really Frightening Recognition

Die Technologie kostet jährlich über drei Millionen englische Pfund und kommt von dem japanischen Unternehmen NEC. Sie soll laut Mitteilung des Bürgermeisteramtes für Polizeiarbeit und Kriminalität (MOPAC) helfen, schneller Verdächtige zu identifizieren, und damit Kriminalität verringern. Das Amt betont in seiner Mitteilung zum geplanten RFR-System, dass diese Technologie mit historischen, also bereits gespeicherten Bildern arbeitet und sich somit wesentlich von Live-Gesichtserkennung unterscheidet, die in Echtzeit vorbeilaufende Gesichter analysiert und ebenfalls von der Londoner Stadtpolizei eingesetzt wird.

Allerdings ist es fraglich, welches Überwachungssystem für die Datenschutzrechte der Bürger:innen freundlicher ist: Kameras, die die Gesichter von Menschen direkt scannen und mit einer polizeilichen Überwachungsliste vergleichen, oder ein rückwirkendes Gesichtserkennungssystem, das viele Monate, wenn nicht gar Jahre in die Vergangenheit zurückblicken kann. Ella Jakubowska, eine Beraterin des Interessenverbands European Digital Rights, erklärt gegenüber Wired das Ausmaß des RFR-Systems: Die Technologie könne analysieren, was die verdächtigte Person in den letzten Monaten getan habe, wo sie sich aufgehalten und wer sie begleitet habe.

#ReclaimYourFace

Auf Twitter kritisiert Jakubowska das Gesichtserkennungs-Tool. Sie ruft außerdem mit dem Hashtag ReclaimYourFace dazu auf, jegliche solcher biometrischen Systeme abzulehnen, die Menschen überwachen und kontrollieren.

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Andere gemeinnützige Verbände schließen sich der Kritik an. Die Direktorin der britischen Organisation Big Brother Watch verweist auf die Vereinigten Staaten, wo wir gesehen hätten, dass Menschen aufgrund von RFR-Systemen fälschlicherweise inhaftiert wurden. Sie sagte gegenüber Wired:

Ein breiteres öffentliches Gespräch und strenge Sicherheitsvorkehrungen sind unerlässlich, bevor man eine extreme Technologie wie diese auch nur in Erwägung zieht, aber der Bürgermeister von London unterstützt weiterhin teure, sinnlose und rechtsverletzende Polizeitechnologien.

Kein Einzelfall

Die Londoner Stadtpolizei ist nicht alleiniger Nutzer dieser Technologie. Aktuell nutzen sechs Polizeieinheiten in England und Wales das Retrospektive-Gesichtserkennung-System ein, weitere fünf Polizeitruppen nutzen eine Live-Gesichtserkennung. Das veröffentlichte das staatliche Criminal Justice Inspectorates in einem Bericht. Die Kritik an harschen Überwachungstechnologien in Großbritannien ist keineswegs neu. Erst kürzlich berichteten wir, wie die Technologien Proteste in England erschweren.


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