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Neue K-Pop-Generation: Virtuelle Idole

Die südkoreanische K-Pop-Industrie ist im Wandel. Die KI hat ihren Weg in die weltweit beliebte Musikrichtung gefunden. Die virtuellen Idole scheinen wie geschaffen für den Perfektionsdruck in der Branche.

Drei K-Popidole, die von einer KI generiert wurde
Diese drei K-Popidole existieren nicht, sehen aber dank KI täuschend echt aus – Public Domain generiert mit Midjourney / Prompt: „Ai K-pop group“

Südkoreanische Popmusik, kurz K-Pop, ist ein Milliardenmarkt. Die Mischung aus Pop, Hiphop und Rap, meist in reinen Girl- oder Boy-Bands performt, begeistert viele. Die K-Pop-Stars, sogenannte Idols, beginnen meist schon sehr früh mit dem Training für ihre Karriere. Im Alter zwischen 7 bis 13 Jahren werden sie in Talentagenturen unter strengen Bedigungen ausgebildet, Tanz und Gesangstraining nehmen im Regelfall 12 Stunden am Tag ein.

Das Aussehen spielt eine wichtige Rolle. Das Gewicht der Trainees, die ein Idol werden wollen, wird oft von den Agenturen kontrolliert. Auch von Schönheitsoperationen haben einige Trainees berichtet. Bis sie schließlich für Gruppen ausgewählt werden und debütierten dürfen, können viele Jahre vergehen. Die Kosten für die ganze Ausbildung tragen meist die Agenturen – eine auf Dauer kost­spie­lige Sache.

Ein vermeintlicher Ausweg aus dem Perfektionsdruck: Künstliche Intelligenz. In den letzten Jahren gab es mehrere Versuche, bei denen sich KI mit menschlichen K-Pop-Gruppen vermischt. Allen voran mit Adam, einem virtuellen K-Pop-Sänger von Adamsoft, der als erstes virtuelles Idol aus Südkorea bezeichnet werden kann. Der große Erfolg blieb für Adam jedoch aus und beschränkte sich auf zwei Singles.

Eine Gruppe aus Computerspiel-Figuren

Die erste virtuelle K-Pop-Gruppe, die großen Erfolg feierte, war K/DA. Sie hatte 2018 ihr Debüt bei der Eröffnungsshow zu der Weltmeisterschaft des Computerspiels League of Legends. Die Gruppe besteht aus vier Sängerinnen, die alle eigene erfolgreiche Musikkarrieren haben. Zwei von ihnen sind aus US-Amerika, zwei sind Mitglieder der erfolgreichen K-Pop-Gruppe (G)I-dle. Alle vier werden durch einen Videospiel-Charakter verkörpert. Während man in den Musikvideos ausschließlich die 3D-Modelle der Charaktere sieht, treten auf der Bühne noch gleichzeitig die realen Personen auf.

Eine Mischung aus realen Personen und virtuellen Idols bietet aespa, eine achtköpfige Mädchengruppe. Vier der Idols sind Menschen, die anderen vier gehören zu æ-aespa und sind nur in der virtuellen Welt zu sehen. Diese vier 3D-Charaktere wurden mithilfe von Künstlicher Intelligenz erstellt, gefüttert mit den Daten der vier menschlichen Mitglieder. In den Musikvideos wechseln sich virtuelle und menschliche Gruppenmitglieder ab, beide Teile geben Interviews, Fans können auch mit den virtuellen Mitgliedern online interagieren.

Noch virtueller ist die Gruppe Eternity der Firma Pulse9, die 2021 ihr Debüt feierte. Pulse9 entwickelte schon länger Deepfake-Technologien, die das Unternehmen nun für seine elfköpfige K-Pop-Gruppe nutzt. Bei einer Challenge durften die Fans abstimmen, welche von vielen KI-generierten Gesichter sie am besten finden. Diese Gesichter werden mithilfe einer Deepfake-KI auf die Gesichter der weiblichen Bandmitglieder montiert. Die eigentlichen Menschen sind nicht mehr sichtbar.

Menschlicher als ein Mensch?

Bei ihrem ersten Musikvideo I’m Real sieht man denn Gebrauch der Technik noch ganz deutlich. Das merken auch die Fans in den Kommentaren immer wieder an. Doch die Firma verbesserte ihre Technik stetig und in den neuen Musikvideos ist es kaum bis gar nicht mehr zu erkennen – was die Fans auch lobend in den Kommentaren anmerken. Park Jieun, die Frau hinter der Gruppe, sagte zu der halb-virtuellen Girl-Band:

Virtuelle Charaktere können perfekt sein. Aber sie können auch menschlicher sein als Menschen.

An der Spitze der virtuellen K-Pop-Gruppen steht Mave. 2023 von Metaverse Entertainment ins Leben gerufen, handelt es sich hier um eine vierköpfige Mädchengruppe. Diese sind bis auf die Stimmen komplett am Computer erstellt. Die 3D-Modelle wurden mithilfe der Unreal Engine ins Leben gerufen, einer Software, die häufig zur Spieleentwicklung genutzt wird. Um Emotionen feiner und menschlicher wirken zu lassen, kann außerdem MetaHuman zum Einsatz – ein Tool der Engine, um digitale Menschen möglichst lebensecht zu erstellen.

Ganz eigenständig Tanzen und Singen können die virtuellen Idols noch nicht. Die Bewegungen stammen von Tänzer:innen in speziellen Anzügen, mithilfe derer die Choreografien auf die Modelle übertragen werden. So konnte die Gruppe sogar schon im Fernsehen auftreten.

Virtuelle Idols machen weniger Probleme

Agenturen sind von den ersten Ansätzen der KI-Idols begeistert. Viele sprechen davon, dass die virtuellen Idols weniger anfällig für Probleme sind. Die Idols widersprechen auch nicht, was in Hinsicht auf Werbung vieles erleichtert. Obendrein brauchen sie weder Pausen noch intensives Training. Um Liebesbeziehungen, die für K-Pop-Idols meist vertraglich verboten sind, müssen sich die Agenturen auch nicht mehr kümmern.

Aber auch für die Idols, die noch hinter ihren Figuren stehen, haben die KI-Charaktere Vorteile. Eine virtuelle Version seiner selbst kann einige Aufgaben übernehmen, etwa in sozialen Medien kann das ziemlich viel Druck nehmen. Jedoch machen sich einige K-Pop-Idols auch Sorgen um ihren Job. Denn es ist offensichtlich, dass virtuelle Idols weniger Arbeit und weniger Kosten verursachen als echte Menschen. So sagte Han Yewon, Lead-Sängerin der K-Pop-Gruppe mimiirose:

Die Technologie hat sich in letzter Zeit deutlich verbessert. Ich befürchte, dass virtuelle Charaktere den menschlichen Idols den Platz streitig machen werden.

Noch brauchen sich die Idols darum aber nicht sorgen, denn im K-Pop ist alles von den Fans abhängig. K-Pop setzt auf eine sehr enge Bindung durch viel Kommunikation über soziale Medien oder Fanartikel. Auch Fan-Treffen und Auftritte spielen dabei eine große Rolle. Die Fans geben dafür viel Geld aus, regelmäßig werden Rekorde gebrochen, was die Ticketpreise bei Konzerten angeht. Bei einer Tour der Jungengruppe BTS kosteten Tickets teils vierstellige Dollar-Beträge auf dem Wiederverkaufsmarkt. Die Tour war komplett ausverkauft.

Beliebte Perfektion

Beliebt sind die Stars, wenn sie möglichst perfekt sind: jung, hübsch und fehlerfrei. Schlechte Laune wird nicht gern gesehen. Was allzu menschlich ist, stört. Man dürfte also meine Fans regieren, eigentlich nur positiv auf die perfekten virtuellen Idols. Doch Jeong Yu, Kinder- und Jugendpsychiater, sieht darin ein Problem:

Das wahre Problem daran ist, dass wir einander nicht auf authentische Weise wahrnehmen.

Virtuelle Idols, egal wie menschenähnlich sie in Zukunft aussehen, werden wohl nie in Interviews über ihre Probleme berichten. Sie brauchen keine Diäten, um die Schönheitsstandards im K-Pop zu erfüllen. Hasskommentare im Internet lassen sie kalt. Da, wo es mit echten Menschen schwierig wird, ist es mit virtuellen Idols leicht. Die Probleme kommen da, wo Menschen den Idols nacheifern.

Viele der K-Pop-Fans sind jung und haben bereits mit Schönheitsstandards zu kämpfen, die auch im K-Pop vermittelt werden. Das fällt leichter, wenn ihre Idols genauso geht. Wenn diese aber nicht real sind und nie mit diesen Problemen zu kämpfen haben, steigt der Druck, auch selbst perfekt zu sein, wie ein realer Mensch es nie könnte.


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