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Digitale Souveränität: Milliarden für Oracle, Microsoft und Co. statt für Open Source

Die Ampel schließt großzügige Rahmenverträge mit Oracle und Microsoft und festigt damit die Abhängigkeit von Software-Giganten. Dabei hatte sie im Koalitionsvertrag angekündigt, sich für Digitale Souveränität und Open-Source-Software einzusetzen.

Blick durch eine offene Flügeltür in einen dunklen Raum und Quellcode
Die Bundesregierung will sich Open-Source-Software für die Digitale Souveränität herbeiwünschen, gibt die Milliarden aber doch lieber für proprietäre Software von Oracle und Microsoft aus. – Unsplash/Phil; Source Code Unsplash/Markus Spiske; Montage: netzpolitik.org

Die Bundesregierung gibt Milliardensummen für Produkte großer IT-Konzerne wie Microsoft und Oracle aus und nimmt dabei die starke Herstellerabhängigkeit in Kauf. Das geht aus einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linken-Politikerin Anke Domscheit-Berg zum Thema Digitale Souveränität und Open-Source-Lösungen hervor. Darin gibt die Bundesregierung teilweise Zahlen zu Rahmenverträgen heraus. Neben der Antwort veröffentlichte Domscheit-Berg zudem eine Analyse der Angaben. Letztere umfasst auch Daten zu einzelnen Fragen aus der Anfrage, die die Bundesregierung zur Verschlusssache erklärt hat.

Demnach umfassen laufende IT-Rahmenverträge zwischen dem Bund und den zehn größten Vertragspartnern 13,6 Milliarden Euro. Der Großteil von etwa zwölf Milliarden geht an über 20 Software-Hersteller aus Japan, Indien, Israel, China und vor allem aus den USA. Der Rest fließt an deutsche Unternehmen, darunter an den Softwareriesen SAP und das IT-Sicherheitsunternehmen Secunet. Zu vernachlässigen ist das Vertragsvolumen von 20.000 Euro, das kleine IT-Unternehmen aus Deutschland untereinander aufteilen müssen.

Die hohen Ausgaben der Ampel für proprietäre Software und IT-Leistungen stehen im Widerspruch zu ihrer Ankündigung im Koalitionsvertrag: Man wolle sich zugunsten der Digitalen Souveränität von proprietärer Software unabhängig machen und stattdessen vermehrt auf Open-Source-Lösungen setzen.

Für die Bundes-IT vergibt sie nun unter anderem großzügige Aufträge an Microsoft und Oracle. Allein diese Rahmenverträge belaufen sich auf gut sechs Milliarden Euro, wobei die Rahmenverträge mit Oracle von 4,8 Milliarden Euro den Löwenanteil ausmachen. Einer davon ist ein Einzelvertrag mit einem Volumen von 4,6 Milliarden Euro, der zudem auf sieben Jahre ausgelegt ist.

Kaum Geld für Open Source

Dagegen sehen die Ausgaben des Digitalministeriums für Open-Source-Software (OSS) eher mager aus. Laut Domscheit-Berg geht aus den Angaben, die die Bundesregierung als Verschlusssache erklärt hat, hervor, dass das Ministerium unter Volker Wissing (FDP) seit Ende 2021 aus dem Budget für Software-Entwicklung von mehr als 22 Millionen Euro lediglich 121.000 Euro für OSS ausgegeben hat.

Auch die Ausgaben für IT-Dienstleistungen, die mit proprietärer Software arbeiten, lagen deutlich über denen für OSS, fasst Domscheit-Berg unter Verschluss stehende Angaben zusammen. IT-Dienstleistungen im Zusammenhang mit proprietärer Software, die separat von Entwicklungsaufträgen eingekauft wurden, hätten 99,5 Prozent des Gesamtvolumen von ca. 3,5 Milliarden Euro beansprucht. Die Ausgaben für OSS beliefen sich auf 18,6 Millionen Euro.

Dabei sah es im vergangenen Jahr danach aus, als würde die Ampel OSS stärken. Sie richtete die Plattform OpenCoDE ein, auf der Software für die Verwaltung öffentlich geteilt und weiterentwickelt werden soll. Sie engagierte sich für den offenen Arbeitsplatz OpenDesk, der frei sein soll von proprietärer Software. Und sie installierte eine Behörde, deren einziger Zweck es ist, digitale Souveränität zu erreichen: das Zentrum für digitale Souveränität (ZenDiS).

Zaghafte Bemühungen

Doch das ZenDiS steckt noch in der Findungsphase. Künftig solle es der öffentlichen Verwaltung die Arbeit an OSS-Lösungen unterstützen, wobei es die rechtlichen und operativen Anforderungen berücksichtigt. Das Ziel sei ein leistungsfähiges deutsches und europäisches OSS-Ökosystem, so die Bundesregierung in ihrer Antwort.

Zwar bewertet die Ampel solche Abhängigkeiten als kritisch und lässt mit dem ZenDiS und OpenCoDE Schritte in Richtung Digitaler Souveränität erkennen. Zu den Zielen des ZenDiS gehöre etwa auch, das Bewusstsein für den Mehrwert von OSS in der öffentlichen Verwaltung wie auch in der Gesellschaft zu stärken. Gleichzeitig erklärt sie, dass sie nicht weiß, ob OSS ein effektives Mittel sei, um Abhängigkeiten zu lösen. Das Vertragsvolumen mit Oracle jedenfalls habe „keinen unmittelbaren Einfluss auf die Digitale Souveränität.“

„Reine Lippenbekenntnisse“

Dass die Bundesregierung auf IT-Rahmenverträge mit Herstellern von proprietärer Software setzt, ist mehrfach problematisch. So können Verwaltungen breit gefasste Rahmenverträge für beliebig viele Einzelverträge nutzen, ohne jedes Mal neu ausschreiben zu müssen. Damit ersparen sie sich zwar den Aufwand, den Vergabeprozesse mit sich bringen. Allerdings führt dies dazu, dass Behörden Aufträge weniger an kleine Unternehmen vergeben, die OSS-Lösungen anbieten.

Auch ist es gesetzlich nicht verpflichtend, OSS einzusetzen. Laut Entwurf für das neue Onlinezugangsgesetz (OZG) sollen Behörden „IT-Komponenten dort, wo es technisch möglich und wirtschaftlich ist, als OSS bereitstellen“ und ihr vor solcher Software den Vorrang geben, „deren Quellcode nicht öffentlich zugänglich ist oder deren Lizenz die Verwendung, Weitergabe und Veränderung einschränkt“. Doch zu bewerten, was „technisch möglich“ und was „wirtschaftlich“ ist, bleibt der jeweiligen Behörde überlassen, die die Komponente bereitstellt und weitere vergaberechtliche Vorgaben in ihre Entscheidung einpreisen muss.

Doch auch an anderer Stelle hakt es. Die Bundesregierung hat keine klaren Zielvorgaben für den Einsatz von OSS aufgestellt, bis zu welchem Zeitpunkt an welcher Stelle OSS implementiert sein soll. So hat sie etwa noch keine konkrete, übergreifende Strategie entwickelt, wie sie Schnittstellen für OSS standardisieren kann. Das wäre besonders wichtig für die Interoperabilität. Zudem könnte eine solche Strategie ermöglichen, sich einen Überblick über die verwendete OSS zu verschaffen. Erste Pläne dazu hat die Bundesregierung schon gefasst, etwa die Zentralstelle Lizenzmanagement Bund (ZLB), die Daten zusammenführen und veröffentlichen soll. Das sei laut Domscheit-Berg eine sinnvolle Maßnahme, aber auch „schon lange überfällig“.

Die aktuellen Zahlen zeigen nun: Die Ampel kauft wie ihre Vorgängerregierungen teure proprietäre Software für viel Geld ein. „Nicht einmal der für die Digitalstrategie zuständige Minister Wissing hält sich an das, was er darin angekündigt hat“, sagt Domscheit-Berg. Für die Entwicklung von OSS habe er lediglich 0,5 Prozent seines Budgets für Softwareentwicklung ausgegeben. OSS zu fördern und Digitale Souveränität bei IT-Entscheidungen als Richtschnur zu sehen, seien deshalb „reine Lippenbekenntnisse“, so die Abgeordnete.


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