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Polnischer Senat: Überwachung mit Pegasus ist illegal

Eine Sonderkommission des polnischen Senats hat ihren Abschlussbericht zum Pegasus-Skandal vorgestellt. Sie kritisiert den Einsatz des Staatstrojaners hart und spricht von Wahlmanipulation. Ihre Vorschläge zur Geheimdienstkontrolle nennt eine NGO „überfällig“.

Ein Smartphone, auf dessen Bildschirm in neongrünen Buchstaben "Pegasus" steht. Im Hintergrund ist Binärcode zu sehen.
Der Staatstrojaner Pegasus der israelischen Firma NSO wird in vielen europäischen Ländern eingesetzt, In Polen wurden damit Oppositionelle und Kritiker*innen vor der Wahl überwacht. – Alle Rechte vorbehalten IMAGO / ZUMA Wire

Dem polnischen Senat zufolge war der Einsatz der Spähsoftware Pegasus in Polen wahlverzerrend, verfassungswidrig und illegal. Das ist das Ergebnis einer Sonderkommission des Senats, die rund 20 Monate den Spionageskandal untersucht hatte.

Nach umfassenden Anhörungen von Rechtsexpert*innen und überwachten Personen kam die Sonderkommission zu dem Schluss, „dass die Wahlen 2019 nicht fair waren und ihren Teilnehmer*innen keine gleichen Chancen boten.“ Michał Kamiński, stellvertretender Sprecher des Senats und Politiker der oppositionellen Bürgerkoalition sagte: „Der Watergate-Skandal, der zum Sturz von Präsident Nixon führte, ist nichts im Vergleich zum Pegasus-Skandal.“ So hackte die Regierung vor den Wahlen 2019 etwa das Handy des oppositionellen Wahlkampfleiters Krzysztof Brezja, später veröffentlichten Regierungs-nahe Medien manipulierte SMS von ihm (Paywall). Infolgedessen sah er sich zum Rücktritt gezwungen.

Der Senat ist die obere der beiden Parlamentskammern in Polen. Im Unterschied zum Sejm – dem Unterhaus – hat dort die Opposition die Mehrheit. Diese wirft der Regierung seit längerem vor, mit dem Staatstrojaner Oppositionelle überwacht und die Wahl 2019 manipuliert zu haben.

Illegal gekauft – verfassungswidrig eingesetzt

Zum Kreis der Überwachten gehörten unter anderem auch der Rechtsanwalt Roman Giertych, der viele Oppositionspolitiker*innen vertritt und die Staatsanwältin Ewa Wrzosek. Sie hatte sich gegen die umstrittene polnische Justizreform engagiert. Der Senatsbericht kommt nun zum Schluss, dass alle Pegasus-Attacken politisch motiviert und nicht etwa durch Ermittlungsverfahren wegen Straftaten begründet waren. Die Überwachung sei ein „grober Verstoß“ gegen die Verfassung.

Auch der Kauf von Pegasus war laut den Senator*innen illegal und habe gegen mehrere Korruptionsvorschriften verstoßen. Die Kommission ist zudem der Ansicht, dass Pegasus nach polnischem Recht nicht verwendet werden dürfe. Senatorin Magdalena Kochan fordert: „Gegen Terrorist*innen eingesetzte Waffen dürfen nicht gegen normale Bürger*innen eingesetzt werden.“

Diskussion zur Geheimdienstkontrolle „überfällig“

Der Senat fordert eine wirksamere Kontrolle der Geheimdienste. Zudem sollen die Funktionen Justizminister und Generalstaatsanwalt zukünftig wieder getrennt werden. Die polnische NGO Panoptykon, die sich gegen Überwachung einsetzt, begrüßt den Beschluss des Senats. „In der politischen Debatte beginnt sich etwas zu ändern. Politiker*innen fangen an, offen über die Notwendigkeit von Reformen im Bereich der Geheimdienste zu sprechen“, sagt Wojciech Klicki, Rechtsanwalt bei Panoptykon gegenüber netzpolitik.org. „Nichtsdestrotrotz, die Diskussion war überfällig und kommt zu spät, um Fairness bei den kommenden Wahlen sicherzustellen“, so Klicki weiter. In Polen finden am 15. Oktober Parlamentswahlen statt.

Innenminister Mariusz Kamiński bezeichnete den Bericht des Senats sogleich als Wahlkampfinstrument. Er wies jede Schuld von sich oder der regierenden PiS-Partei. Dem englisch-sprachigen Portal Notes of Poland zufolge sagte Kamiński dem öffentlich-rechtlichen Polskie Radio: „Wenn es um Überwachung geht, dann geschieht es in Polen nur mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft und eines Gerichtes.“

Pegasus wird in der EU gern genutzt

Pegasus ist ein Staatstrojaner (mitunter auch als Spyware bezeichnet), entwickelt von der israelischen Firma NSO. Im Zuge der „Project Pegasus“-Recherchen, an denen aus Deutschland Die Zeit, die Süddeutsche Zeitung sowie NDR und WDR beteiligt waren, kam ans Licht, wie Regierungen – auch in Europa – damit kritische Journalist*innen, Rechtsanwält*innen und Oppositionelle überwachten.

Nach Veröffentlichung der Recherchen startete auch das EU-Parlament einen Untersuchungsausschuss zu Staatstrojanern. Auch dieser stellte in seinem Abschlussbericht fest, dass Pegasus in Polen Teil war „eines Systems zur Überwachung der Opposition und Kritiker*innen – erschaffen, um die Regierung an der Macht zu halten“. Laut dem Bericht des EU-Parlaments wurde Pegasus zwischenzeitlich in 14 Mitgliedsstaaten von 22 Behörden eingesetzt. Global wird etwa alle 40 Minuten ein Gerät mit Pegasus gehackt.

Pegasus in anderen EU-Staaten

Es ist nicht vollständig klar, welche EU-Staaten Pegasus in der Vergangenheit einsetzten oder dies noch immer tun. In Ungarn nahmen etwa staatliche Stellen mit Pegasus Oppositions-Politiker*innen, Journalist*innen und Menschen aus der Zivilgesellschaft ins Visier. Den Untersuchungsausschuss des EU-Parlaments diffamierte die ungarische Regierung als Teil einer Verschwörung. Spanische Behörden setzten Pegasus unter anderem gegen 65 Menschen ein, die sich in der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung engagierten, darunter auch EU-Parlamentarier*innen. Zudem wurden mehrere Telefone der spanischen Regierung mit Pegasus gehackt, darunter die Handys des spanischen Regierungschefs und der Verteidigungsministerin.

In Deutschland enthüllten Medien, dass sowohl BKA als auch BND über Pegasus verfügen. Viele Details darüber sind nicht bekannt, da die Bundesregierung eine öffentliche Beantwortung von Fragen weitgehend verweigert. Das Bundeskriminalamt soll laut Recherchen jedoch über eine angepasste Version des Staatstrojaners verfügen und diese in etwa einem halben Dutzend Fälle eingesetzt haben.


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