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Rüstung: Regierung hält Kosten für Kampfjet-KI geheim

Deutschland entwickelt zusammen mit Frankreich und Spanien gerade einen neuen Kampfjet. Der soll auch Künstliche Intelligenz benutzen, im August wurde dazu ein Vertrag unterzeichnet. Was darin steht oder um wie viel Geld es geht, will die zuständige Behörde lieber nicht sagen.

Ein Eurofighter der Bundeswehr beim Abheben.
FCAS soll den hier abgebildeten Eurofighter Typhoon ersetzen. CC-BY-SA 2.0 Alan Wilson

Das Future Combat Air System – FCAS – ist ein gewaltiges Rüstungsprojekt, mit dem Frankreich, Deutschland und Spanien ihre Luftwaffen grundlegend modernisieren wollen. Kernstück des Projekts ist ein Kampfjet der nächsten Generation, aber das geplante System geht darüber hinaus: Die Pilot:innen sollen über eine „Combat Cloud“ mit unbemannten Drohnen vernetzt sein. Dabei soll, im Jahr 2023 wenig überraschend, auch Künstliche Intelligenz eine Rolle spielen.

Was diese Künstliche Intelligenz einmal können soll? Welche Ressourcen sie haben wird? Wie sie gebaut wird oder, ganz banal, wie teuer sie momentan schon ist oder wie teuer sie noch werden soll? Diese Fragen wollten uns weder das deutsche Verteidigungsministerium noch die beteiligten Unternehmen beantworten. Eine von uns eingereichte Anfrage nach dem Informationsfreiheitsgesetz hat die zuständige Behörde abgelehnt.

Drei beteiligte Unternehmen

Aber zuerst ein wenig Hintergrund: Bevor Künstliche Intelligenz eingesetzt werden kann, muss sie entwickelt werden, und dafür braucht es eine Entwicklungsumgebung. Am 7. August hat das Beschaffungsamt der Bundeswehr einen Vertrag unterzeichnet, und zwar für die Entwicklung dieser Entwicklungsumgebung – es werden also momentan die Werkzeuge gebaut, mit denen später einmal die KI gebaut werden soll. Auf Bundesseite ist für den Vertrag das Beschaffungsamt der Bundeswehr zuständig. Auf der anderen Seite steht das HIS-Konsortium, das aus drei Unternehmen besteht: Rohde & Schwarz, IBM Deutschland und Helsing, ein deutsch-britisches KI-Start-up mit Sitz in München.

Zwei dieser drei Unternehmen sind alteingesessen, das dritte dagegen ganz frisch: Helsing wurde erst vor zwei Jahren gegründet, diesen September bewerteten Investor:innen das Unternehmen aber bereits mit 1,8 Milliarden Euro. Es wurde damit zum ersten sogenannten „Unicorn“ im europäischen Verteidigungsbereich. Der FCAS-Vertrag ist auch nicht der erste große Vertrag, der an Helsing ging: Das Unternehmen soll auch den aktuellen Kampfjet der deutschen Luftwaffe, den Eurofighter Typhoon, mit KI-Fähigkeiten ausstatten. Der Jet soll dann Daten aus verschiedenen Sensoren sammeln und auswerten können.

Keine genauen Infos im Haushalt

Wir haben bei den beteiligten Unternehmen und dem Bundesverteidigungsministerium angefragt, ob sie uns mehr Details zu dem Vertrag nennen können. Die Antwort darauf war ein eindeutiges Nein. Man habe untereinander abgestimmt, über eine Pressemitteilung hinaus nicht über den Vertrag zu kommunizieren.

Nun kann man sich über Geld, dass die Bundesregierung – oder hier das Beschaffungsamt im Auftrag des Verteidigungsministeriums – ausgibt, noch an einer anderen Stelle informieren: im Bundeshaushalt. Im Haushalt für 2023, um den es nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts im November noch einmal so viel Aufregung gab, taucht FCAS zwei Mal auf: Das Verteidigungsministerium hatte für die Entwicklung des Kampfjet-Kernstücks, dem Next Generation Weapon System, 462 Millionen Euro vorgesehen. Im 100-Milliarden-Sondervermögen für die Bundeswehr waren 478 Millionen Euro für das Projekt eingeplant.

Wofür genau diese Mittel verwendet werden sollten, steht in den Plänen nicht. Sollte es über die allgemeine Auflistung hinaus weitere Erläuterungen geben, dann wären diese als geheime Verschlusssache eingestuft, heißt es auf unsere Anfrage vom Bundestag. Einzelne Verträge würden dem Bundestag vorgelegt, wenn sie über 25 Millionen Euro wert sind. Das sei in dieser Legislaturperiode bei FCAS schon mehrere Male passiert, dabei sei es um vorbereitende Studien gegangen. Diese „25-Millionen-Vorlagen“ seien aber ebenfalls eingestuft und könnten nicht herausgegeben werden.

IFG-Anfrage abgelehnt

Der Einsatz von KI im Militär ist ein brenzliges Thema. Das haben anscheinend auch Airbus und ein Fraunhofer-Institut erkannt, die gemeinsam technologische Grundlagen für FCAS entwickelt haben. Sie haben vor einigen Jahren die „Arbeitsgemeinschaft Technikverantwortung“ gegründet, die die Entwicklung des Systems begleiten und beraten soll. Beteiligt sind dabei Vertreter:innen aus der Industrie und Militär, aber auch Forschende zu Geschichte, Politik und Ethik. Mit konkreten Aufträgen hätte das Gremium aber nichts zu tun, sagte ein Mitglied auf Anfrage von netzpolitik.org – also auch keine weiteren Details zum KI-Vertrag.

Damit blieb noch ein Weg übrig, potenziell mehr über den Vertrag zu erfahren: Eine Anfrage per Informationsfreiheitsgesetz. Die haben wir im September an das Beschaffungsamt geschickt, im Oktober kam die Ablehnung zurück. Das Amt hat ganz korrekt das HIS-Konsortium in ein Drittbeteiligungsverfahren eingebunden und meldet, die beteiligten Unternehmen hätten darin ausdrücklich keine Einwilligung zur Veröffentlichung erteilt. Interessant hier: Das Beschaffungsamt erwähnt nur noch zwei Unternehmen, nämlich Helsing und Rohde & Schwarz. IBM Deutschland wurde anscheinend nicht miteinbezogen.

Das Konsortium habe sein „erhebliches Interesse“ an der Geheimhaltung des Vertrags bereits während der Verhandlungen bekundet, heißt es im Schreiben der Behörde. „Dieser Geheimhaltungswille spiegelt sich auch in der Tatsache wider, dass sich die Parteien vertraglich dazu verpflichtet haben, den gesamten Vertrag, einschließlich der Anlagen, vertraulich zu halten.“ Dieser Einschätzung stimme man zu, es bestehe ein berechtigtes und schutzwürdiges Interesse. Die detaillierten im Vertrag enthaltenen Informationen könnten die Wettbewerbsposition der Unternehmen nachteilig beeinflussen. Wir haben gegen diese Entscheidung Widerspruch eingelegt, auch den hat das Beschaffungsamt bereits abgelehnt.


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