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Facebook News: Tanz den Axel Springer

Mark Zuckerberg und Mathias Döpfner

Facebook hat in seiner Desktop-Version eine Unmenge an Buttons und Tabs. Die Leiste ganz oben führt zum Newsfeed, zur Seitenübersicht, zu einem eigenen Videofeed, zum Kleinanzeigenfeature Marketplace und zu den Gruppen. Auch die Leiste links bietet eine Vielzahl von Features, von Veranstaltungen und „Erinnerungen“ bis zu Informationen über Covid-19. Kurzum: Facebook ertrinkt förmlich in Schaltflächen, die zu einer seiner dutzenden Funktionen führen.

Heute kommt ein neues Feature dazu. Es soll mehr sein als ein weiterer bunter Knopf für Facebooks Funktionen-Buffet. Es gehe um den gesellschaftlichen Diskurs, wie es in einer Pressemitteilung des Konzerns heißt. Facebook News startet in Deutschland und bietet nun einen eigenen Nachrichtenfeed für journalistische Inhalte. Bereits am Tag zuvor verkündete der Konzern, wer für die neue Funktion sein wohl wichtigster Partner werden dürfte: Der Axel-Springer-Verlag.

Herzstück von Facebook News ist ein Feed, dessen Inhalte unüblich für Facebook von Menschen vorausgewählt werden. Kuratiert werden die Nachrichten von Redakteuren bei Upday, einer Axel-Springer-Tochtergesellschaft, die bislang vor allem Nachrichten für Samsung-Smartphones aggregiert. Ein Algorithmus soll sicherstellen, dass Nutzer:innen dann aus diesen Inhalten nur die zu sehen kriegen, die auch für sie interessant sind.

Auch wenn schon manches neue Feature auf Facebook rasch gefloppt ist und wieder verschwand, dürfte Facebook News eine große Zukunft bevorstehen. Das liegt daran, dass es nicht vordringlich für Facebook-Nutzenden gemacht ist. Hauptadressat der neuen Funktion sind die Presseverlage. Rund 30 Medienhäuser bezahlt Facebook in Deutschland dafür, dass es ihre Inhalte ausspielen dar.

Ein prominenter Begünstigter ist der Axel-Springer-Verlag, dessen Flaggschiffe „Welt“ und „Bild“ nicht nur durch ihre große Reichweite Bedeutung haben. Denn Springer und sein Vorstandschef Mathias Döpfner schimpfen seit Jahren lautstark auf Google und auf Facebook, mit dem der Konzern nun einen Deal gemacht hat. Die harsch kritisierten „Überwachungskapitalisten“ von gestern sind die Geschäftsfreunde von heute.

Facebook folgt dem Beispiel Googles

Dass Facebook einen News-Tab erhält, mag einige stutzig machen, denn Nachrichten gibt es längst und auf dem Sozialen Netzwerk zuhauf, wie wohl jeder weiß, der dort ein Konto hat und den Newsfeed durchscrollt. Bereits jetzt lassen sich dort Links zu Artikeln teilen, auch offizielle Seiten von Verlagen posten ihre Inhalte fleißig – und gratis. Anders als im gewöhnlichen Feed soll Facebook News nun aber Nachrichten in geballter, konzentrierter Form anzeigen – und die Verlage dafür Geld kriegen.

Facebook macht damit eine Kehrtwende. Noch vor drei Jahren hatte Firmenchef Mark Zuckerberg angekündigt, das soziale Netzwerk wolle sich statt News stärker auf Kontakte mit Freunden und Familie konzentrieren. Das sollte der Kritik entgegenwirken, Facebook habe durch algorithmische Verstärkung von Falschnachrichten und Clickbait-Überschriften den Aufstieg populistischer Rechter wie Donald Trump begünstigt. Damals killte Facebook das Feature „Trending Topics“, das beliebte Nachrichteninhalte anzeigte.

Nun schafft Facebook für journalistischen Inhalte, deren Reichweite es damals bewusst reduziert hat, wieder ein eigenes Silo. Die Presseverlage, die dort Content anbieten, erhalten ihr Geld unabhängig davon, ob dieses Feature bei den Nutzenden tatsächlich beliebt ist. Die Strategie teilt Facebook mit Google, das mit News Showcase im Vorjahr ein ähnliches Programm startete. Davor versuchten die beiden Konzerne jahrelang, die Verlagsbranche mit Geldgeschenken von sich zu überzeugen, wie mein Kollege Ingo Dachwitz und ich in unserer Studie und Artikelreihe „Medienmäzen Google“ dokumentierten.

Rein geschäftlich mag es sich für Konzerne wie Google oder Facebook nicht lohnen, Verlagen Milliarden für Inhalte zu zahlen, die sie auch so verlinken könnten. Doch durch die Deals mit ausgewählten Medien in einigen Ländern können die Konzerne rechtlichen Forderungen auf Lizenzzahlungen entgehen, wie sie das australische Mediengesetz und das EU-Leistungsschutzrecht schaffen. Statt Pflichtzahlungen abzudrücken, haben Google und Facebook die Initiative ergriffen und aus der Zitrone Leistungsschutzrecht Limonade gemacht, indem sie sich kuratierte Inhalte sicherten.

Springer kann womöglich doppelt kassieren

Zwar hat sich der Axel-Springer-Verlag nach eigenen Angaben von Facebook vertraglich zusichern lassen, die Verwendung seiner Inhalte in Facebook News ließen seine Ansprüche aus dem Leistungsschutzrecht unberührt. Das heißt, Springer kann womöglich doppelt bei Facebook kassieren – der Konzern werde unabhängig von Zahlungen aus Facebook News seine Rechte aus dem Leistungsschutzrecht über eine Verwertungsgesellschaft wahrnehmen, sagte ein Sprecher dem ZDF.

Ob andere Presseverlage sich allerdings ähnliche Vertragsbedingungen aushandeln konnten wie Springer, ist ungewiss. Wie viel einzelne Medienhäuser erhalten und wie die Konditionen der Deals genau aussehen, dazu schweigen sowohl Facebook als auch die Verlage. Die Spanne ist dabei potentiell sehr weit: Geleakte Dokumente aus dem Deal französischer Verlage mit Google in Frankreich zeigen, dass die Summen zwischen 1,3 Millionen Euro für die Tageszeitung Le Monde und knapp 14.000 Euro für eine kleine Regionalzeitung schwanken.

Offen bleibt auch, was es für Facebook News bedeutet, dass die Auswahl der Nachrichten durch eine Tochterfirma des Axel-Springer-Verlages getroffen wird. Auf die Frage, ob Upday die Inhalte von Springer bevorzugen könnte, antwortet das Verlagshaus an netzpolitik.org: „Upday wäre bei den zahlreichen Publishern in Europa als Partner sicherlich nicht so beliebt und angesehen, wenn diese das Gefühl hätten, Upday würde Axel Springer-Inhalte bevorzugt behandeln.“

Fest steht nun: Springer hält mit Kritik an der „Daten-Allmacht“ des Silicon Valley hinterm Berg, wenn es um seine eigenen Interessen geht. Freilich, diese Kritik war immer Theaterdonner, wie sich daran zeigt, was Springer-Lobbyisten hinter verschlossenen Türen in Brüssel sagen.

Die deutschen Verlage, die nun auf Einnahmen aus Facebook News und Google News Showcase rechnen können, dürfen sich jedenfalls glücklich schätzen: Denn weder Google und Facebook haben versprochen, jedes journalistische Medium zu bedenken oder Fairness walten zu lassen. Wer jetzt Geld kriegt, hat einen Vorteil gegenüber seinen Mitbewerbern. Die Nachrichtenprogramme der beiden Konzerne verzerren den Wettbewerb durch das Geld und die Reichweite, die sie den teilnehmenden Medien versprechen. Was das für den Medienpluralismus bedeutet, werden wir in den nächsten Jahren erleben.


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