Wem gehört eine Telefonnummer? Das können über 100 staatliche Stellen von mehr als 100 Telefon-Anbietern erfahren, ohne dass die Firmen oder Kunden davon etwas mitbekommen. Dieses automatisierte Auskunftsverfahren wird von der Bundesnetzagentur betrieben und ist auch als „Behördentelefonbuch“ oder Bestandsdatenauskunft bekannt.
Die Bundesnetzagentur veröffentlicht darüber jährliche Statistiken, neben einem Absatz im heute veröffentlichten Jahresbericht auch auf der Webseite:
Im Jahr 2020 wurden insgesamt 17,79 Millionen Ersuchen über das [Automatisierte Auskunftsverfahren] bei der Bundesnetzagentur beauskunftet. Im Vergleich zum Vorjahr wurden damit rund 1,8 Millionen Ersuchen mehr an die Bundesnetzagentur gestellt und von dieser beantwortet.
Wir haben die Zahlen wie jedes Jahr aufbereitet und visualisiert.
17,5 Millionen: Wem gehört diese Telefonnummer?
Deutsche Behörden haben im letzten Jahr 17,45 Millionen Mal gefragt, wer eine Telefonnummer registriert hat. Staatliche Stellen wie Polizei, Geheimdienste und Zoll haben also im Schnitt alle zwei Sekunden einen Datensatz mit Name, Anschrift und weiteren Bestandsdaten erhalten. Statistisch gesehen ist jeder fünfte Einwohner betroffen.
Diese Rufnummernabfragen haben sich innerhalb von fünf Jahren mehr als verdoppelt. An mehreren Tagen wurden „Spitzenwerte von über 100.000 Ersuchen erreicht“.
Seit vier Jahren müssen auch Prepaid-SIM-Karten mit einem amtlichen Ausweisdokument registriert werden. Das sind genau die Daten, die alle zwei Sekunden abgefragt werden. Mit dem neuen Telekommunikationsgesetz dürfen Polizei und Geheimdienste noch einfacher auf diese Daten zugreifen.
Welche Telefonnummern gehören dieser Person?
Die Auskunft geht auch anders herum: Welche Telefonnummern gehören einer Person? Diese Namensersuchen stiegen auf 340.000, etwa alle zwei Minuten eine.
Bei einem personenbasierten Ersuchen ist es notwendig, dass dieses von der Bundesnetzagentur an alle am Verfahren teilnehmenden Telekommunikationsunternehmen weitergeleitet wird, da unbekannt ist, bei wem eine Person welche und wie viele Rufnummern innehat.
Somit erzeugen verhältnismäßig wenige personenbasierte Ersuchen (0,34 Mio. im Jahr 2020) eine große Anzahl von Weiterleitungen an die TK-Unternehmen (30,78 Mio. im Jahr 2020).
Auch diese Abfragen erreichen neue Höchstwerte:
Statistik über IP-Adressen wäre „erhebliche Belastung“
Seit 2013 können neben Telefonnummern auch Internetdaten wie IP-Adressen und E-Mail-Postfächer als Bestandsdaten abgefragt werden. Damit erfahren Behörden, wem eine IP-Adresse zugewiesen ist oder welche IP-Adressen eine Zielperson nutzt – ebenfalls ohne Richterbeschluss.
Zu diesen Abfragen gibt es leider keine Statistiken, weil die Behörden direkt bei den Internet-Zugangs-Anbietern anfragen. Die Bundesnetzagentur könnte diese Statistiken ebenfalls sammeln, doch dazu fehlt der politische Wille. Das zuständige Wirtschaftsministerium beantwortet unsere Anfrage in den vergangenen Jahren immer wortgleich, diesmal gar nicht.
Seit fünf Jahren fragen wir nach diesen Statistiken. Anfang des Jahres wurde das Gesetz zur Bestandsdatenauskunft geändert und neu beschlossen. Seit Sommer haben wir die relevanten Bundesministerien sowie Regierungs-Parteien und -Fraktionen gebeten, eine Statistik-Pflicht in das Gesetz aufzunehmen. Passiert ist das nicht. Angeblich war nicht genug Zeit.
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