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Digital Networks Act: Gegenwind für Thierry Breton

Der EU-Binnenmarktkommissar will die DNA der europäischen Telekommunikationsmärkte überschreiben. Davor warnen nun erste Verbände: Ein konsolidierter Markt würde vielleicht ein paar „glückliche europäische Champions“ schaffen, allen anderen aber schaden.

Vor seinem Wechsel in die Politik leitete EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton unter anderem den Ex-Monopolisten France Telecom. – Alle Rechte vorbehalten IMAGO / Wolf P. Prange

Die Ankündigung des EU-Binnenmarktkommissars Thierry Breton, die europäischen Märkte für Telekommunikation grundlegend umkrempeln zu wollen, löst Besorgnis aus. Der vorgeschlagene „Paradigmenwechsel“ würde schädliche Auswirkungen auf den Wettbewerb, den EU-Binnenmarkt und die Interessen von Verbraucher:innen haben, warnen die EU-Verbraucherschutzorganisation BEUC und der Netzbetreiberverband ecta (European Competitive Telecommunications Association) in einer gemeinsamen Erklärung.

Breton hatte in Postings auf LinkedIn und zuletzt auf einem informellen Ministertreffen für seine Vision eines Digital Networks Act (DNA) getrommelt. Demnach würden europäische Telekommunikationsanbieter zunehmend ins Hintertreffen geraten, weil sie der fragmentierte EU-Markt zurückhalte. Die Antwort darauf wäre weniger Regulierung sowie Netzanbieter, die „über die nötige Größe verfügen, um das Potenzial eines EU-weiten Telekommunikationsmarktes voll auszuschöpfen“, sagte Breton den Minister:innen.

Die gemeinsame Erklärung von BEUC und ecta verweist hingegen auf die Marktliberalisierung seit den 1990er-Jahren. Diese sei ein Erfolgsmodell und habe zu fairen und konkurrenzfähigen Märkten geführt. Gepaart mit einer effektiven Vorabregulierung ehemaliger Staats-Monopolisten sei dies die treibende Kraft hinter Investitionen und positiven Innovationen gewesen. Davon profitiert hätten nicht zuletzt Kund:innen, denen mehr Auswahl zu niedrigeren Preisen zur Verfügung stehe. Das Ziel Bretons, „ein paar glückliche europäische Champions“ zu schaffen, stehe im Widerspruch zu den Errungenschaften der letzten Jahrzehnte, heißt es in dem Schreiben.

Zunehmende Harmonisierung

Die Idee eines gesamteuropäischen Marktes für Telekommunikation ist nicht neu- Dafür geworben hatte unter anderem auch der ehemalige EU-Digitalkommissar Günther Oettinger. Vor einem Jahrzehnt erwähnte etwa der von seiner Vorgängerin Neelie Kroes auf den Weg gebrachte, ursprüngliche Entwurf der sogenannten „Telecom Single Market“-Verordnung die „fortschreitende Fragmentierung“ gleich im ersten Absatz. Es ist eines von inzwischen vielen Regelwerken, die eine zunehmende Harmonisierung des europäischen Telekommunikationssektors zum Ziel hatten. Nach jahrelangen Verhandlungen schaffte die Verordnung schließlich die EU-Roaming-Gebühren im Mobilfunk ab und verankerte die Netzneutralität im EU-Recht. Konsolidierte Regeln sowie punktuell zurückgefahrene Regulierung war auch das Ergebnis der jüngsten, umfangreichen Reform des EU-Telekommunikationsrecht, dem sogenannten Kodex für Telekommunikation (EECC).

Ein wie von Breton vorgeschlagener DNA würde jedoch alle bisherigen Prinzipen untergraben, warnen die Verbände: „BEUC und ecta haben stets unterstrichen, dass die Deregulierung des Marktes und Schwächung des Wettbewerbs die Marktmacht von Ex-Monopolisten gegenüber anderen Marktteilnehmern unverhältnismäßig stärken wird, zum Nachteil der kleineren Wettbewerber und der Verbraucher:innen.“ Vor allem der internationale Vergleich mache das deutlich: So hinkten die USA beim Wettbewerb, der Angebotsvielfalt und den Preisen der EU hinterher.

Große Netzbetreiber wollen weiter wachsen – um jeden Preis

Losgetreten hatte Breton die Debatte vor dem Hintergrund ambitionierter Digitalisierungsziele der EU. Bis zum Ende des Jahrzehnts soll unter anderem jedem EU-Haushalt eine Glasfaserleitung zur Verfügung stehen, flankiert von einer flächendeckenden Versorgung mit dem 5G-Mobilfunkstandard. Die dazu notwendigen Investitionen in Milliardenhöhe will sich die Branche aber in der einen oder anderen Form zurückholen.

Besonders umstritten war zuletzt der von Ex-Monopolisten wie der Telekom Deutschland oder dem französischen Orange lancierte Ansatz, populäre Internet-Dienste wie Netflix oder YouTube extra zur Kasse zu bitten. Damit sollte zumindest indirekt die Finanzierung des Infrastrukturausbaus gewährleistet werden, so das Versprechen der großen Anbieter. Geglaubt hatte das außer Breton, der vor seiner Politkarriere in der Telekommunikationsbranche gearbeitet hatte, aber kaum jemand: Die Idee einer solchen Datenmaut scheint nach erbittertem Widerstand vieler EU-Länder, Regulierungsbehörden und zivilgesellschaftlicher Gruppen erst mal vom Tisch zu sein.

Alternativen zu übermächtigen Netzbetreibern

Der teilweise stockende Ausbau moderner Internetanschlüsse treibt auch die deutsche Politik seit Jahren um. Allerdings mehren sich die Hinweise, dass weniger mangelnde Investitionsbereitschaft das Problem ist und eher ein ineffizienter Infrastrukturwettbewerb. Dieser erreiche besonders außerhalb dicht besiedelter Ballungsgebiete seine ökonomischen Grenzen, hielt jüngst eine Studie des Forschungsinstituts WIK-Consult fest. Zugleich bindet ein technisch und volkswirtschaftlich fragwürdiger Doppelausbau von Netzen in lukrativen Gegenden dringend benötigte Ressourcen wie Baukapazitäten, die dann anderswo fehlen. Ein potenzieller Ausweg wären etwa starke Open-Access-Auflagen, die den Wettbewerb zwischen Netzen in die Netze selbst verlagern würden.

Die EU müsse sich nun sehr genau überlegen, wie sie die ausgegebenen Ausbauziele erreichen will, mahnen die beiden Verbände: „Wir lehnen das Narrativ der dominanten Netzbetreiber, das offenbar von der EU-Kommission unterstützt wird, nachdrücklich ab – nämlich dass die Marktfragmentierung ’sie zurückhält‘ und dass es einen Bedarf an Deregulierung und weniger Wettbewerb gibt.“ Auf „EU Champions“ zu setzen, die aus ehemaligen Monopolisten bestünden, würde jedenfalls den fundamentalen Prinzipien des europäischen Wettbewerbsrechts widersprechen. „Die Erfahrung unserer Mitglieder zeigt, dass weniger Wettbewerb nur zu weniger Investitionen und einem schlechteren Verbraucherschutz führt, nicht zum Gegenteil.“

Zunächst müsse die EU-Kommission sicherstellen, dass der neue Kodex für Telekommunikation EECC auch tatsächlich überall in der EU vollständig implementiert ist, fordern die Verbände. Zudem könne der derzeit verhandelte Gigabit Infrastructure Act durch den Abbau administrativer Hürden entscheidend Kosten reduzieren. Sollte sich die EU aber für einen strukturellen Umbau der regulatorischen Rahmenbedingungen entscheiden, müsse dies auf Basis von Fakten und Notwendigkeiten geschehen, unter Berücksichtigung der sogenannten „Better Regulation Principles“ der EU-Kommission. Dazu zählen etwa umfassende Folgenabschätzungen sowie eine inklusive öffentliche Konsultation – was in der bisherigen Debatte schmerzhaft gefehlt hatte.


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